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Die Barriere als Blitzableiter für eine missratene Oltner Verkehrspolitik

Wir Oltnerinnen und Oltner müssen uns selber an der Nase nehmen. Wir haben eine Ortsumfahrung ERO genehmigt, die Olten nicht umfährt. Und es war uns egal oder wir haben es in Kauf genommen, dass angeordnete Verkehrsmassnahmen kontinuierlich missachtet wurden. Jetzt ist der Zapfen ab und das Geschrei wegen der harten Quartiersperre im Säliquartier gross.
26. April 2021
Christian Ginsig
Leserbrief

Als wir im Jahr 2013 die «ERO Umfahrung Olten» in Betrieb genommen haben, hätten wir uns Oltnerinnen und Oltner bereits fragen können, ob da etwas nicht stimmt mit einer Umfahrung, die mitten in Olten endet und nicht, wie es der Name vermuten lassen würde, das Städtlein Olten umfährt und entlastet. Haben wir aber nicht.

Wir hätten uns ebenfalls wundern können, dass uns bereits damals die Verkehrsplaner prognostizierten, dass die neue Strasse zu einer Mehrbelastung auf dem Abschnitt Sälikreisel bis Postplatz führen würde. Haben wir aber nicht. Wir dachten, das komme schon irgendwie gut, denn den Verkehr ist man sich in Olten ja gewohnt.

Und wir haben den Versprechungen vertraut, als uns mit der Einführung der ERO Verkehrskontrollen in den Quartieren zugesagt wurden. Auch dort hätten wir stutzig werden können, ob dies über einen längeren Zeitraum konsequent umgesetzt wird. Am Ende dieses ERO-Schlauchs befand sich nämlich schon zu Beginn der Eröffnung der ERO die verkehrsberuhigte und mit Verbotsschildern bestückte Sälistrasse.

Und wie es sich so verhält mit Versprechen, die länger zurückliegen, sie geraten in Vergessenheit. Die Quartierkontrollen wurden zu Beginn noch mit abgestellten Polizeiautos und in Leuchtwesten publikumswirksam inszeniert und dann hörten sie irgendwann auf. Dies haben wir ebenfalls wenig kritisch hinterfragt und reagiert haben wir auch nicht.

Und so nahm der Verkehr über die Sälistrasse von Jahr zu Jahr stetig zu. Nicht etwa wegen des Bevölkerungswachstums in der Stadt Olten, nein, dieses ist sehr moderat verlaufen. In Tat und Wahrheit war es nämlich den Autofahrern zusehends egal, ob da ein Zubringerdienst-Verbotsschild an der Einfahrt zur Sälistrasse steht. «Kontrolliert ja eh niemand» war die Devise und jene, welche die Schilder missachteten, wurden mit einer illegalen und schnellen Durchfahrt durch Olten belohnt. Und wie das mit dem Belohnungssystem im Gehirn so funktioniert, will man immer mehr davon, wenn es einmal geklappt hat und es keine Konsequenzen hat. Vom westlich gelegenen Säli bis zum östlich gelegenen Wilerfeld fuhren überall Autos, die von Anfang an nicht dort hätten fahren dürfen.

Gestern sagte mir ein Anwohner beim Schwatz im Quartier: «Weisst du, ich wohne jetzt seit 16 Jahren hier im Quartier, ich fahre viel Auto, aber in all dieser Zeit wurde ich noch nie kontrolliert.» Ich entgegnete, dass ich zu Beginn der ERO, also vor 8 Jahren, schon die Polizei hätte Zufahrtskontrollen machen sehen. Dafür strafte er mich dann mit einem müden Lächeln ab.

Es war dann irgendwann 2019 oder 2020, so genau weiss ich es wegen Corona nicht mehr, als Anwohnerinnen und Anwohner in der vom Verkehr besonders betroffenen Maienstrasse und Reiserstrasse Unterschriften für ein Tempo-20-Regime im Quartier sammelten. Deren Strassen liegen nämlich als erste Abbiegemöglichkeiten an eben dieser Sälistrasse. Durch die Begrenzung auf 20 km/h wären wenigstens die Quartieranwohner gleichberechtigt mit den durchfahrenden Autos auf demselben Strassenraum unterwegs gewesen.

Und es war kurz darauf, als eine von der Schweizer Volkspartei SVP eingereichte Motion dasselbe forderte, nämlich endlich für eine Lösung der gleich darunter liegenden und beim Durchfahrtsverkehr sehr beliebten Reiserstrasse zu sorgen. Das Parlament stimmte zu, dass der Stadtrat dieses Problem endlich angehen müsse und für Lösungen zu sorgen habe.

Der Stadtrat machte dann das, was er immer tut. Er beauftragte ein externes Planungsbüro. Varianten wurden in der Stadtverwaltung diskutiert, verworfen und am Schluss hatte man eine Lösung definiert. Und wenn wir ehrlich sind, wir hätten auch dieses Mal wissen müssen, dass es wohl irgendwo klemmen muss. Denn das Grundproblem der fehlenden ERO-Umfahrung von Olten bis Dulliken würde man wohl kaum mit einer kleinen Massnahme im Quartier lösen können. Ein Verkehrsplaner im Kleinen kann unmöglich die Probleme lösen, die andere Verkehrsplaner im Grossen mit der verkappten Umfahrung Olten, die gar keine ist, entsprechend angerichtet haben.

Aber zu diesem Zeitpunkt war der Frust in der Quartierbevölkerung schon gross. Man wusste, dass die ERO die Stadt Olten nicht umfährt, man wusste, dass der Postplatz ein Engpass ist, man wusste, dass die Baustelle beim Ländiweg noch mehr Druck auf den Durchgangsverkehr verursacht, und hätte das Parlament zu diesem Zeitpunkt die beiden Vorstösse der Verkehrsberuhigung komplett zurückgewiesen, wie dies ein anderer SVP-Politiker forderte, dann hätte man sich so verhalten, als würde man sich ins eigene Knie schiessen oder ganz einfach den Kopf in den Sand stecken. Sprich, das Parlament unterstützte den Stadtrat, nach Jahren der eigenen Untätigkeit nun doch etwas zu unternehmen. Skurriler wurde das Ganze dann noch, als ein SP-Gemeinderatskandidat öffentlich im Internet Unterschriften zu sammeln begann, gegen eben diesen Entscheid des Parlaments und seiner eigenen Partei, welche den Stadtrat darin unterstütze, endlich wieder das Heft in die Hand zu nehmen.  

Und so wurden die durch ein beauftragtes Planungsbüro definierten Ideen, nämlich eine «harte Quartiersperre» im Säliquartier, in die Tat umgesetzt. Dem Stadtrat blieb ehrlicherweise auch nichts anderes übrig, denn er stand nach Jahren des passiven Zusehens auch mit dem Rücken zur Wand. Man liess über Jahre hinweg die Zügel schleifen. Die Stadtverwaltung fand immer neue Begründungen, weshalb es schwierig sei zu kontrollieren und warum man dieses Problem nicht einfach lösen könne. Sprich, die Situation verschlechterte sich seit 2013 zusehends und jeder, der mit offenen Augen durchs Säliquartier lief, wusste ganz genau, dass diese Flut an Autos nicht alleine den Anwohnerinnen und Anwohner zuzuschreiben ist, obwohl auch dies immer wieder behauptet wurde.

Hätte der Stadtrat schon damals, also 2013 steuernd eingegriffen und wäre die Situation konsequent überwacht worden, hätte man mit einem harten Bussensystem das Problem im Säliquartier wohl im Griff behalten können. Im Wissen darum, dass das eigentliche Problem, die fehlende Erweiterung der ERO ab Sälikreisel durch einen Tunnel bis Dulliken, erst die nachhaltige und langfristige Lösung darstellen würde.

All jene, die jetzt die Barrieren und Quartiersperren im Säliquartier als Schildbürgerstreich bezeichnen, müssen sich eben auch ein Stück weit selber an der Nase nehmen, denn der Verkehr auf der Sälistrasse ist jetzt, seit der Umsetzung der Quartiersperre eingebrochen.

Ein klares Indiz, dass eben diese harte Quartiersperre genau das tut, was sie muss, nämlich den auswärtigen und illegalen Quartierverkehr von der Durchfahrt abzuhalten. Dieses Ziel ist mit dem Pilotversuch erreicht. Eine Lösung des eigentlichen Verkehrsproblems, welches sich auf andere Achsen verlagert hat, ist damit aber nicht gefunden.

Wenn wir unser Verkehrsproblem wirklich angehen wollen, müssen wir uns nicht an diesen Barrieren aufhalten, sondern endlich gemeinsam das Verkehrsproblem gesamtheitlich anpacken und parteiübergreifend nach Lösungen suchen. Dazu braucht es aber einen Dialog mit der Bevölkerung.

Eventuell resultiert daraus die Wiederaufnahme der Verkehrsplanung für ein Tunnelprojekt von Olten bis Dulliken. Wäre dies der Fall, hätten die Barrieren und Verkehrssperren im Säliquartier auch ihr Gutes gehabt. Es liegt an uns allen, ob wir das Oltner Verkehrsproblem nun endlich gemeinsam angehen wollen. Für eine nachhaltige Lösung braucht es vermutlich etwas mehr als eine Barriere oder einen Block Beton.

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