Die Barriere als Blitzableiter für eine missratene Oltner Verkehrspolitik
Als wir im Jahr 2013 die «ERO Umfahrung Olten» in Betrieb genommen haben, hätten wir uns Oltnerinnen und Oltner bereits fragen können, ob da etwas nicht stimmt mit einer Umfahrung, die mitten in Olten endet und nicht, wie es der Name vermuten lassen würde, das Städtlein Olten umfährt und entlastet. Haben wir aber nicht.
Wir hätten uns ebenfalls wundern können, dass uns bereits damals die Verkehrsplaner prognostizierten, dass die neue Strasse zu einer Mehrbelastung auf dem Abschnitt Sälikreisel bis Postplatz führen würde. Haben wir aber nicht. Wir dachten, das komme schon irgendwie gut, denn den Verkehr ist man sich in Olten ja gewohnt.
Und wir haben den Versprechungen vertraut, als uns mit der Einführung der ERO Verkehrskontrollen in den Quartieren zugesagt wurden. Auch dort hätten wir stutzig werden können, ob dies über einen längeren Zeitraum konsequent umgesetzt wird. Am Ende dieses ERO-Schlauchs befand sich nämlich schon zu Beginn der Eröffnung der ERO die verkehrsberuhigte und mit Verbotsschildern bestückte Sälistrasse.
Und wie es sich so verhält mit Versprechen, die länger zurückliegen, sie geraten in Vergessenheit. Die Quartierkontrollen wurden zu Beginn noch mit abgestellten Polizeiautos und in Leuchtwesten publikumswirksam inszeniert und dann hörten sie irgendwann auf. Dies haben wir ebenfalls wenig kritisch hinterfragt und reagiert haben wir auch nicht.
Und so nahm der Verkehr über die Sälistrasse von Jahr zu Jahr stetig zu. Nicht etwa wegen des Bevölkerungswachstums in der Stadt Olten, nein, dieses ist sehr moderat verlaufen. In Tat und Wahrheit war es nämlich den Autofahrern zusehends egal, ob da ein Zubringerdienst-Verbotsschild an der Einfahrt zur Sälistrasse steht. «Kontrolliert ja eh niemand» war die Devise und jene, welche die Schilder missachteten, wurden mit einer illegalen und schnellen Durchfahrt durch Olten belohnt. Und wie das mit dem Belohnungssystem im Gehirn so funktioniert, will man immer mehr davon, wenn es einmal geklappt hat und es keine Konsequenzen hat. Vom westlich gelegenen Säli bis zum östlich gelegenen Wilerfeld fuhren überall Autos, die von Anfang an nicht dort hätten fahren dürfen.
Gestern sagte mir ein Anwohner beim Schwatz im Quartier: «Weisst du, ich wohne jetzt seit 16 Jahren hier im Quartier, ich fahre viel Auto, aber in all dieser Zeit wurde ich noch nie kontrolliert.» Ich entgegnete, dass ich zu Beginn der ERO, also vor 8 Jahren, schon die Polizei hätte Zufahrtskontrollen machen sehen. Dafür strafte er mich dann mit einem müden Lächeln ab.
Es war dann irgendwann 2019 oder 2020, so genau weiss ich es wegen Corona nicht mehr, als Anwohnerinnen und Anwohner in der vom Verkehr besonders betroffenen Maienstrasse und Reiserstrasse Unterschriften für ein Tempo-20-Regime im Quartier sammelten. Deren Strassen liegen nämlich als erste Abbiegemöglichkeiten an eben dieser Sälistrasse. Durch die Begrenzung auf 20 km/h wären wenigstens die Quartieranwohner gleichberechtigt mit den durchfahrenden Autos auf demselben Strassenraum unterwegs gewesen.
Und es war kurz darauf, als eine von der Schweizer Volkspartei SVP eingereichte Motion dasselbe forderte, nämlich endlich für eine Lösung der gleich darunter liegenden und beim Durchfahrtsverkehr sehr beliebten Reiserstrasse zu sorgen. Das Parlament stimmte zu, dass der Stadtrat dieses Problem endlich angehen müsse und für Lösungen zu sorgen habe.
Der Stadtrat machte dann das, was er immer tut. Er beauftragte ein externes Planungsbüro. Varianten wurden in der Stadtverwaltung diskutiert, verworfen und am Schluss hatte man eine Lösung definiert. Und wenn wir ehrlich sind, wir hätten auch dieses Mal wissen müssen, dass es wohl irgendwo klemmen muss. Denn das Grundproblem der fehlenden ERO-Umfahrung von Olten bis Dulliken würde man wohl kaum mit einer kleinen Massnahme im Quartier lösen können. Ein Verkehrsplaner im Kleinen kann unmöglich die Probleme lösen, die andere Verkehrsplaner im Grossen mit der verkappten Umfahrung Olten, die gar keine ist, entsprechend angerichtet haben.
Aber zu diesem Zeitpunkt war der Frust in der Quartierbevölkerung schon gross. Man wusste, dass die ERO die Stadt Olten nicht umfährt, man wusste, dass der Postplatz ein Engpass ist, man wusste, dass die Baustelle beim Ländiweg noch mehr Druck auf den Durchgangsverkehr verursacht, und hätte das Parlament zu diesem Zeitpunkt die beiden Vorstösse der Verkehrsberuhigung komplett zurückgewiesen, wie dies ein anderer SVP-Politiker forderte, dann hätte man sich so verhalten, als würde man sich ins eigene Knie schiessen oder ganz einfach den Kopf in den Sand stecken. Sprich, das Parlament unterstützte den Stadtrat, nach Jahren der eigenen Untätigkeit nun doch etwas zu unternehmen. Skurriler wurde das Ganze dann noch, als ein SP-Gemeinderatskandidat öffentlich im Internet Unterschriften zu sammeln begann, gegen eben diesen Entscheid des Parlaments und seiner eigenen Partei, welche den Stadtrat darin unterstütze, endlich wieder das Heft in die Hand zu nehmen.
Und so wurden die durch ein beauftragtes Planungsbüro definierten Ideen, nämlich eine «harte Quartiersperre» im Säliquartier, in die Tat umgesetzt. Dem Stadtrat blieb ehrlicherweise auch nichts anderes übrig, denn er stand nach Jahren des passiven Zusehens auch mit dem Rücken zur Wand. Man liess über Jahre hinweg die Zügel schleifen. Die Stadtverwaltung fand immer neue Begründungen, weshalb es schwierig sei zu kontrollieren und warum man dieses Problem nicht einfach lösen könne. Sprich, die Situation verschlechterte sich seit 2013 zusehends und jeder, der mit offenen Augen durchs Säliquartier lief, wusste ganz genau, dass diese Flut an Autos nicht alleine den Anwohnerinnen und Anwohner zuzuschreiben ist, obwohl auch dies immer wieder behauptet wurde.
Hätte der Stadtrat schon damals, also 2013 steuernd eingegriffen und wäre die Situation konsequent überwacht worden, hätte man mit einem harten Bussensystem das Problem im Säliquartier wohl im Griff behalten können. Im Wissen darum, dass das eigentliche Problem, die fehlende Erweiterung der ERO ab Sälikreisel durch einen Tunnel bis Dulliken, erst die nachhaltige und langfristige Lösung darstellen würde.
All jene, die jetzt die Barrieren und Quartiersperren im Säliquartier als Schildbürgerstreich bezeichnen, müssen sich eben auch ein Stück weit selber an der Nase nehmen, denn der Verkehr auf der Sälistrasse ist jetzt, seit der Umsetzung der Quartiersperre eingebrochen.
Ein klares Indiz, dass eben diese harte Quartiersperre genau das tut, was sie muss, nämlich den auswärtigen und illegalen Quartierverkehr von der Durchfahrt abzuhalten. Dieses Ziel ist mit dem Pilotversuch erreicht. Eine Lösung des eigentlichen Verkehrsproblems, welches sich auf andere Achsen verlagert hat, ist damit aber nicht gefunden.
Wenn wir unser Verkehrsproblem wirklich angehen wollen, müssen wir uns nicht an diesen Barrieren aufhalten, sondern endlich gemeinsam das Verkehrsproblem gesamtheitlich anpacken und parteiübergreifend nach Lösungen suchen. Dazu braucht es aber einen Dialog mit der Bevölkerung.
Eventuell resultiert daraus die Wiederaufnahme der Verkehrsplanung für ein Tunnelprojekt von Olten bis Dulliken. Wäre dies der Fall, hätten die Barrieren und Verkehrssperren im Säliquartier auch ihr Gutes gehabt. Es liegt an uns allen, ob wir das Oltner Verkehrsproblem nun endlich gemeinsam angehen wollen. Für eine nachhaltige Lösung braucht es vermutlich etwas mehr als eine Barriere oder einen Block Beton.
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Guten Tag Herr Ginsing
Sie haben sich Zeit genommen einen Artikel zu schreiben, der die ganze Misere in einen grösseren Kontext setzt. Dafür ein Dankeschön meinerseits. Noch dankbarerer wäre ich gewesen, hätte Sie sich auch die Zeit genommen, mich nach meinen Beweggründen zu fragen, wenn Sie schon mein Verhalten als skurril bezeichnen. Wäre fair gewesen. Aber was soll’s, immerhin haben Sie ja die Kommentarspalte in ihrem Blog.
Zunächst zum vermeintlich skurrilen wieso ein SP-Gemeinderatskandidat gegen die eigene Partei stellt: ich anerkenne das Problem des auswärtigen Verkehrs und die Forderung der Anwohner der betroffenen Strassen etwas zu tun ist legitim und richtig. Eine Lösung jedoch ist gut oder schlecht, das hat mit der politischen Ausrichtung zunächst mal nichts zu tun. Ausserdem steht die SP für Partizipation und schlicht diese fordere ich in dieser Sache eine, wenn dann am Ende Barrieren stehen, dann ist das für mich absolut in Ordnung. Zusätzlich kommt, dass bei der SP – und das ist gut so – mehrere Prägungen gibt: da ist die in Olten eher tonangebende ökologische bildungsbürgerliche Mittelschicht mal auf der einen Seite, aber ich verstehe mich eher als Vertreter von Arbeitern*, Migranten/Secondos sowie der unteren Mittelschicht. Da unterscheiden sich die Bedürfnisse und Ansichten halt auch mal. Die Genossen* im Parlament sind halt nicht primär die, die am Morgen mit einem Auto zur Arbeit pendeln und jetzt Umweg und Zeitverlust haben – und nein es sind nicht ein paar Minuten, wenn es plötzlich über den Postplatz in den Stau geht jeweils am Morgen und am Abend. Dazu kommt: unter den 29 Beschwerdeführern* sind einige aus der SP dabei und die ca. die Hälfte Linkswähler. Bezeichnend ist ausserdem, wenn selbst der Velofahrer und Linksalternative SR-Kandidat über das Vorgehen den Kopf schüttelt.
Nun Sie schreiben „All jenen, die jetzt die Barrieren und Quartiersperren im Säliquartier als Schildbürgerstreich bezeichnen, müssen sich eben auch ein Stück weit selber an der Nase nehmen, denn der Verkehr auf der Sälistrasse ist jetzt, seit der Umsetzung der Quartiersperre eingebrochen.“ – Im Ernst jetzt? Was hätte denn auch sonst passieren sollen, wenn man ein Quartier verbarrikadiert? Das ist genauso sicher, wie die Empörung jener über deren Köpfe eine einschneidende Massnahme getroffen wurde.
Wissen Sie was mir skurril erscheint? Wenn die Initianten* selber eine weichere Massnahme fordern (20er-Zonen) aber der Stadtrat dann zum Holzhammer greift, sie weiter verschärft, um eine möglichst einfache Lösung zu haben. Dieses Vorgehen wird dann verteidigt, weil zumindest einige nicht nur das Ziel haben a) den auswärtigen Verkehr in den Griff zu kriegen, sondern b) wie Herr Wettstein, gleich dabei auch noch den Verkehr innerhalb des Quartiers zu unterbinden. Über das a) herrscht ein Konsens, den auch ich unterstütze. Über b) sicher nicht und darüber muss zuerst geredet werden. Will das Quartier dies? Wenn ja, her damit! Aber eben nicht ohne vorherige Diskussion.
Noch skurriler erscheint es mir ein Problem mal über ein Jahrzehnt zu ignorieren und ständig Ausflüchte zu suchen, wieso nichts machbar sein soll, um dann zum erwähnten Holzhammer zu greifen. Von null auf hundert. Da gäbe es viel dazwischen: wie die 20er Zone zum Beispiel, andere Ideen wurden auch genannt was zuerst ausprobiert werden sollte. Ich finde der SR sollte sich gar nicht erst an eine solche Unsitte gewöhnen und die Verwaltung darf ruhig mal so kreativ in Sachen Problemlösung werden, wie darin Gründe zu suchen, wieso etwas nicht geht. Wir bezahlen diese Leute ja mit unseren Steuern dafür. Wer ein solches Verhalten nun zulässt, nur weil ihm/ihr die Lösung gerade in den Kram passt, fördert ein solches Verhalten auch in Zukunft. So nebenbei: ich wurde in 19 Jahren nicht einmal kontrolliert. Das geht duzenden anderen auch so mit denen ich wegen der Sammelbeschwerde geredet hatte.
Zuletzt: Wer von einer Massnahme betroffen ist, sollte mindestens mitreden und im besten Fall mitentscheiden können. In diesem Fall gibt es solche, die mehr von der Problematik betroffen sind (die Anwohner* der erwähnten Strassen) und solche die es weniger sind (der Rest des Quartiers), dafür umso mehr von der Lösung dieses Problems. Genauso wenig wie es sein kann, dass nun die die Anwohner“ auf Kosten vom Rest des Quartiers ihre Lösung kriegen, kann es dafür sein, dass die Mehrheit die legitimen Bedürfnisse der betroffenen Minderheit einfach ignoriert. Darum ein Kompromiss muss her, der alle legitimen Interessen möglichst aller Quartierbewohner berücksichtigt. Diese hässlichen Barrieren sind es jedoch nicht. Die dürfen höchsten die letzte Möglichkeit sein, wenn alles andere ausprobiert wurde.
Sofern rigorose und über Jahre immer wieder konsequent durchgeführte Kontrollen mit Bussen nicht wirtschaftlich sinnvoll durchgeführt werden können, sind die Barrieren die einzige Lösung, um den Schleichverkehr zu unterbinden. Im Endstadium natürlich eher so etwas wie versenkbare Poller. Ich sehe, dass für einige Anwohner eine Durchquerung des Quartiers von Interesse sein kann. Ein paar Umwege sind aber wohl vertretbar. In vielen Städten gibt es dermassen viele Einbahnstrassen, dass die Durchfahrt einem “Leiterlispiel” nahe kommt. Für die besonders Betroffenen wäre vielleicht folgende Lösung denkbar: für 200.- Jahresgebühr erhält man eine persönliche und nicht übertragbare Fernbedienung, mit der man sich den Weg freischalten kann. Evtl. liesse es sich technisch auch mit der Anwohnerparkkarte lösen. Vielleicht gibt es anderswo solche Beispiele? Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Problem nur in Olten bestehen soll. Aber natürlich ist die Weltanschauung “Freie Fahrt für freie Bürger” tatsächlich im Umfeld der SP als skurril zu betrachten 😉
Sie suggerieren ich hätte die die Position „freie Fahrt für freie Bürger“ obwohl ich meinem Beitrag
a) das Problem anerkenne
b) schreibe, dass etwas getan werden muss
c) Barrieren als Ultima Ratio ins Spiel bringe.
Wie sie auf diese Schlussfolgerung kommen ist mir ein Rätsel.
Die Lösung mit den Pollern inkl. Fernbedienung wurde in ähnlicher Form bereits bereits in der Petition (nebst anderen) bereits genannt und könnte von mir aus gleich morgen so umgesetzt werden statt 50‘000 CHF für Barrieren auszugeben um zu sehen ob diese machen, was Barrieren halt so machen.
Eben: wegen Punkt c)
Aber ich wollte nur den Punkt aus dem Leserbrief in den Kontext stellen. Ist nicht meine Meinung und darum suggeriere ich auch nichts. Das ist ein Missverständnis. Dass eine Barriere (sofern intakt) keinen Verkehr durchlässt, ist klar. Die Frage, welche im Moment geklärt wird, wo fliesst der Verkehr dann durch und welche Strassen werden möglicherweise zusätzlich belastet. Sicher ist ein verstärktes Verkehrsaufkommen um den Vögelipark mit Spielplätzen und vielen abgelenkten Kindern nicht erwünscht. Das könnte dafür sprechen, die Barriere zu verschieben oder zumindest eine Einbahn einzuführen. Pöller verschiebt man ja nicht mehr. Darum ist der Weg das Optimum mit den Barrieren zu suchen vermutlich schon richtig.
Der kapitale Fehler der Quartierverkehrsplanung der rechten Stadtseite ist der, dass ein viel zu grosses Gebiet verkehrstechnisch zu einer Einheit zusammengefasst wurde, welches für den MIV durchlässig ist. Der Perimeter mit Fahrverbot ausgenommen Zubringer umfasst das gesamte Gebiet zwischen den beiden Hauptverkehrsachsen Aarauerstrasse und Aarburgerstrasse und somit vier Quartiere: Bifang, Fustlig, Wilerfeld und Teile des Hardfeld (ein Säliquartier gibt es in Olten übrigens gar nicht) und verbindet somit die beiden Hauptverkehrsachsen via Quartierstrassennetz miteinander. Wer von der einen auf die andere Achse gelangen will, der macht das darum „mit Vorteil“ via Quartierstrassen, weil dieser Weg im Gegensatz zu der Kantonsstrasse kürzer und frei von Ampeln und Stau ist. Daraus folgt: solange man dieses Gebiet nicht in zwei für den MIV undurchlässige Teile unterteilt, wird es keine nachhaltige Lösung für eine echte Entlastung der Quartierstrassen geben.
Mit Polizeikontrollen oder Videosystemen ist das Problem nicht zu lösen. Das betreffende Gebiet ist dazu schlicht zu gross und mit insgesamt 25 Zu- und Wegfahrmöglichkeiten ist ein Videoüberwachungssystem unrealistisch. Bei der Menge an Verkehr, welcher durch das Quartier fliesst (schon nur an der Kreuzung Reiserstrasse / Sälistrasse waren es gemäss städtischer Verkehrszählung von 2015 rund 5000 Fahrzeugbewegungen / Werktag), kann man davon ausgehen, dass täglich mehrere Tausend illegale Fahrten durch das gesamte, mit Fahrverbot belegte Gebiet stattfinden.
Der von Christian Ginsig zitierte Anwohner behauptet, er wäre in 16 Jahren noch nie von der Polizei kontrolliert worden. Vielleicht ist das so. Wahrscheinlicher ist, dass er einfach nicht gemerkt hat, dass er kontrolliert wurde. Ich habe bei der KaPo nachgefragt: Die KaPo macht regelmässig Nachfahrkontrollen mit zivilen Fahrzeugen. Angehalten wird nur, wer das Fahrverbot mutmasslich missachtet. Wer als Quartierbewohner ins Quartier fährt, merkt gar nicht, dass er kontrolliert wurde. Konkret hat die KaPo 2020 insgesamt 53 solche Nachfahrkontrollen durchgeführt (also wöchentlich). Eine Kontrolle heisst, dass während ca. einer Stunde rund 20 Fahrzeuge kontrolliert werden können. Hinzu kommt noch eine gewisse Anzahl zusätzliche Kontrollen, welche etwas anders ablaufen. Kostenpunkt nur der Nachfahrkontrollen für 2020: 11‘000 CHF. Effekt bei 20 kontrollierten Fahrzeugen pro Woche und schätzungsweise mehreren Tausend illegalen Durchfahrten pro Tag: äusserst gering. Früher hat die Polizei gross angelegte Kontrollen gemacht. Kostenpunkt einer einzigen solchen Kontrolle: 11‘000 CHF! Nun kann man sich in etwa vorstellen, wie hoch die Kosten für Polizeikontrollen wären, wenn man den gleichen Effekt erzielen möchte, wie das die zwei Barrieren und die paar Betonklötze jetzt schon tun. Die Kosten gingen in die Hundertausende pro Jahr, mindestens. Ganz abgesehen davon würde sich wohl mancher Einbrecher oder Trottermatte-Ballermann über die Oltner Schildbürger freuen, die ihre Polizeikräfte lieber als Barrieren- und Betonklotzersatz auf die Strasse stellen, als Verbrecher jagen zu lassen…
Ziemlich enttäuscht bin ich vom Fazit der Analyse von Christan Ginsig, nämlich mal wieder mit der ganz grossen Kelle anzurichten und Dutzende von Millionen von Steuergeldern in die nächste Tunnelröhre zu buttern, die dann auch wieder nur zu einer Verlagerung und einer Zunahme des Verkehrs führt. Man könnte meinen, man hätte aus den 330 in der ERO verlochten Millionen etwas gelernt. Anstatt über neue Multimillionenlöcher in Hügeln und Gemeindekassen nachzudenken, sollten wir uns besser überlegen, wie wir unsere Mobilität mit weniger Autoverkehr organisieren. Der vom Parlament angenommene und für „behördenverbindlich“ erklärte Mobilitätsplan lässt grüssen. Einen Vorteil bei dessen Umsetzung hätten wir schon: es gibt in der Schweiz keine andere Stadt, welche dazu die besseren Voraussetzungen hat als Olten.
Danke für die zusätzlichen Infos. Die Schlussfolgerung, dass ein Tunnel nun nicht gerade die sinnvollste Lösung ist, teile ich. Die Mobilität braucht Beschränkungen und keine teuren Ausbauten. Allerdings ist die Teilung des Gebietes eben grad nicht erwünscht bei den autofahrenden Anwohnern. Sonst wäre die Verkehrsscheide natürlich die billigste Lösung. Mit der aktuellen Lösung versucht man einen Zwischenweg. Vielleicht sollte man tatsächlich radikaler sein. Damit der Verkehr zwischen den Quartieren noch möglich ist und der Unmut nicht zu gross wird, müssten dann aber wohl zusätzliche Berechtigungen nicht nur für den Bus sondern für Anwohner technisch ermöglicht werden.
Auch die Geschichte mit den Fernbedienungen für Anwohner ist nicht wirklich durchführbar. Wie schon gesagt ist der Perimeter mit Fahrverbot ausgenommen Zubringer viel zu gross. In dem Gebiet zwischen Aarauer- und Aarburgerstrasse wohnen ca. 8‘000 Personen und ergo sind dort halt auch 3‘500 MFZ registriert (nicht etwa weil das Gebiet einen höheren Motorisierungsgrad aufweist, als andere Quartiere in Olten, sondern schlicht und ergreifend, weil es gleich vier Quartiere umfasst).
Möchte man also eine Lösung mit Pollern und Fernbedienungen für Anwohnerinnen, so müssten 3‘500 Fernbedienungen ausgegeben und auch verwaltet werden (Zuzüge, Wegzüge, Kontrolle von Missbrauch, Verluste, etc.). Mal abgesehen vom bürokratischen Aufwand und der Frage, ob es gut kommt, wenn 3‘500 mehr oder weniger versierte Autofahrer die Polleranlagen bedienen, bleibt immer noch die Frage, was mit jenen passiert, die zwar nicht im Gebiet wohnen, aber dennoch Zubringer sind (Taxis, Handwerker, Lieferantinnen, Geschätskunden, Besucherinnen, Erholungssuchende, Gäste des Sälischlössli, etc.). Diesen kann man ja keine Fernbedienungen abgeben, weil grundsätzlich jeder die Quartierstrassen befahren darf, wenn er dort etwas zu erledigen hat. Diese Zubringer müssten dann den Umweg fahren und hätten daran genauso wenig Freude. Ob die so geschaffene Zweiklassengesellschaft der Zubringer auf grössere Akzeptanz stossen würde, wage ich zu bezweifeln.
Klar, wir können jetzt noch weitere 10 Jahre lang die mehr oder weniger ausgegorenen Vorschläge, die man überall lesen kann, durchexerzieren. Aber ich bin überzeugt, am Ende werden wir feststellen, dass kein Weg an baulichen Massnahmen vorbeiführt, wenn wir die Quartiere der rechten Stadtseite nachhaltig vom Durchgangsverkehr entlasten wollen. Letztendlich ist das Ganze eine Gewöhnungssache. Würde man die Quartiere der rechten Stadtseite heute bauen, so wäre die Verkehrsscheide gleich mit dabei. Vor ca. einem Jahr wurde für den Bus eine Strassenverbindung zwischen der Höhenstrasse West und der Höhenstrasse Ost hergestellt und sogleich mit einer Polleranlage für den MIV geschlossen. Der Entrüstungssturm über den Umweg, den man von der Höhenstrasse West zur Höhenstrasse Ost fahren muss, blieb aus. Warum? Weil diese Verkehrsscheide schon immer da war.