Kammerchor Buchsgau mit „Noël varié“: Hut ab vor solchen Leistungen!
Dieser Ansicht war offensichtlich auch das Publikum, das sich trotz widerlichster Begleitumstände (Covid-Situation und Hudelwetter) „maskiert und zertifiziert“ in ansprechender Zahl zu den beiden Konzerten in der Pfarrkirche in Neuendorf eingefunden hat. Mit langanhaltendem Applaus und mit einer standing ovation verdankte es die hervorragenden Darbietungen, die von Solisten, Chor und Orchester auf absolut überzeugende Art und Weise erbracht worden sind. Beglückend war es auch, nach erfolgter erster Aufführung im Gespräch mit einer kulturbeflissenen, französischsprachig aufgewachsenen Konzertbesucherin erfahren zu dürfen, diese Musik habe sie mehrfach zu Tränen gerührt.

Zu einem solchen Erfolg braucht es, weil, wie die Redewendung sagt, „guter Dinge drei sind“, drei Bausteine: In diesem Fall das Programm, das die bedeutendsten Werke des überragenden Dreigestirns der französischen Barockmusik vereinte: Marc-Antoine Charpentiers „Messe de Minuit pour Noël“, Jean-Philippe Rameaus Grand Motet „Quam dilecta tabernacula“ und Jean-Baptiste Lullys „Te deum“. Während sich hierzulande nur gelegentlich geübte Kirchenchöre an Charpentiers Mitternachtsmesse wagen, sind die beiden anderen Chorwerke hier praktisch unbekannt, obschon sie unbestreitbar zu den bedeutendsten Werken barocker Musik gehören. Lullys „Te deum“ war während 30 Jahren das meistaufgeführte Werk des französischen Barocks. Es erlebte laut zeitgenössischen Berichten bis zu 300 Aufführungen anlässlich pompöser Feierlichkeiten unter dem „Sonnenkönig“ Louis XIV, bevor es völlig in Vergessenheit geriet. Und Rameaus Grand Motet „Quam dilecta tabernacula“ erlitt im Konkurrenzkampf mit Michel-Richard De Lalandes und Henry Madins Motetten wohl nur deshalb Schiffbruch, weil es Solisten, Chor und Musiker in seiner höchst komplizierten Anlage und seinen musikalischen Ansprüchen damals noch schlicht überforderte.
Von Überforderung allerdings war in den heutigen beiden Konzerten nichts zu verspüren: Das durch Konzertmeister Christoph Rudolf zusammengestellte Instrumentalensemble „L`Académie royale de musique“ entledigte sich, wie es schien, seiner äusserst anspruchsvollen Aufgabe bravourös mit bewundernswert spielerischer Leichtigkeit. Das sechsköpfige Solistenensemble – es wäre unfair, hier ein einziges Mitglied namentlich hervorzuheben – meisterte die Aufgabe bewundernswert untadelig, die lateinischen Texte der damaligen Aufführungspraxis entsprechend in französischer Aussprache mit den ebenfalls der historischen Praxis entsprechenden zahlreichen Verzierungen darzubieten. Und der Chor, der über die Lockdown-Zeit von seinem Dirigenten auf elektronischem Weg mit wöchentlichen Probeneinheiten via „Homeschooling“ auf Kurs gehalten worden ist, stand das anspruchsvolle Programm mit den unzähligen, zum Teil überraschenden Tempowechseln in bewundernswerter Gelassenheit meisterlich durch und liess sich in seiner musikantischen Fabulier- und Schnabulierlust nichts von der Anspannung anmerken, die erst mit dem Schlussakkord in eine „erlöste“, glückliche Entspanntheit wechselte.
Tobias von Arb, der sich in seinen neun bisherigen Buchsgauer Grosskonzerten als äusserst begabter Kenner der Musikgeschichte erwiesen und sich auch als ebenso hervorragender Chorleiter bereits schweizweit als versierter Gestalter von Programmen einen Namen gemacht hat, die abseits des klassischen Musikbetriebs liegen, dürfte mit dem nächsten Konzert mit Joseph Haydns „Missa in Angustiis“ (Nelson-Messe) und Paul Hindemiths nur sehr selten aufgeführten Requiem „For those we love“ seiner bisherigen Arbeit ein neues Glanzlicht aufsetzen. Denn das Konzert wird in Zürich und Basel und am 29. Oktober 2022 in der Oltner Friedenskirche mit dem Kammerchor Buchsgau, dem Singkreis Zürich und dem Cantate-Konzertchor, Basel, die drei grossen unter seiner Leitung stehenden Chöre zusammenführen!
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