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Barbetrieb und Anwohner: Ein giftiger Cocktail

Nach zwei Jahren schon wieder Geschichte: Janick Rohners Stadtmix Bar schliesst per Ende Jahr. Wir haben uns mit dem Inhaber über die Gründe für das Aus unterhalten und wollten von ihm wissen, was er für die Zukunft plant.
25. Dezember 2020
Text: Adrian Portmann, Fotografie: Timo Orubolo

Die Barhocker sind hochgestellt, der Plattenboden unter den Füssen ist von der finalen Party noch klebrig wie Sirup, hinter der Bar liegt ein prall gefüllter Ordner, auf dem sich weiteres Papier stapelt. «Die Daten fürs Contact-Tracing», erklärt Stadtmix-Inhaber Janick Rohner, während er die Unterlagen wegräumt und die Zutaten für einen Cocktail zusammensucht. Geübt vermischen sich Gin, Amaretto und Lime Juice an diesem Abend mitten unter der Woche zu einem «Sunday Morning». Nach einem vorsichtigen Schluck verzieht Rohner seine Mundwinkel und meint trocken: «Hoppla, ganz schön bitter geworden.» Einen bitteren Nachgeschmack haben auch die Umstände, weshalb der 23-Jährige seine Bar Ende Jahr schliessen wird.

Doch beginnen wir von vorn: Es war im Oktober 2018, als Rohner und sein damaliger Geschäftspartner Dilan von Däniken der zwischenzeitlich etwas angegrauten Bar in der Rötzmatt neues Leben einhauchten. Als magisch, romantisch und deliziös kündigten die jungen Barbetreiber damals ihr neues Konzept an. Mit Stand-up-Comedians, Zauber- und Kochshows, frischen Tacos und einem Thaler Blättli lösten die Unternehmer ihr Versprechen ein und setzten im Oltner Nachtleben frische Akzente. Einzig bei der Romantik mussten Abstriche gemacht werden, weil die geplanten Speeddating-Abende erst dem Zeitmangel und dann den Pandemiemassnahmen zum Opfer gefallen waren.

Das Konzept der Bar mit regelmässigen Veranstaltungen sei vom Feierpublikum gut angenommen worden, sagt Rohner. Vielleicht einen Ticken zu gut, zumindest was den Geschmack der Anwohnerinnen angeht. Das Stadtmix-Team konnte sich in kurzer Zeit einen Namen machen mit seinen Cocktails und Events und freute sich über eine treue Gästeschaft. Damit ist nun Schluss. Wie Rohner Mitte Dezember auf Instagram bekannt gab, wird die Bar Ende Jahr ihre Türen für immer schliessen. «In den nächsten Tagen beginnen wir damit, die Möbel einzuschweissen und für den Abtransport bereit zu machen», sagt Rohner, der als gelernter Spengler derzeit wieder auf dem Bau arbeitet. Das eine oder andere Möbelstück will er in seine Wohnung stellen. Das restliche Mobiliar soll eingelagert und teilweise verkauft werden.

Janick, die allerletzte Party ist wegen Corona im ganz kleinen Rahmen ausgefallen. Wie war die Stimmung?

An zwei Abenden haben wir mit einigen Stammgästen, die im Laufe der Zeit zu guten Kolleginnen wurden, und Freunden gefeiert. Für die Gäste ist die Info über das Ende abrupt gekommen. Bis zum Moment, in dem mir die Leute auf die Schulter klopften, sich bei mir bedankten und mir alles Gute für die Zukunft wünschten, hatte ich gar nicht richtig realisiert, dass es mit dem Stadtmix fertig ist. In den letzten Wochen fehlte die Zeit, mich darauf vorzubereiten. Als dann am letzten Abend um elf die Leute nach Hause gingen und ich alleine in der Bar stand, hat sich das ziemlich surreal angefühlt.

Wenn du zwei Jahre zurückblickst: Wie seid ihr 2018 gestartet?

Ich fand es super, wie die Jungen uns unterstützten, als sie sahen, dass jemand in ihrem Alter eine Bar eröffnet. Wir hatten von Tag eins an volles Haus. Zu Beginn waren wir ein zusammengewürfeltes Team. Dilan und mir fehlte die Erfahrung, aber es funktionierte alles und die Leute schätzten uns. Anfangs hatten wir Studenten hinter der Bar, später haben wir nur noch mit ausgebildeten Leuten gearbeitet. Auch mit den Gastrobetreiberinnen in der Nachbarschaft haben wir uns von Beginn weg gut verstanden. Ist uns mal etwas ausgegangen, konnten wir sicher sein, dass man uns im Vario, Magazin oder Gryffe aushelfen würde. Das Umfeld hatte Freude daran, dass hier ein paar Junge etwas Neues auf die Beine stellen. Ein tolles Gefühl, wenn du spürst, dass die Leute aus der Szene dich unterstützen.

Wann begann es, schwierig zu werden?

Ich denke, die Kommunikation zwischen Wohneigentümern, unserem Vermieter und uns war das grundlegende Problem. Als wir das Stadtmix mit einem Fünfjahresvertrag übernommen haben, legten wir ein Konzept vor, das festhielt, dass wir auf Livemusik setzen und verschiedene Anlässe veranstalten wollen. Auch haben wir gesagt, dass wir das Lokal nur dann mieten werden, wenn ein Umbau stattfindet. Der Plan war es, die Schaufensterfront rauszureissen und eine komplett verglaste Front mit Schiebetürensystem zu installieren. Dies, um Gäste auch im Sommer empfangen zu können, denn wir haben keine Terrasse, auf die man rausstuhlen dürfte. Mit dem Vermieter war geplant, dass der Umbau nach einem halben Jahr nach Vertragsunterzeichnung abgeschlossen ist. Also haben wir zum Start Vollgas gegeben, wir haben viel Werbung gemacht und zahlreiche Veranstaltungen organisiert. Das rief die Anwohner auf den Plan.

Die Bar existierte bereits lange vor eurer Übernahme. War es nicht üblich, dass im Haus Betrieb herrscht?

Zum Zeitpunkt, als wir die Lokalität übernommen haben, war das Geschäft seit längerem am Boden. Es lief nicht mehr viel und es gab dementsprechend wenig Lärmemissionen, über die sich jemanden hätte aufregen können. Dann kamen wir und brachten mit einem Schlag das Vierfache an Publikum und das jedes Wochenende. So begannen die Probleme. Wir wurden zuerst darauf hingewiesen, dass wir kein Club seien. Wir aber hatten unser Vorhaben dem Vermieter vorgelegt. Er war informiert, dass wir Events veranstalten wollten. So ging es eine Zeit lang hin und her, bis uns die erste Anzeige wegen Lärmbelästigung ins Haus flatterte. Es folgten Treffen mit dem Vermieter und den Eigentümerinnen der Wohnungen im selben Haus, bei denen wir unseren Standpunkt klar machten und auf den Mietvertrag verwiesen. Es gab zahlreiche Sitzungen. Manchmal sassen ich und mein Kollege vor zehn aufgebrachten Leuten, die auf uns einredeten und wir dachten nur noch «wow!».

Trotz eures Vertrages haben eure Widerstreiter nicht lockergelassen. Wie ging es weiter?

Nachdem klar war, dass wir mit dem Vertrag auf der sicheren Seite standen, haben die Anwohner ein anderes Mittel gewählt. Sie legten Einsprache gegen das Baugesuch ein. Als Wohneigentümer haben sie ein Mitspracherecht, was die optische Veränderung des Gebäudes betrifft. Zwar war uns vom Vermieter der Umbau vertraglich zugesichert worden, die Eigentümerinnen im Haus wussten jedoch nichts davon. Vor Gericht hat sich gezeigt, dass wir in einen Teufelskreis geraten waren. Irgendwann hatte der Vermieter die Nase voll und stellte uns in Aussicht, dass er unseren Mietvertrag nach Auslauf 2022 nicht mehr verlängern würde. Damit wurde uns klar, dass das Schicksal der Stadtmix Bar besiegelt war. Alles Geld, das ich jetzt in die Hände nehmen und in die Bar stecken würde, wäre verlorenes Geld. Weil ich damit rechnen muss, dass wegen Corona im nächsten Jahr mit der Bar nichts zu verdienen ist, habe ich mich zu einer möglichst schnellen Schliessung durchgerungen.

Wie haben sich die Streitigkeiten auf das laufende Geschäft ausgewirkt?

Im ersten Sommer haben wir viel Geld verloren. Glücklicherweise durften wir einen Monat lang beim Street Food Cinema mitwirken. Das hat uns sehr geholfen. Im zweiten Sommer hatten wir uns bereits einen Namen gemacht und waren gut besucht. Das war jedoch verbunden mit extrem vielen Lärmklagen. Die Bewohnerinnen forderten, dass ab 22 Uhr niemand mehr vor dem Haus redet, trinkt oder raucht. So hatten wir so gut wie jedes Wochenende die Polizei im Haus. Die Lage spitzte sich weiter zu. Die Anwohner grüssten uns nicht mehr und liessen nichts aus, um uns das Leben schwer zu machen. Das einzig Gute: Es kam nie zu Sachbeschädigungen oder Drohung, wie es die Betreiber des Hammer Pubs aktuell erleben. Der Kampf gegen uns war rechtlich gesehen in Ordnung, wenn auch nicht wirklich fair, wie ich finde.

Könntest du die Zeit zurückdrehen, was würdest du heute anders machen?

Hätte nach unserem Einzug der Umbau stattgefunden und wären unsere Absichten zu Beginn klar kommuniziert und von den Wohnungseigentümern mitgetragen worden, dann wären wir die nächsten zehn Jahre sehr gern hiergeblieben. Das ganze Line-up für das nächste Jahr wäre bereits vorbereitet, weitere kleinere Umbauarbeiten in der Lokalität waren schon angedacht. Im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer. Klar würde ich nach allem Erlebten einen anderen Standort für das Stadtmix wählen.

Ein Umzug stand nie zur Debatte?

Wir haben uns mehrfach umgeschaut, um eine neue Lokalität zu finden. Unser Vermieter hätte uns bei einem Umzug sogar unterstützt. Nur ist es sehr schwierig, etwas Passendes in Olten zu bekommen. Aus der Stadt raus zu ziehen war nie eine Option, weil wir alle der Ansicht waren, dass es der Oltner Gastroszene guttut, wenn jemand frischen Wind reinbringt. Ich bin in der Stadt aufgewachsen, kenne hier jede Ecke und weiss, welche Locations du als Barbetreiber lieber meidest, weil ihnen ein gewisser Ruf aus vergangenen Tagen anhaftet. Es gibt zwei, drei Orte, die ich mir vorstellen könnte, doch diese werden wohl nicht so schnell frei werden.

Es ist anzunehmen, dass dir der Appetit auf weitere Gastroexperimente gründlich vergangen ist. Wie geht es weiter?

Im kommenden Jahr will ich mir die Zeit nehmen, um etwas Neues für Olten zu planen. Dank des Erfolgs, den wir mit der Stadtmix Bar hatten, sind verschiedene Leute auf mich zugekommen, die sich vorstellen können, in mein nächstes Projekt zu investieren. Wichtig ist, dass es auf lange Sicht funktioniert. So etwas wie hier möchte ich nicht noch einmal erleben. Feststeht: Vor der Eröffnung meines nächsten Lokals werde ich alle Nachbarn im Umkreis von zehn Kilometern informieren (lacht). Sicherlich wird es wieder etwas im Gastrobereich sein. Das ist genau mein Ding, auch wenn der Arbeitstag mal sechzehn Stunden dauert. Gastro ist das, wofür mein Herz schlägt.


Wo wirst du deinen Cocktail trinken, wenn Bars wieder offen haben?

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