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«Patent Ochsner liebe ich über alles»

Im Oltner Kulturzentrum Schützi kehrt nach den Pandemiejahren wieder Leben ein. Nina Knapp will den Schwung aus dem Frühling mitnehmen. Die neue Geschäftsführerin denkt auch ans Nachtleben für Jugendliche. Das hat in Olten derzeit einen schweren Stand.
19. Mai 2022
Text: Yann Schlegel, Fotografie: Timo Orubolo

Olten, was macht das Nachtleben?

Zu dieser Frage diskutierten wir am letzten Kolt-Treffen. Nina Knapp war dabei und warf die Frage auf, wo die Angebote für die Jugendlichen bleiben. Daraus entstand die Idee, die neue Geschäftsleiterin in der Schützi zu besuchen. Kolt bleibt am Thema dran.

Mitte März standen die Kinder auf dem Platz mit den mächtigen Bäumen vor dem gelben Haus. In der langen Schlange warteten freudige Gesichter. 350 Kinder und Eltern kamen, um an diesem Nachmittag die «Grüüveli Tüüfeli» zu hören. Die Band von Christian Schenker lässt die Lieder des verstorbenen Kinderliedermachers weiterleben. Die alte Turnhalle wurde für eine gute Stunde zur kindlichen Fabelwelt.

Irgendwo weit hinten weilte Nina Knapp und beobachtete die Szenerie. Knapp zwei Jahrzehnte zuvor hatte sie selbst noch vorne gestanden, inmitten der Kinderschar, und hatte in der Kinder-Disco Christian Schenker an den Lippen gehangen.

Heute war sie als Gastgeberin am Konzert dabei, als Geschäftsleiterin des Kulturzentrums Schützi.

Den Vater abgelöst

«Jeder Oltner hat eine Beziehung zu diesem Lokal», sagt Nina Knapp. Ein früher Maimorgen. Türen und Fenster sind weit aufgerissen. Die Morgenluft zieht durchs Lokal. Im Entrée leuchtet die Cornichon-Farbe der Kabaretttage. Während zwei Wochen ist der Oltner Leuchtturmanlass Hausherrin der Schützi.

Auch wenn Nina Knapp die Schlüssel für diese Zeit abgegeben hat, gibt sie gern die Gastgeberin, wenn die Menschen am Abend ins Lokal strömen. Und sobald sich auf der Bühne etwas regt und das Publikum gebannt nach vorne blickt, zieht sich die Geschäftsleiterin gerne in den Hintergrund zurück und tut, was sie mit Freude erfüllt: Sie beobachtet die unterschiedlichsten Menschen, die den Saal füllen. Mal sitzen da Banker, mal Handwerkerfirmen, mal gebildetes Kabarett-Publikum, mal tanzen Punk-Fans, und manchmal Kinder, wie eben im März, als die Grüüveli Tüüfeli kamen.

«Die Schützi kann Eleganz ausstrahlen, aber auch ein alternatives Konzertlokal für Subkulturen sein», spricht sie über ihre Faszination für den Ort, den sie seit April offiziell verwalten darf. Schon im letzten Sommer begann sie schrittweise die Chargen ihres Vaters Thomas Knapp zu übernehmen. Während rund vier Jahren führte er das Haus als Geschäftsleiter und modernisierte die Infrastruktur – kulturell wirkte die Pandemie als Bremsklotz.

Nina Knapp erhielt während diesen Monaten die Chance, sich dem Schützi-Vorstand vorzustellen. «Mir war wichtig, dass meine Jobbewerbung nicht über meinen Vater läuft. Sonst hätte ich abgesagt», sagt sie. Knapp weiss, wie schnell in der Kleinstadt der Vorwurf der Vetterliwirtschaft laut wird. Sie wollte diesen nicht an sich haften lassen.

Der Vorstand des Trägervereins der Schützi stellte Nina Knapp nach mehreren Gesprächen ein. Mit 25 Jahren ist die Oltnerin also bereits Geschäftsleiterin des – neben dem Stadttheater – grössten Kulturlokals der Stadt. Sie erfüllt die Rolle mit so viel Selbstverständnis und ohne jugendliche Nervosität, dass viele die Augen aufreissen, wenn sie ihren Jahrgang erfahren. Nina Knapp lacht. «Ja, 1996erin.»

Die kurzen Wege

Primarschule im Sälischulhaus, Bezirksstufe im Froheim, Lehre als Fachfrau Gesundheit bei der Spitex Olten. «In meinem Leben waren die Wege immer kurz», sagt Knapp. Auf ihrem angestammten Beruf arbeitete sie nie, denn eigentlich wusste sie, dass sie in die Kultur gehen wollte. Nur wie? Sie bildete sich in Kulturmanagement und Marketing weiter. Die Tür öffnete sich: Nina Knapp erhielt am Theater Orchester Biel Solothurn (TOBS) eine Stelle und leitete das Betriebsbüro des Sinfonieorchesters. Zwei Jahre, die sich für sie wie Wanderjahre anfühlten. Zurück in Olten sind ihre Wege wieder kurz.

Das Schicksal meinte es gut mit der neuen Geschäftsleiterin der Schützi. Ausgerechnet mit den Grüüveli Tüüfeli, jener Kindheitserinnerung von Nina Knapp, die sie eng mit diesem Ort verbindet, wurde das Kulturlokal im Frühjahr wieder zum Leben erweckt. Die Schützi ist für die Monate März bis Juli voll ausgelastet, wobei vor allem Firmenanlässe dominieren. Durchschnittlich fünf Anfragen bearbeitet Knapp derzeit pro Tag, wovon die Mehrzahl die Schützi als Tagungszentrum nutzen möchte. «Die Kultur ist noch nicht voll zurück», sagt Knapp.

Das möchte Knapp ändern, soweit es in ihrer Macht liegt. Die Schützi soll wieder mehr Livekultur bieten, mehr Konzerte. «Auch für Jugendliche, die in der Region etwas zu kurz kommen», sagt sie. Bisher trat die Schützi nur vereinzelt als Veranstalterin auf. In Zukunft könnte Nina Knapp sich vorstellen, auch eigene Veranstaltungen zu planen. «Vermietungen bleiben aber Priorität, wir können nicht ein zweites Kofmehl werden», sagt sie und zieht den Vergleich mit dem bekanntesten Kulturzentrum der Kantonshauptstadt Solothurn. Ihr Credo: Die Schützi soll für 16-Jährige, deren Eltern und bestenfalls auch deren Grosseltern ein Angebot bereithalten.

«McDonald’s und zurück»

Neulich war Nina Knapp an der Oltner Berufsschule eingeladen, um Einblicke in ihre Arbeit zu geben. Sie nutzte den Besuch, um bei den Jugendlichen Bedürfnisse abzuholen. Für die 25-Jährige waren die Rückmeldungen doch einigermassen verblüffend. «Die Schützi empfinden die 16- bis 20-Jährigen als Tagungszentrum.»

Auf ihre Frage, was ihr Freitagabendprogramm sei, hätten viele der Schulklasse gesagt: «McDonald’s und zurück.» Wer dürfe und es sich leisten könne, gehe hin und wieder ins Kofmehl nach Solothurn. Nina Knapp kann sich vorstellen, die Teenager für grössere Anlässe in Zusammenarbeit mit dem Jugendwerk auch zu sich in die Schützi zu holen. Die Jugendlichen hätten ihr aber gesagt, sie kämen nur an ein Konzert, wenn danach noch eine Party steige, erzählt Knapp mit einem Lächeln.

Partylust verspürt die Mittzwanzigerin kaum mehr. Bars und Konzerte seien mehr nach ihrem Gusto, sagt Knapp. Was sie sich am liebsten anhöre? «Mega unterschiedliche Genres. Aber Patent Ochsner liebe ich über alles.» Gut möglich, dass die mit den beiden Oltner Musikern René Mosele und Alex Hendriksen bestückte Berner Band bald wieder einmal die Schützi-Bühne beehrt. Wenn dann 600 Menschen in der alten Turnhalle die «W. Nuss vo Bümpliz» mitsängen, ob Nina Knapp dann noch immer im Hintergrund stehen und das Publikum aus der Ferne beobachten würde?


Wen würdest du gerne in der Schützi sehen und hören? Was ist deine schönste Erinnerung ans Oltner Kulturzentrum?

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