Der bunt gemischte Salat
Ausflugstipp für die Herbstferien gefällig? Lust auf mediterrane Stimmung? Unsere Kollegen vom Oltner Tagblatt wissen, wo sie zu finden ist. Nämlich in unmittelbarer Nachbarschaft. Die Reise muss nicht in die Toskana gehen, auch das Niederamt hat lauschige Plätzchen.
Dennoch: Auch wenn nun gerade dieses Bild es nicht erahnen lässt, ist es doch so, dass das Mediterrane näher zu uns rückt. Neulich las ich, die Schweizer Bevölkerung entwickle zunehmend einen mediterranen Charakter, sie sei weniger verschlossen. Das mediterrane Lebensbedürfnis geht womöglich mit dem Klimawandel einher. Schon 2017 schrieb die NZZ: «Die Sommer in der Schweiz werden mediterraner.» Und 20 Minuten schrieb im gleichen Jahr, der mediterrane Lebensstil bringe die Städte an ihre Grenzen. Weil alle wollen raus.
Flanieren ist das Gebot der Stunde
Auch in Olten ist die Mediterranisierung – das Wort gibt’s tatsächlich – in vollem Gang. Daran hat auch das Regenjahr 2021 nichts geändert. Stadt im Fluss und am Fluss. Das Regierungsprogramm des Oltner Stadtrats spricht für sich. Wenn im Sommer das Barometer die 25-Grad-Marke übersteigt, wird die Aare zum Schauplatz einer Parade. Wie Stecknadelnköpfe ziehen die Menschen im Wasser flussabwärts.
Olten will an die Aare. Will noch mehr Piazze, noch mehr Grünraum. Corona hat dieses Bedürfnis zusätzlich gestärkt, schreibt der Stadtrat in seinem Regierungsprogramm. Er geht mit der Zeit, mit einer Mehrheit der Volksvertreterinnen im Parlament. Auch im räumlichen Leitbild ist der mediterrane Kurs vorgegeben. Den Munzingerplatz wollen die Parlamentarier von den Autoparkplätzen befreien. Einen Teil der Schützi zum Park machen. Den Ländiweg zur Strandpromenade. Olten am Mittelmeer.
Aber ganz so lau wird die Mittelmeerbrise nicht sein, die dem Stadtrat auf den neu geschaffenen Oltner Piazzen entgegenweht. Mit den beiden neu gewählten Nils Loeffel und Raphael Schär rückte er nochmals nach links – Benvenuto Savoldelli ist als einziger Bürgerlicher geblieben. Im Parlament aber bleibt eine Pattsituation bestehen. Die Ratsmitte und -rechte machten gleich in der ersten Sachsitzung klar, dass sie die Rolle der Opposition gerne einnimmt. Nachdem der neue Stadtpräsident Thomas Marbet den Umfang des Regierungsprogramms im Vergleich zu den zwei vorherigen hervorstrich, um dann gleich selbst zu entgegnen, dass die Quantität nicht massgebend sei – aber eben, 20 Seiten – kamen die ersten harschen Töne.
«Das Regierungsprogramm ist aus unserer Sicht sehr einseitig, es hat gewisse Ansätze eines Parteiprogramms», sagte Marc Winistörfer (SVP). Für ihn war ebenso wie für die FDP klar, dass die wirtschaftlichen Aspekte im Programm zu kurz kämen. «Olten hat mehr Arbeitsplätze als Einwohner, ein Phänomen das nicht so häufig vorkommt in der Schweiz. Arbeitsplätze als Teil der Wohnqualität unserer Stadt, sind zu wenig gewichtet», sagte Nico Zila (FDP). Darauf entgegnete Daniel Kissling (Olten jetzt!): «Wer glaubt, dass die Wirtschaft für sich selbst wirtschaftet, hat nicht viel von unserer Gesellschaft verstanden. Eine attraktive Stadt bringt Arbeitsplätze, führt zu Konsum, zu neuen Ideen und neuen Investitionen.»
Nach Logik der Linken heisst dies: Das mediterrane Olten wird die Wirtschaft ankurbeln. Die bessere Lebensqualität wird Menschen anziehen und die Steuereinnahmen stärken. Bloss linke Träumereien? «Als wir träumten» ist im Regierungsprogramm des Stadtrats Programm, angelehnt an die Leuchtschrift, die im Rahmen der Kunstausstellung entlang der Aare an der Alten Holzbrücke hing. Der Stadtrat habe sich sehr viel vorgenommen, empfand Thomas Kellerhals (CVP). «Wir hoffen nicht, dass es nur Träumereien sind.»
Die harte Realität
Der mediterrane Lebenswandel hat seinen Preis, wie die im Bau stehende Aarepromenade am Ländiweg veranschaulicht. Im Juni letzten Jahres hatte sich im Parlament gezeigt, zu welchem Grad die Legislative doch auch die Macht hat, etwas zu bewirken. Eine linke Mehrheit bestehend aus SP / Junge SP, Grüne und Olten jetzt! fand, die Stadt solle den Ländiweg gleich im Zuge der Strassenarbeiten des Kantons attraktiveren. Es war ein so unschweizerischer (man könnte sagen mit südländischem Temperament) gefällter Entscheid. Ohne ein ausgearbeitetes Projekt als Grundlage zu haben, sprach das Parlament drei Millionen Franken, die sich bloss auf eine Schätzung stützten. Denn das Projekt war zunächst für 2026 anberaumt gewesen. Ein Jahr nach der Kreditvergabe haben die Bauarbeiten nun, – oh Wunder – zu Tage gebracht, dass zusätzliche Kosten anfallen.
Salamitaktik!
Das Parlament musste im September über den Nachtragskredit von knapp 900’000 Franken befinden. Das Projekt erreicht somit nahezu die 4-Millionen-Marke, die eine Volksabstimmung bedingt hätte. Gefundenes Fressen für die Bürgerlichen, die Linke zu bezichtigen, dem Vetorecht des Volkes bewusst ausgewichen zu sein. Denny Sonderegger (FDP) brachte die Salamitaktik wieder auf den Tisch: Die Kredite würden in Scheiben zerstückelt, um den Urnengang zu umgehen.
Damit der Metaphern nicht genug. «Jetzt haben wir den Salat. Und zwar ein bunt gemischter. Mit ein wenig Gurken von den Grünen, Tomaten der Linken, Spitzkohl von Olten jetzt! und einer Prise Salz der Baukommission», benannte Sonderegger die Schuldigen fürs Ländiweg-Schlamassel. Heinz Eng (FDP) appellierte an das «Gewissen der politischen Verantwortung» und mahnte, dass Kostensteigerungen wie diese in der Privatwirtschaft harte Konsequenzen hätten. Auch Christian Ginsig (GLP) warnte, die Steuerlast solle nicht unnötig erhöht werden. «Ohne Not, nur wegen Ungeduld hat das Parlament potenzielle Fördergelder von über einer Million Franken verspielt», sagte Thomas Fürst (FDP) und meinte damit mögliche Unterstützungsgelder aus dem Agglomerationstopf.
Daniel Kissling sah stellvertretend für die Linke kein Politversagen vorliegen, wie dies die Bürgerlichen heraufbeschwören täten. Die Debatte widerspiegele vielmehr die Mentalität in der Kleinstadt, fand er. «Olten ist unglaublich gut darin, Sachen nicht fertig zu machen», habe ihm ein Bekannter einmal gesagt. «Ich wünsche mir, dass wir dies künftig anders machen.» Die grosse Mehrheit im Parlament sah im Fall vom Ländiweg von einer Blockade ab und gab den Nachtragskredit frei.
Während der Ländiweg noch im Bau ist, macht das Parlament bereits Druck, ein nächstes städtebauliches Projekt umzusetzen. Der Munzingerplatz soll nicht mehr einfach ein Parkplatz sein, sondern eine Piazza für die Menschen der Stadt. Die Forderung ist nicht neu: 2011 hatte das Stimmvolk eine Vorlage abgelehnt, in der die Parkplätze über ein unterirdisches Parkhaus kompensiert worden wären. Die Plätze will der Stadtrat auch diesmal kompensieren. Wo, liess er aber noch offen. Für die Bürgerlichen Grund genug, dem Vorstoss zu misstrauen und ihn als «gewerbefeindlich» zu taxieren, wie es Philipp Ruf (SVP) ausdrückte. Und Simone Sager stellte für die FDP klar, der Munzingerplatz stünde für sie nur zur Debatte, wenn ein unterirdisches Parkhaus wieder aufgewärmt werde. «Erst sollten wir die Kirchgasse nutzen, bevor der nächste Platz beansprucht wird». Allein: Mit dieser Haltung sind die Bürgerlichen im Parlament derzeit in der Minderheit. Erst recht, wenn die Mitte sich der Linken anschliesst.
An Ideen mangelts nicht
Nach der ersten Parlamentssitzung zeichnet sich ab, dass die drei progressiv-linken Parteien im Parlament den Ton angeben – und die konservativ-bürgerlichen zusehends in die Opposition gedrängt werden, obwohl die FDP die stärkste Kraft ist. Die gute Nachricht: Die ausgemachten zwei Blöcke scheinen weniger starr als in der letzten Legislatur. Die Debattenkultur war in der ersten Sitzung überaus lebendig – von rechts bis links sind neue starke Redner und Sprecherinnen im Parlament vertreten. Der junge, linksdominierte Stadtrat wird mit den beiden gemässigten SP-Vertretern in der Balance bleiben. Trotzdem: Mit Referenden wird auch in der neuen Legislatur zu rechnen sein. Ob das Stimmvolk dann die Meinung der Exekutive und Legislative stützt, wird sich weisen.
Dem neuen Parlament geht die Arbeit nicht aus. Die Traktandenliste verkommt zur Makulatur: 27 Vorstösse waren im September drauf. Von vornherein war illusorisch, dass alle behandelt werden können. Die FDP kündigte an, «kreative Mitglieder der FDP-Fraktion» würden mit Gleichgesinnten aus anderen Parteien Ideen aushecken, wie der Vorstossflut begegnet werden könne.
Blick in den Rückspiegel: Wohnliches Olten anno 1976
Heute hätten wir gern einen guten Ladenmix in der Stadt, obwohl viele Menschen nicht mehr in der Stadt einkaufen. Ein Paradox. Wir sehnen uns nach Leben, nach Begegnung in der Stadt. Die einen glauben, die Parkplätze würden dem Gewerbe die Existenz sichern. Die andern glauben, grüne Plätze und Alleen brächten Menschen und kurbelten den Konsum an. Das war schon damals nicht anders, als das Schweizer Fernsehen 1976 nach Olten kam und die Menschen fragte, wohin Olten sich entwickeln soll. Eine autofreie Altstadt, mehr Parkplätze wünschten sich die Passanten damals. Was unter einer lebendigen Stadt zu verstehen ist, war dazumal anders definiert. Die Sprecherstimme sagt: «Das Leben in den Gassen und Häusern aber hat sich verändert, im Lauf der Jahre. Restaurants wurden geschlossen, immer mehr Wohnungen werden zu Geschäftsraum umgewandelt. Dagegen wehrt sich die Gruppe Wohnliches Olten. Sie möchte verhindern, dass die Altstadt noch mehr zum Einkaufszentrum wird.»
Und zum Schluss noch dies …
Bald noch mehr Kakaoregen in der Stadt Olten? Eine defekte Lüftung sorgte vor einem Jahr weltweit für Schlagzeilen. Nun baut Lindt & Sprüngli den Standort in der Oltner Industrie neben den Bahngeleisen nochmals kräftig aus und investiert bis 2024 rund 74 Millionen Franken in seine Produktionsstätten. Hier deckt das Unternehmen seinen Bedarf an Kakaomasse für Europa. Die Kapazität wird verdoppelt, wie die Konzernleitung mitteilte. Ob somit auch der Kakaoduft, der die Stadt bei Nordwindlage und Nebel einhüllt, bald doppelt so intensiv wird?
Flaniermeile Olten: Vom Bahnhof durch die Altstadt bis zum Munzingerplatz. Wie würdest du diesen Abschnitt gestalten?