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Krieg in der Ukraine, ein zappen­dusterer Klima­bericht – und Neues zum Ursprung von Sars-CoV-2

Wir informieren dich in dieser aussergewöhnlichen Zeit zu den Geschehnissen in der Welt – dank grosszügiger Unterstützung des Onlinemagazins Republik.
4. März 2022
Text: Ronja Beck, Elia Blülle, Oliver Fuchs, Bettina Hamilton-Irvine, Marie-José Kolly und Katrin Moser, Grafik: Roger Lehner

Dieses Nachrichtenbriefing wurde uns von der Republik zur Verfügung gestellt. Die Republik ist ein digitales Magazin für Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur.

Krieg in der Ukraine: Ein Überblick

Die Lage in der Ukraine: Nachdem der russische Einmarsch in den ersten Tagen stockte, haben die Generäle offenbar die Strategie gewechselt. Vermehrt wird nun in Siedlungs­gebieten geschossen statt auf rein militärische Ziele. Grosse ukrainische Städte – besonders in den Grenz­gebieten – sind teilweise dauerhaft und massiv unter Beschuss geraten. Besonders betroffen sind die Millionen­stadt Charkiw im Nordosten und die Küsten­stadt Mariupol. Am Mittwoch geriet mit Cherson die erste und strategisch wichtige Stadt unter russische Kontrolle. Auch Kiew ist unter Beschuss, wiederholt kam es zu schweren Explosionen und Luft­angriffen. Ein riesiger russischer Militär­konvoi ist inzwischen bis vor die Tore der Haupt­stadt vorgedrungen. «Wir bereiten uns vor und werden Kiew verteidigen!», meldete Kiews Bürger­meister Witali Klitschko über die sozialen Medien. Am Mittwoch hat die Uno-Voll­versammlung den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt. Belarus, Nordkorea, Eritrea, Syrien und natürlich Russland stimmten gegen die entsprechende Resolution. «Dieses Dokument wird uns nicht erlauben, militärische Aktivitäten zu beenden», kommentierte der russische Uno-Botschafter Wassili Nebensja.

Die humanitäre Lage: Die Auswirkungen des inzwischen zehn­tägigen Kriegs auf die Bevölkerung sind immens: Gemäss den Vereinten Nationen sind seit Beginn der russischen Invasion über 1 Million Ukrainerinnen aus dem Land geflohen. Immer mehr Menschen fallen den Beschüssen zum Opfer: 752 Zivilisten wurden bisher getötet, meldete die Uno am Donnerstag, die ukrainischen Behörden sprechen von über 2000 toten Zivilistinnen. Auch unter den Soldaten sollen auf beiden Seiten Hunderte, wenn nicht Tausende getötet worden sein. Die Zahlen sind jedoch kaum zu verifizieren.

Die Reaktionen: Der Westen reagierte diese Woche mit Sanktionen von bisher ungesehener Härte auf die Invasion. So haben EU und USA (und die Schweiz) inzwischen nicht nur ausländische Konten von Wladimir Putin und dem russischen Aussen­minister Sergei Lawrow eingefroren, sondern unter anderem auch ausländische Devisen auf der russischen Zentral­bank – mit verheerenden Folgen für die russische Wirtschaft. Viele Staaten, darunter die Schweiz, haben den Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt. Auch zahlreiche Gross­konzerne stoppten ihre Exporte nach Russland als Folge der Invasion. Um die Ukraine im Kampf zu unterstützen, hat die EU 450 Millionen Euro für militärische Ausrüstung freigegeben. Viele Länder liefern direkt Waffen und Munition ins Land.

Die Gegen­reaktion Russlands: Putin wiederum reagierte mit Droh­gebärden auf die Finanz­sanktionen. Am Sonntag nahm er die «aggressiven Äusserungen» der Nato zum Anlass, seine Atom­streitkräfte in Alarm­bereitschaft zu versetzen. Dennoch haben sich tags darauf erstmals Vertreter der ukrainischen und russischen Regierung an einem Verhandlungs­tisch in Belarus zusammen­gefunden in der Hoffnung auf Waffen­stillstand. Doch ein Durchbruch blieb bisher aus, die Gefechte dauern an. In Russland regt sich in Form von Protesten der Widerstand gegen den Krieg, trotz massiver Repression. Tausende Demonstrantinnen wurden verhaftet. Unabhängige Medien im Land werden wegen der Verbreitung angeblicher Falsch­informationen gesperrt.

Was als Nächstes geschehen könnte: Ein baldiges Ende des Kriegs ist nicht abzusehen. Eine schnelle Macht­übernahme in der Ukraine, wie sie sich Russland wohl erhofft hatte, scheint gescheitert. Das zeigen auch Aufnahmen von hungernden russischen Soldaten, die ukrainische Geschäfte plündern. Der Widerstand in der Ukraine scheint grösser, als von Putin antizipiert. Am Mittwoch rief Wolodimir Selenski die Bevölkerung dazu auf, diesen Widerstand aufrechtzuerhalten. «Wir sind ein Volk, das innerhalb einer Woche die Pläne des Feindes zerstört hat», sagte er in einer Video­botschaft. Und schmiedet selber neue Pläne: So hat Selenski diese Woche einen Beitritts­antrag für die EU gestellt und für seine Rede vor dem Europa­parlament stehende Ovationen erhalten. Ein Beitritt im Eilverfahren scheint aber unwahrscheinlich.

Australien: Schwere Über­schwemmungen im Osten des Landes

Darum geht es: Australien leidet unter dem schlimmsten Hoch­wasser seit Jahrzehnten. Betroffen sind die Bundes­staaten New South Wales und Queens­land im Osten des Landes mit den Millionen­­städten Sydney und Brisbane. Mindestens zehn Menschen kamen ums Leben, unzählige werden vermisst, Zehn­tausende mussten aus unzugänglichen Gebieten gerettet werden. Nach wie vor warten Hunderte auf Rettung, viele von ihnen auf den Dächern ihrer Häuser. Zehn­tausende Gebäude sind zerstört, über 50’000 ohne Strom, Hunderte Schulen bleiben geschlossen, der öffentliche Verkehr liegt lahm. Vor allem rund um die Stadt Lismore in New South Wales sind die Pegel rasend schnell gestiegen.

Warum das wichtig ist: Die Hoch­wasser sind eine Folge extremer Nieder­schläge aufgrund eines sich nur langsam bewegenden Tiefdruck­gebiets. Extrem­wetter­lagen nehmen in Australien besonders stark zu – laut Expertinnen eine Folge des Klima­wandels. Noch im Januar war die Bevölkerung in den australischen Sommer­monaten von einer Hitze­welle heimgesucht worden. Im Westen des Landes stieg die Temperatur auf über 50 Grad. Ausserdem haben die besonders verheerenden Wald­brände von 2019 und 2020 in Australien zu einer Vergrösserung des Ozonlochs geführt.

Was als Nächstes geschieht: Entspannung ist nicht in Sicht, Meteorologen warnen vor sintflut­artigen Regen­fällen in den kommenden Tagen. Die Rettungs­aktionen dauern an. Im Mai stehen in Australien Parlaments­wahlen an, doch bislang haben die Parteien den Klima­notstand kaum zum Thema gemacht. Wissen­schaftlerinnen warnen, dass sich die Extrem­wetter­lagen im Land weiter verschlimmern werden mit horrenden Kosten für die Wirtschaft und immer mehr Toten infolge von Hitze­wellen, Wald­bränden und Überschwemmungen.

Weltklimarat: Auswirkungen der Klimakrise sind drastisch

Darum geht esDiese Woche erschien der zweite Band des sechsten IPCC-Sachstands­berichtes. Darin beurteilen und bewerten Hunderte Forscherinnen aus aller Welt den aktuellen Stand der Klimakrise. Im neuen Bericht unter­suchen sie primär die Auswirkungen der Klima­erwärmung auf den Menschen und die Natur. Die Forscher gehen davon aus, dass die Biodiversität durch die steigenden Temperaturen stark gefährdet ist. Für einige wenige Tierarten ist belegt, dass sie als Folge der Klima­erwärmung bereits ausgestorben sind. Durch schmelzende Gletscher oder tauende Permafrost­böden sind ganze Ökosysteme bald nicht mehr zu retten. Ausserdem schreiben die Forscherinnen, dass bis zu 3,6 Milliarden Personen als Folge der Klima­erwärmung in ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit bedroht sind. Von den Gefahren – Fluten, Wirbel­stürmen, Dürren, Hitze­wellen – besonders betroffen sind Menschen, die in West- und Zentralafrika, Latein­amerika und diversen asiatischen Ländern leben.

Warum das wichtig ist: Der Welt­klimarat publiziert seit 1990 alle sechs Jahre einen neuen Sachstands­bericht. Am zweiten Band des neuen Reports haben Wissen­schaftlerinnen aus 67 Ländern mitgearbeitet. Er fasst die Erkenntnisse aus über 34’000 Studien zusammen und ist somit die umfang­reichste Bestands­aufnahme der Klimakrise. Der neuste Bericht zeigt mit noch mehr wissen­schaftlichen Belegen, wie drastisch die Auswirkungen der Klimakrise sind und sein werden. Der Klima­wandel sei eine Bedrohung für das menschliche Wohl­ergehen und den Planeten, sagt Hans-Otto Pörtner, einer der Leitautoren des neuen Welt­klima­berichts. «Wir haben nur ein kleines Zeitfenster für den Klima­schutz und die Anpassungen.»

Was als Nächstes geschieht: Der dritte und letzte Teil des Sachstands­berichts soll im März verabschiedet werden. Er wird sich mit der Anpassung an die Klima­krise sowie der Reduktion von Treibhaus­gasen befassen.

Corona: Neue Hinweise zum Ursprung des Virus

Darum geht es: Aus dem Labor oder aus der Tier­welt – noch ist der Ursprung von Sars-CoV-2 nicht geklärt. Drei neue, wissen­schaftlich noch nicht begutachtete Studien, weisen auf die Bedeutung des berühmt­berüchtigten Markts in Wuhan hin. Viele der ersten Infizierten hätten sich gemäss den Studien in dem Teil des Marktes aufgehalten, wo lebendige Tiere dicht an dicht zum Verkauf bereit­standen. Forschende konnten gleich zwei frühe Virus­varianten dort nachweisen, das Coronavirus könnte sich also gleich zweimal von einem Tier auf einen Menschen übertragen haben.

Warum das wichtig ist: Die Frage nach dem Ursprung des Corona­virus wird seit dem Frühling 2020 heiss debattiert. Verschiedene Wissen­schaftlerinnen teilten damals unter­schiedliche Einschätzungen, eine prominente Gruppe lehnte aber die Labor­hypothese als Verschwörungs­erzählung ab. Die Resultate der folgenden Untersuchung der Welt­gesundheits­organisation WHO in China blieben uneindeutig. Eine weitere Gruppe von erfahrenen Fachleuten forderte darauf im Frühling 2021 verstärkte Anstrengungen: «Beide Theorien bleiben realistisch, die versehentliche Freilassung aus einem Labor und die Zoonose», schrieben sie in einem offenen Brief, den die Zeitschrift «Science» veröffentlichte, die Labor­hypothese sei aber in der WHO-Untersuchung wenig berück­sichtigt worden. Der Virologe Christian Drosten erklärte in der Republik, weshalb er einen natürlichen Ursprung für wahr­scheinlicher hält, wofür er wiederholt angefeindet wurde. Die neuen Hinweise schliessen einen Labor­unfall nicht aus, sie stützen aber die zoonotische Hypothese.

Was als Nächstes geschieht: Mit den zusätzlichen Indizien zur Bedeutung des Huanan Seafood Market ist ein Virus­ursprung in der Tierwelt plausibler geworden. Aber ein gut besuchter Markt könnte auch lediglich als Verstärker für einen Ausbruch anderen Ursprungs funktionieren. Wenn man künftig etwa Antikörper gegen Sars-CoV-2 im Blut von Tieren nachweisen könnte, die auf dem Markt verkauft wurden – oder bei Tieren von Farmen, die an den Markt lieferten – wäre das ein überzeugenderes Indiz. (Bisher waren solche Proben negativ, gemäss Virologe Drosten müssten aber viel mehr solche Proben geprüft werden, gerade bei Tieren, die als mögliche Zwischen­wirte infrage kommen). So oder so dürfte es sich lohnen, bei präventiven Massnahmen gegen künftige Epidemien beide möglichen Ursprünge im Blick zu behalten.

Zum Schluss: Putin hat uns den Appetit verdorben

Während die Ukraine unter Beschuss steht, hat der russische Präsident Wladimir Putin in seinem eigenen Land eine massive Desinformations­kampagne ausgerollt. Via die russischen Staats­medien, aber auch via SMS oder Telegram-Kanäle werden Falsch­meldungen verbreitet – darüber, wie sich ukrainische Truppen ergeben hätten, wie der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski geflohen sei, wie das russische Militär gegen ukrainische Nazi­bataillons kämpfen müsse. An verlässliche Informationen zu kommen, ist in Russland zunehmend schwierig. Die Cyber­aktivisten­gruppe Anonymous schlägt deshalb auf Twitter vor, via Google Maps mit der russischen Bevölkerung in Kontakt zu treten. Und zwar, indem man auf der Online-Karte eine Bewertung für eine Firma oder ein Restaurant in Russland schreibe – und dabei erkläre, was in der Ukraine los sei. So sollen russische Bürgerinnen über den Krieg in der Ukraine aufgeklärt werden, ohne dass Putins Regierung die Aussagen zensurieren kann. Anonymous hat dazu auch gleich noch eine russische Text­vorlage für die Bewertung gepostet: «Das Essen war super! Leider hat uns Putin mit dem Einfall in die Ukraine den Appetit verdorben. Lehnt euch gegen euren Diktator auf, hört auf, unschuldige Menschen zu töten! Eure Regierung lügt euch an. Steht auf!» Tausende von Menschen folgten dem Aufruf.

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