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«Wir sind eine zu kleine Stadt, um mehrere Organisationen loszuschicken»

Zwar überzeugte die Sicherheitsfirma diesen Sommer auch Stadträtin Marion Rauber mit ihrer Arbeit im öffentlichen Raum. Im Gespräch erklärt sie, warum dennoch eine andere Organisation den SIP-Auftrag erhält.
5. November 2020
Text: Yann Schlegel, Fotografie: Flavio Leone

Erst diente die Langenthaler Institution ToKJO als Vorbild für Olten: 2018 führte sie für die Stadt eine Sozioanalyse durch. Nun erhält sie ab 2021 den Auftrag für die SIP (Sicherheit-Intervention-Prävention). Ab nächstem Jahr hat Olten somit eine mobile Organisation, die sich im öffentlichen Raum für das Miteinander einsetzt. Will heissen: Sie hilft Konflikte zwischen unterschiedlichen Interessensgruppen zu lösen, unterstützt drogen- und alkoholsuchtkranke Menschen und erfüllt ordnungsdienstliche Aufgaben, worunter beispielsweise Littering-Probleme fallen. In der Schweiz setzen bereits 38 Städte auf einen Sozial- und Ordnungsdienst dieser Art. ToKJO erhält den Auftrag über die kommenden drei Jahre, die Dienstleistung kostet die Stadt jährlich 150’000 Franken.

Auf öffentlichen Druck installierte der Stadtrat im Sommer kurzfristig eine Sicherheitsfirma. Die Rückmeldungen waren überaus positiv. Wäre eine weitere Zusammenarbeit nicht denkbar gewesen?

Marion Rauber: Eine SIP und ein «einfacher» Ordnungsdienst sind einfach zwei verschiedene paar Schuhe – obwohl auch ich von der Arbeit der Sicherheitsfirma positiv überrascht war. Der Ordnungsdienst über die Sommermonate hat uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Mit ihrer Ausrichtung stiess die Sicherheitsfirma aber an ihre Grenzen. Gerade im sozialen Bereich, wäre es ihr nicht möglich, Hilfestellung zu bieten und etwa suchtkranke Menschen mit den Fachstellen zu vernetzen.

Mit der LU-Sicherheitsdienst AG weiterzumachen, war also zu keiner Zeit eine Option?

Das hätte nur geschehen können, wenn die Stadt eine ergänzende Sozialhilfe einrichtet. Entweder hätten wir eine eigene Sozialhilfe aufbauen oder die Dienstleistung extern einkaufen müssen. Das war für mich keine Option und hätte zu Irritationen geführt. Dann würde der Ordnungsdienst sagen, die Suchtproblematik gehe ihn nichts an, und demgegenüber die Sozialhilfe sich nicht um das Littering kümmern. Das endet im Chaos.

«Bei diesen Patrouillen-Teams ist immer eine ausgebildete Sozialarbeiterin dabei. Das ist mir extrem wichtig.»

Den Rollenkonflikt, dass eine Sozialhilfe bei den Klienten das Vertrauen verliert, wenn sie zugleich für Ordnung sorgen muss und im Extremfall die Polizei beizieht, sehen Sie nicht als Problem?

Nein, auch aufgrund der Rückmeldungen von anderen SIP-Organisationen. Wir sind eine zu kleine Stadt, um mehrere Organisationen loszuschicken, die sich hier um den öffentlichen Raum kümmern. In Zürich oder Luzern mag dies funktionieren. Ich vertraue auf die Professionalität der SIP. Die Polizei würde nur beigezogen, wenn es beispielsweise um Gewalt geht.

Was zeichnet die Organisation gegenüber einer Sicherheitsfirma aus?

Bei diesen Patrouillen-Teams ist immer eine ausgebildete Sozialarbeiterin dabei. Das ist mir extrem wichtig. Wir haben in Olten nicht viele Menschen, die Hilfe benötigen. Aber für diejenigen, die sie annehmen möchten, will ich Profis haben. Das Team von ToKJO ist zudem mit der Region vertraut, einige Angestellte sind auch hier wohnhaft.

Aus der Zusammenarbeit mit der Sicherheitsfirma schliesst Franco Giori, Verwaltungsleiter Sicherheit und Ordnung, dass in der Stadt eine Einrichtung wie ein «Fixerstübli» fehlt. Ein Ort, wo die suchtkranken Menschen sauber Drogen konsumieren können.

Mit der Institution Herol haben wir eine offizielle Abgabestelle in der Stadt. Dort können Schwerstsüchtige ihren Stoff beziehen. Das Programm läuft gut und gibt diesen Menschen eine Struktur, die vielen auch den Wiedereinstieg ins alltägliche Leben erleichtert.

Aber das scheint die Problematik vom Drogenkonsum auf den öffentlichen Toiletten nicht zu lösen.

Für diesen Fall könnte womöglich die Suchthilfe Ost künftig als Anlaufstelle dienen. Vor dem SIP-Projekt dachten wir für eine mobile Sozialhilfe an die Suchthilfe Ost. Jedoch signalisierte sie immer die Haltung, dass sie nicht aufsuchend wirken möchte. Hinzu kommt, dass die Suchthilfe Ost einen Leistungsauftrag für etliche Gemeinden zu erfüllen hat. Wir können auch als Zentrumsstadt nicht beliebig Ansprüche stellen.

Die Erfahrungen mit dem Ordnungsdienst im Sommer zeigten, dass eine enge Zusammenarbeit mit der Stadt förderlich ist. Wem rapportiert die SIP?

Die Verwaltung der Stadt wird gefordert sein, da das SIP-Projekt direktionsübergreifend Einfluss hat. Die SIP wird an die Sozialdirektion rapportieren. Wir wollen wissen, was uns ihre Arbeit bringt. Ich erwarte schnelle und effiziente Lösungen. Auch die Arbeitsgruppe «Sicherheit im öffentlichen Raum» wird dabei mithelfen. Darin sind alle wichtigen Organe vertreten: Polizei, Suchthilfe, Werkhof, Sozialamt und die Stadt.


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