Kunstmuseum denken, aber bitte “out of the box”!
Ich kenne mich in Olten und der Oltner Politik einigermassen aus, wohne jedoch ausserhalb und bin eigentlich nicht berechtigt, mich über das KMO zu äussern.
Dennoch finde ich die seit vielen Jahren andauernde Diskussion um das Kunstmuseum zermürbend und dem Ruf Oltens schädlich. Seit gut zwanzig Jahren äussert man sich im Stadthaus dahingehend, drei eigenständige, traditionsreiche und alle über hundert Jahre alte Museen zu unterhalten und weiterzuführen. In der Gemeindeordnung ist unter Art 2 Lit f der Auftrag formuliert, Bildung sicherzustellen und kulturelle und ideelle Bestrebungen zu fördern. Vielleicht wäre es an der Zeit, diesen Artikel mal zu hinterfragen und präzisere Antworten darauf zu formulieren.
Zu den wichtigsten Aufgaben eines Kunstmuseums gehört meines Erachtens das Anlegen eines soliden Sammlungsgrundstockes. Dessen Erweiterung und Ergänzung sowie das Zusammenführen verschiedener Sammlungsbereiche gehören eigentlich zu den Kernaufgaben eines Museums.
Dieser Bildungsauftrag ist in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit in den Hintergrund gerückt. Es scheint manchmal, dass das Kunstmuseum eher als Unterhaltungsbetrieb statt als ein Ort der Kunstvermittlung wahrgenommen wird. Traditionelle Aufgaben des Sammelns, Bewahrens und des Präsentierens rücken in den Hintergrund. Diese Entwicklung führe ich darauf zurück, dass sich das Museum zunehmend selbst darum kümmern muss, Einnahmequellen abseits der öffentlichen Hand zu erschliessen. Eine längerfristige Planung ist infolge der finanziellen Schieflage der Stadt Olten schier unmöglich geworden. Das KMO lebt und profitiert heute auch von Mäzenen, privaten Leihgebern und nicht zuletzt auch von den Aktivitäten der beiden Unterstützungsvereine „Kunstverein“ und „Verein Freunde des Kunstmuseums Olten“, welche eine der Kernaufgaben, nämlich die Erweiterung und Ergänzung der Sammlung fast im Alleingang ermöglichen.
Das KMO beherbergt eine exklusive, sich von anderen Museen klar abgrenzende Sammlung von Schweizer Kunst aus dem 19. und 20. Jahrhundert, insbesondere der eher lokalen Kunstszene. Zahlreiche bedeutende Objekte aus dieser Sammlung stammen aus Legaten, Schenkungen und Leihgaben Privater. Diese sind oft auch an Bedingungen geknüpft, welche es der Stadt kaum ermöglichen würden, sich schadlos durch die Hintertüre vom KMO zu verabschieden. Wer kulturelles Erbe antritt, ist verantwortlich dafür, hat es zu bewahren und sichtbar zu machen.
Weit über hundert Jahre haben es die Vorfahren der heutigen Oltner Politikergeneration geschafft, nebst zwei anderen Museen ein Kunstmuseum ausserhalb jeglicher Existenzberechtigungsfragen zu ermöglichen, zu tragen und weiterzuentwickeln. Ein Kulturbetrieb wie ein Museum war noch nie umsonst zu haben beziehungsweise rentabel zu führen. Deshalb sollte man die Diskussion um die Finanzen ums KMO nicht alle Jahre wieder neu aufwärmen, sondern ernsthaft und seriös mal die möglichen Aufgabenfelder eines KMO (Sammeln, Bewahren, Ausstellen, Vermitteln) in Bezug auf seine Zukunftsfähigkeit hinterfragen, anpassen oder neu definieren, aber bitte “out of the box”!
Transparenzhinweis Ulrich Soltermann ist sowohl Mitglied des Kunstvereins als auch der Freunde des Kunstmuseums.
Welche Aufgabenfelder eines Kunstmuseums sind wichtig und wie sollten sie zukunftsfähig ausgestaltet werden?
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Was es bei all den wichtigen Fragen um Finanzierung, Aufgabenfelder, Gestaltung etc. des KMO braucht, ist zuerst einmal ein breites und ernsthaftes Grundbekenntnis zu unserem Kunstmuseum. Ich staune, dass wir Oltner offenbar noch nicht ganz begriffen haben, welche immateriellen Werte heute und welche – in Zukunft vielleicht auch ökonomischen – Potentiale das KMO für die Stadt beinhaltet. Dies hat u.a. viel mit der Geschichte, den grossen gesellschaftlichen Umwälzungen im 19. Jahrhundert zu tun, welche für die Schweiz von heute prägend sind: Olten als ehemalige Untertanenstadt gehört mitten hinein in diese Geschichte. Mit der Person und den wunderbaren Werken von Martin Disteli hat Olten einen Steilpass sondergleichen, unser Erbe der damaligen Zeit mit künstlerischen Mitteln sichtbar zu machen. Nicht minder wichtig ist die Sammlung der Stiftung für Kunst des 19. Jahrhunderts, welche zusammen mit dem Disteli-Nachlass Olten eine bedeutende Ausstrahlung über unsere Stadt hinaus besitzt. Ist es heute wirklich noch nötig, auf dieses immaterielle Kapital unserer Stadt explizit hinzuweisen, um damit die Existenzberechtigung des KMO zu begründen? Im Umgang mit unserem wertvollen (kultur-)historischen Erbe sind wir Oltnerinnen und Oltner keine Weltmeister! Wie Ulrich Soltermann aber schreibt: Wir haben eine Verantwortung dafür. Das KMO ist für Olten identitätsstiftend, diese Wirkung können wir nicht mit einem Museumsbesuch in Zürich oder Basel abholen.
Dass ich hier nur einen Aspekt der zu beantwortenden Fragen rund ums Kunstmuseum anspreche, ist mir klar. Aber es ist ein wichtiger Aspekt.
Ruedi Iseli
Dem Aspekt des Bewahrens muss ein grosses Gewicht des Belebens zur Seite gestellt werden. Noch viel mehr als bei den anderen Museen im HdM sollte in einem Kunstmuseum durch ein Konzept der Aktualität, Spontaneität und Offenheit der Zugang und das Interesse der Oltner verbreitert werden. Ich interessiere mich für Kunst, war aber die letzten 10 Jahre nie mehr im Kunsthaus. Kunst kann Kulturen und Generationen verbinden. Der Sammlergedanke kann in eine Datenbank mit Webzugriff und ein physisches Lagergebäude gepackt werden. Das Kunsthaus als Gebäude und Ort kann sich alleine der Auseinandersetzung mit den Beweggründen und dem Ausdruck aktueller Kunst widmen. Ein Treffpunkt und Nukleus für Kunstliebhaber*innen und Künstler*innen in einem lebendigen Umfeld soll die Kleinstadt Olten beleben.
Michael Hafner, wenn Sie auf ein Konzept der Aktualität, Spontaneität und Offenheit stossen wollen, wenn Sie einen Ort der Auseinandersetzung mit den Beweggründen und dem Ausdruck aktueller Kunst suchen, dann kann ich Ihnen nur eines raten: Schauen Sie im Kunstmuseum Olten vorbei! So bald wie möglich! Sie werden das alles antreffen.
Sie werden sehen, dass unser KMO seine publikumsorientierte Aufgabe in einer Weise wahrnimmt, welche mit dem Wort “Ausstellung” (im althergebrachten Wortsinn) nicht annähernd umschrieben ist. Auseinander-Setzung kommt ihm schon näher. Es sind immer wieder Künstler*innen anwesend. Ihre Werke und ihr Wirken reagieren aufeinander und auf das Publikum. Etliche von ihnen suchen dabei ganz bewusst die Auseinandersetzung mit dem Erbe: Mit Werken von früher, die unser Museum beherbergt. Dann auch dieses wird immer wieder in neuer Weise ans Licht geholt. In einem Lagergebäude oder in einer Datenbank würde nichts Derartiges stattfinden. Warten Sie also keine weiteren 10 Jahre!
Lieber Felix. Wenn das stimmt, was du sagst, warum besuchen dann nicht viel mehr Menschen, Oltnerinnen und Oltner, dieses Museum? Publikumsorientiertes Arbeiten im stillen Kämmerlein? Sorry, ich frage bewusst provokativ. Ich möchte der Sache auf den Grund gehen. Der Besuch scheint nicht sehr populär…
Ich stelle fest, dass die Besucherinnen- und Besucherzahlen unserer Museen dem KOLT(-Verleger) nicht bekannt sind, vor allem nicht deren Entwicklung in den letzten Jahren. Sie haben sich nämlich in wenigen Jahren ungefähr verdoppelt. Es ist nicht aufwändig, diese Zahlen zu recherchieren. Beim Mehrjahresvergleich des Naturmuseums und des historischen Museums muss natürlich der Unterbruch in der Zeit des Umbaus “Haus der Museen” berücksichtigt werden. Die Steigerung hat schon in den Jahren davor stattgefunden. Beim Kunstmuseum kann ich die letztjährige Zahl gleich liefern: 10’236 Besucherinnen und Besucher. Das ist das zweithöchste Ergebnis in der Geschichte, und dies trotz der halbjährigen Budgetblockade in der ersten Jahreshälfte 2019, welche bewirkte, dass zwei geplante Ausstellungen noch nicht eröffnet werden konnten.
Zu erwähnen ist vielleicht noch, dass der Trend in vielen Museen beobachtet wird, und zwar nicht bloss wegen Beyeler & Co, sondern auch in mittelgrossen Museen wie den unseren. Nachzulesen zum Beispiel hier: https://www.tagblatt.ch/kultur/schweizer-museen-auf-erfolgskurs-1-2-millionen-mehr-eintritte-ld.1168015
Lieber Yves, Provokation mag manchmal lustig sein und der Seele gut tun; aber Recherche wäre die Aufgabe eines Mediums, das mit dem Anspruch antritt zu zeigen, wie Lokaljournalismus des 21. Jahrhunderts funktionieren kann.
Lieber Felix, danke für deine ebenso provokative Antwort. Zuerst möchte ich dich bitten, zwischen einem Kommentar und einem journalistischen Beitrag zu unterscheiden. Sollten wir in einem bestimmten Artikel nicht sorgfältig recherchiert haben, sind wir sehr dankbar für Berichtigung. Ich habe doch lediglich gefragt, warum nicht mehr Besucher ins Kunstmuseum finden. Dies deshalb, weil mir die besagten Zahlen bekannt sind. Es ist toll haben sie sich gesteigert, denn die Zahlen 2009 waren mit 5’513 kommunizierten Besucherinnen und Besucher noch bescheidener als heute. Wir bewegen uns auf niedrigem Niveau. In den 10’236 Besuchen zählen rund 2’500 Eintritte der Ausstellung des IPFO, welches die Räumlichkeiten nutzen durfte und die Ausstellung selber organisiert und finanziert hat. Dann wären wir bei rund 7’736. Leider wurden weitere 1000 Besuche der Ausstellung „open curtain“ in Zürich dazugezählt. Ergibt also rund 6’736 „Kunstmuseums“-Besuche in Olten. Die Frage nach der Nachfrage der Bevölkerung auf das aktuelle Angebot ist doch berechtigt! Wie Ulrich Soltermann unten im Kommentar schreibt: „Vielleicht wäre es der Mühe und Kosten Wert, die ganze KMO Frage mal neutral und politisch unvoreingenommen zu beleuchten und aufzeigen zu lassen, was denn möglich und sinnvoll wäre.“ Eine solche Diskussion soll zu einer Verbesserung führen. Wie ich in der letzten „Off The Record“ zum Thema am Ende geschrieben habe: „Sollte aber eine solche Diskussion zeigen, dass die Bevölkerung ein Kunstmuseum in der bisherigen Form an einem neuen Standort ausdrücklich wünscht, dann geht diese Institution gestärkt in die Zukunft und «wir» reden nicht hauptsächlich über das Geld, sondern über das Wie, Wo und Wann.“
Lieber Herr Wettstein. Falls es nächste Woche noch möglich ist, mache ich diesen Besuch und berichte über meine Erfahrung. Und sonst steht der Besuch nächstes Jahr in meinem Kalender. Bis bald.
Nachtrag:
Ich habe nun also den Tipp von Ihnen, Felix Wettstein, in die Tat umgesetzt und endlich mal wieder das Kunstmuseum besucht. Ich habe es nicht bereut, die Holzstiche von Meinrad Peier sind sowohl als Kunstwerke als auch als historische Blitzlichter äusserst spannend und überzeugend.
Auch der Empfang im Museum war freundlich, kompetent und durch Offenheit geprägt. Trotz der ungewöhnlichen Corona-Distanzregeln und Massnahmen. Ich bin zufrieden und mit einer Bereicherung nach Hause gegangen. Ich war übrigens die ganze Zeit der einzige Besucher im Museum.
Meine folgenden Gedanken sollen keine Kritik am Kunstmuseum sein. Es sind nur persönliche und spontane Überlegungen, wie vielleicht mehr Leute den Weg ins Kunstmuseum finden könnten.
– Natürlich ist das Museumsgebäude in die Jahre gekommen und einen attraktiven Museumsshop oder ein gemütliches Museumscafé sucht man vergebens. Die paar Kunstwerke, welche käuflich zu erwerben sind, dürften alleine aufgrund der Preisschilder beim breiten Publikum auf kein Interesse stossen. Damit will ich nur sagen, dass nach meiner Erfahrung nur wenige Leute in Kunst investieren. Mir ist bewusst, dass Kunsthandwerk anständig entlöhnt sein soll.
– Ich bin nicht überzeugt, dass mit einem “neuen” Kunstmuseum mit edlem Empfangstresen in Nussbaumholz und steriler Innenarchitektur, welche die Kunstwerke ins Zentrum rückt und sich sonst vornehm zurücknimmt, die Besucherzahlen nachhaltig steigen würden. Dies wird sicher die aktuellen Besucher erfreuen und das Museumspersonal, aber ob dadurch auch wirklich neue Besucher regelmässig den Weg finden werden? Mich persönlich hätten die Kunstwerke bei meinem Besuch in einem zeitgemässen Museumsbau ehrlich gesagt wohl kaum mehr überzeugt.
Darum eine Randnotiz: Statt viel Geld in einen Umbau zu investieren, wären vielleicht auch kreative Möglichkeiten auszuloten. D.h. sanfte energetische Sanierung und die Innenarchitektur gleich den Künstlern selber überlassen. Zumindest würde ich persönlich grösseren Publikumserfolg des Kunstmuseums nicht in einer besseren Räumlichkeit suchen. Der Standort selber ist ja schon perfekt.
– Ich habe kleine Kinder. Die sind sehr handwerklich und auch kunsthandwerklich interessiert und ich kann sie mit Leichtigkeit begeistern, irgendwelche Fantasiegestalten und -geräte in der kleinen Werkstatt im Keller zu fabrizieren. Nach meiner Erfahrung ist das nichts Aussergewöhnliches. Die meisten Kinder lassen sich dafür begeistern. Aber ins Kunstmuseum Olten würde ich sie nicht mitnehmen. Es wäre zu langweilig für sie. (Spannend hingegen finden sie die Malmöglichkeiten auf dem Spielplatz hinter dem Museum im Sommer.) Was für Kinder langweilig ist, ist aber auch für viele Erwachsene langweilig. Die Folge ist Desinteresse.
– Aus dieser Kinderperspektive heraus sehe ich durchaus Potential. Könnte man die Kunst im Museum nicht begreifbarer und unmittelbarer machen? Sie von der Wand ablösen und aus der Vitrine rausholen? Obwohl aktuell die Kunstprodukte von Holzschnitten das Thema waren, gab es keine Holzschnitt- oder Linolschnittplatten zum Anfassen. Keine Möglichkeit, selber etwas zu drucken. Ein familienfreundliches Museum mit Berührungs- und Begriffsmöglichkeiten, mit einer kleinen Kreativwerkstatt und Kaffee-, Tee- und Sirup-Bar, würde vielleicht mehr und auch anderes Publikum anlocken. Das Kunstmuseum Olten könnte damit ein Bedürfnis befriedigen, welches zu unserer Kleinstadt passt. Vielleicht könnte das ein Weg sein, die Distanz zwischen der Kunst und der breiten Bevölkerung zu verringern?
Sehr geehrter Herr Soltermann, vielen Dank für ihren Beitrag. Ich finde, dass Sie als Nicht-Oltner sehr wohl wertvollen Input aber auch Berechtigung haben sich dazu zu äussern. Es wäre ein Fehler, nur auf Oltner zu hören. Im Titel schreiben Sie “Out of the box”, aber ich lese nur vom Weiterführen vom Bisherigen unter Nichtbeachtung der Finanzen. Finde ich nicht sehr kreativ. Schade.
Sehr geehrter Herr Borner
Sowohl im Geschäftsleben wie auch in der Politik habe ich es wiederholt erlebt, dass Problemstellungen oder Projekte anstanden, für welche man nicht über das notwendige know how verfügte oder aus welchen Gründen auch immer man keine befriedigenden Lösungen aus dem eigenen Haus hervorbrachte. Mit “out of the box” meine ich, dass man in der Sache Kunstmuseum vielleicht mal aus dem politischen Hamsterrad ausbrechen und auf externe Hilfe zurückgreifen sollte. Es gibt z.B. in unserer Nähe 2 Beratungsunternehmen, welche sich ausschliesslich mit dem Consulting von Museen in Fragen von Strukturen, Visionen, Trägerschaft, Publikumsangeboten, Fundraising, Kosten und Finanzierung für Unterhalt und Betrieb befassen. Es ist sehr interessant zu verfolgen, welche musealen Institutionen da als Referenzen aufgeführt sind.
Vielleicht wäre es der Mühe und Kosten Wert, die ganze KMO Frage mal neutral und politisch unvoreingenommen zu beleuchten und aufzeigen zu lassen, was den möglich und sinnvoll wäre.
Mir stellt sich spontan eine Frage: Welche Wünsche und Visionen haben eigentlich die Künstler selber betreffend dem Kunstmuseum Olten? Ist das bekannt?