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Auf der Suche nach der Mitte

In dieser Kolumne geht es um dich, Mitte. Kolt hat mich als Futuristen engagiert, um deine Zukunft öffentlich zum Thema zu machen. Mit welchen Herausforderungen wirst du kämpfen, wie wirst du dich verändern? Welche Branchen werden dich stark machen? Was brauchst du an Infrastruktur und an gesellschaftlichen Antikörpern, um die Chancen der Zukunft zu realisieren und dich vor ihren Gefahren zu schützen?
13. November 2020
Text: Joël Luc Cachelin, Illustration: Karsten Petrat

Die gestellte Aufgabe ist nicht einfach. Bereits die Definition meines Themas stellt mich vor Schwierigkeiten. Wer bist du, Mitte?

Die mathematische Mitte

Vielleicht hilft mir die Mathematik, dich zu finden. Sie war in der Schule immer mein Lieblingsfach. Nehmen wir zum Beispiel die Zahlen 3, 3, 3, 4, 10, 50. Egal, ob diese Zahlen für das Sackgeld von 15-Jährigen, für die Covid-19-Fälle in Olten oder für die Anzahl Katzen in einem Haushalt stehen – die Antwort auf die Frage nach der Mitte ist uneindeutig. Sollen wir sie bei 3 Katzen festlegen, weil in dieser Zahlenreihe am meisten Haushalte 3 Katzen haben? Oder liegt die Mitte bei 12.17, beim arithmetischen Mittel? Oder doch bei 3.5, einem Wert, der zwar in der Reihe gar nicht vorkommt, aber die Zahlen in zwei gleich grosse Gruppen mit kleinen und grossen Werten aufteilt?

Die geographische Mitte

Gleich schwierig ist das Rätsel um die Mitte der Schweiz. Wie soll ich über deinen künftigen Zeitgeist, deine Unternehmen, Wohnformen und Verkehrsmittel nachdenken, wenn ich nicht einmal weiss, wer du bist. Sollten wir dich mit Olten gleichsetzen – dem vermeintlichen Eisenbahnkreuz der Schweiz? Allerdings fällt die Anzahl der Reisenden, die über den Bahnhof Olten fahren, deutlich gegenüber Zürich ab (gerade mal 80’000 Passagiere im Vergleich zu 440’000 in Zürich, 105’000 in Basel oder 85’000 in Luzern). Die geographische Mitte wiederum liegt in Obwalden – auf einer kleinen Alp mit den Koordinaten 46° 48′ 4″ N, 8° 13′ 36″ E. Man könnte die Sache auch ganz anders angehen und die Mitte der Schweiz dorthin verlegen, wo am meisten Durchschnittsschweizerinnen leben, mit mittlerem Geschmack, mittlerem Einkommen und in mittlerer Grösse.

Die gefühlte Mitte

Das alles sind wenig befriedigende Zahlenspiele. Sie helfen mir nicht, dich zu finden. Vielleicht sollte ich auf Gefühle und meine Intuition hören, um dich zu entdecken und über dich schreiben zu können. Meine ganz persönliche Mitte liegt in der Nähe meiner beiden schwarzen Katzen, meines Schlaf- und Schreibzimmers – und die befinden sich in Dulliken. Zu dieser Mitte gehört eben doch der Bahnhof Olten, der mich vom elften Gleis nach Bern, vom siebten nach Zürich, vom zwölften nach Luzern und vom zehnten nach Basel führt. Diese Mitte liegt in Zwischenräumen. Es ist ein Viereck mit den Ecken «Lenzburg», «Liestal», «Sursee» und dem Moment, wo ich auf der Neubahnstrecke Richtung Bern in den ersten Tunnel eintauche. In diesem Zwischenraum beginnen und beenden wir Einwohner der Mitte unsere Tage. Für die anderen ist er nicht mehr als eine Transitzone.

Die Fragen für diese Serie

Indem ich hier über deine Zukunft nachdenke, will ich dich besser kennenlernen. Noch habe ich keine Ahnung, was passieren wird, wenn ich über deine künftigen Märkte, deine Innovationspotenziale, deine Mentalität und deine Logistik schreiben werde. Fragen an deine Zukunft werden mich beim Fantasieren leiten. Was könnte deine Wirtschaft stark machen und wie machst du das Zusammenleben von uns Mittigen stark? Nach was sehnst du dich und was macht dir Angst? Wie sehr willst du mit jenen vernetzt sein, die dich nur als Transitzone denken? Was könnten Visionen sein, die dich in der ganzen Schweiz zum Strahlen bringen? Vielleicht werde ich mich in dich verlieben, vielleicht deine Mängel unerträglich finden. Wir könnten uns näherkommen oder uns für immer fernbleiben. So oder so: Liebe Mitte, ich freu mich auf dich!


Was könnten Visionen und Stärken der Region Olten sein, die sie in der ganzen Schweiz zum Strahlen bringen?

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