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Dr Schnuuf esch uus. Kolt endet heute.

Vom optimistischen Plan zur unvermeidlichen Notbremse. Eine kleine Ära, die 2009 startete, geht zu Ende; ein Oltner Projekt, das immer auch Experiment war: Kolt. Einige persönliche Zeilen des Herausgebers, Yves Stuber, zum Gefühl, diese Achterbahnfahrt zu beenden, als traurige Erklärung und als dankenden Abschied, nach einer sehr guten Zeit mit sehr talentierten, sympathischen Menschen und einer ungemein treuen, interessierten, offenen Leserschaft – Dir!
3. Juni 2022
Text: Yves Stuber, Illustration: Roger Lehner / Bureau Neue

Es war immer schwierig. Aber die Hoffnung und der Optimismus haben lange gewährt. Geschäftlich dient einem Projekt wie Kolt das Abonnementsmodell als Basis, nebst Werbung und Spenden. Die Grundkosten sind niedrig gehalten, anfangs aber meist höher als die Einnahmen. Das Modell kennt man von der üblichen Zeitung über Netflix bis zu Autoleihe oder Socken unterdessen in allen denkbaren Geschäftsfeldern. Das Abomodell floriert; wenn’s mal funktioniert, garantiert es schon fast langfristig zuverlässige und regelmässige Einnahmen. An diesem Punkt war Kolt leider zu keinem Zeitpunkt. Wir bewegten uns stets in einem Karussell. Rund um die Fragen: Wie kann Kolt mehr Menschen ansprechen, wie kann man ihnen bestmöglich nützen und dienen? Und bis wir dort sind: Wie finanzieren wir das Projekt bis zum Durchbruch? Ein Drittel meines 39-jährigen Lebens habe ich mich – mit den jeweiligen Kollegen – mit diesen Fragen beschäftigt. Und das hat mir – und sehr vielen anderen Menschen – sehr viel Freude bereitet. Kolt war immer Abenteuer. Konstant war die Veränderung. Und es war eine inspirierende Arbeit, die Begegnungen und Zusammenarbeiten mit unzähligen, unterschiedlichsten, enorm talentierten, begeisterungsfähigen, intelligenten Charakteren ermöglichte. 

Dem Teil dieser Menschen, welche diese letzte Etappe von Kolt begleiteten, danke ich weiter unten dieses Textes. Mein Team und ich haben damals bereits mit Ausgabe 100 einen Überblick über die koltsche Achterbahnfahrt erarbeitet für unsere Leserinnen. Deshalb wage ich es jetzt nicht, allzu weit zurückzublicken. Auch weils gerade noch sehr schmerzhaft wäre. Aber ich möchte die Gegenwart möglichst kurz und prägnant erklären. Es fällt mir nicht leicht und ich lande dabei höchstwahrscheinlich auch in einem leichten Pathos. Was solls: 

Wir wussten, dass wir eine Kurskorrektur vornehmen müssen. Im Oktober 2020 hat Kolt mit neuem Konzept, neuem Team und neuem Elan gestartet. Nach den ersten 15 Monaten wussten wir, dass der Zuwachs an Abonnenten auf einem nicht haltbaren Niveau stagniert. Vor wenigen Wochen meinten wir gemeinsam herausgefunden zu haben, wohin der korrigierte Kurs führen kann und soll. Wir beabsichtigten, einen Effort zu leisten, um Kolt nochmals richtig voranzutreiben. Der inhaltliche Plan und das Angebot an eine breitere Bevölkerung wären sinnvoll gewesen. Wir hatten die DNA von Kolt erkannt und wussten, dass wir mit unserer Kommunikation einfacher und emotionaler werden, uns komplett von anderen Medien abgrenzen und ein starkes, eigenes, unverkennbares Profil schaffen müssen. Mit einem günstigeren Angebot, mit dem Zugpferd «Veranstaltungskalender» und einer stärkeren Öffnung gegenüber der breiten Bevölkerung, die wir noch nicht begeistern und überzeugen konnten. Ich sähe (nach wie vor) das Potenzial. Mithilfe von Stiftungen wäre es wohl auch möglich gewesen, die weiteren Monate zu finanzieren. Aber: Die Strategie wäre wieder mit sehr grossem Risiko und weiteren Jahren des finanziellen Drucks, ewiger Geldbeschaffung, Lohnverzicht und dem Zwang, möglichst schnell möglichst viele Abonnenten zu gewinnen, verbunden gewesen. Die Erfolgsaussichten wären wiederum äusserst unsicher gewesen. Ironischerweise glaube ich noch immer, dass ein funktionierendes, lokales Modell von Kolt möglich wäre. Wenn da nur genügend Energie und Kapital existierte. Es bräuchte auch dann noch paar Jahre «Schnuuf», wenn das erneuerte Modell erfolgreich geworden wäre.

Ich kann das psychisch, physisch und finanziell nicht mehr verantworten. Vor allem auch mir selbst gegenüber. Im Nachhinein hätte ich vielleicht auch früher reagieren müssen, indem ich auf die immer unangenehmeren Zeichen gehört hätte, die mir mein Körper und mein Liquiditätsplan sandten. Das geht so einfach nicht weiter. Deshalb reifte über die letzten Wochen der Entschluss, Kolt den Stecker zu ziehen. Das ist sehr traurig, aber irgendwann sicher auch eine Art Befreiung. Und wie das so ist: Dieser Entscheid fordert rasches Handeln. Wir beenden Kolt mit dieser Ausgabe. Denn jede weitere Arbeit wäre eine Belastung aller Ressourcen. Ich werde die Konsequenzen ziehen und vor allem tragen, dass möglichst alle fair behandelt werden.

Es war gut, wie es ist. Ich und zahlreiche Mitstreiterinnen haben Kolt versucht, jetzt ist dieses Kapitel zu Ende. Als unternehmerischer Optimist sieht man den Zeitpunkt wohl auch eher zu spät als zu früh. Der Entscheid fühlt sich gut und richtig an. Ich reflektierte die letzten Tage über dieses Gefühl, das mich derart müde, traurig, überfordert und zugleich dankbar und zuversichtlich macht. Es fühlt sich an, als ob ein bester Freund stirbt. Ein Freund, der so oft Unterstützung und viel Energie benötigte; den ich deshalb manchmal hasste und öfters liebte. Weil ich ihm dankbar bin für die reiche Erfahrung, die wertvollen Begegnungen, das erlernte Wissen, die Freuden und Leiden, die mein Leben dank ihm 13 Jahre lang erfahren durfte. Ein Freund, der immer da war, auch wenn manchmal seine Abwesenheit erwünscht gewesen wäre. Einer, der grössten­teils beliebt war, geschätzt wurde und viele Sympathisanten
zählen durfte. 

Danke allen Weggefährten und auch Dir, geschätzte Kolt-Leserin, geschätzter Kolt-Leser. Du warst immer auch Grund zur steten Entwicklung und zur Hoffnung. Du gehörtest gemeinsam mit vielen anderen Menschen zu jenen, die Kolt begeistern durfte. Ihr wart zu wenige, um zu überleben, und zu viele, um zu sterben. Ich danke für Dein Vertrauen, Deine Wertschätzung und Treue, mit der Du die Arbeit von Kolt unterstützt und ermöglicht hast. 

Ich danke ganz herzlich diesen Mäzenen, grosszügigen Spenderinnen, die wissen, dass sie gemeint sind, ohne hier ihre Namen zu erwähnen. Ihr habt uns öfters aus der Patsche oder über den Gipfel geholfen. Danke!

Ich danke den langjährigen, treuen Partnerunternehmen aus der Region, die Kolt und seine Arbeit bei aller Veränderung immer mitgetragen und unterstützt haben. Auch diese wissen, dass sie gemeint sind. Danke!

Ich danke den Stiftungsräten der Gottlieb und Hans Vogt Stiftung und der Stiftung für Medienvielfalt, die uns auf verschiedene Weisen ihr Vertrauen und ihre Mittel begrenzt, aber grosszügig und unkompliziert zur Verfügung gestellt haben. Danke! 

Ein spezieller Dank geht an den Geschäftsführer und Partner der Merkur Druck AG, Thomas Schärer, für seine Grosszügigkeit, konstruktive Unterstützung, Kulanz und Toleranz sowie seine Zeit, die er mir und meinem Team mit seinen Einschätzungen und seinem Know-how zur Verfügung gestellt hat. Es ist ein Glück und eine Bereicherung, mit einem solchen Geschäftspartner und Unternehmer wie ihm zu arbeiten. Vielen Dank, Thomas! 

Last but not least: Danke dem Kolt-Team, das auf den letzten Seiten dieser Ausgabe zu Wort kommt. Ich möchte niemanden hervorheben. Es gab seit 2009 bis heute eine Konstante bei Kolt: Die, welche dieses Produkt begleiteten, formten, dachten und produzierten, waren ausschliesslich sehr fähige, intelligente und überzeugte Menschen, die öfters auch über sich hinausgewachsen sind und gemeinsam jeweils mehr erreicht haben, als die eine oder andere vielleicht erwartet hätte. Mit den allermeisten bin ich kollegial oder freundschaftlich verbunden. Wir helfen einander. Und auch jetzt entlasse ich mit einem weinenden Auge ausserordentliche Talente und besonders gute Charaktere in eine garantiert gute Zukunft, weil – sie einfach gut sind! Und was die Menschen ausmachen, die für und an Kolt gearbeitet haben, waren nicht nur die beruflichen Fähigkeiten, sondern gleichwertig ihre Offenheit, ihre Liebenswürdigkeit, ihre Überzeugung und Motivation, an was zu arbeiten, was man offensichtlich nicht nur für den eigenen Lohn, sondern zu einem grossen Teil intrinsisch für die Gesellschaft tut. 

Ich danke euch. Arbeiten hat Spass gemacht mit euch! 

Die Welt ist schön und traurig.
Dankbar und zuversichtlich, tschüss! 
Vielleicht sehen wir uns in der Stadt. 

Yves 

I – Einen Kolt-Kumpan möchte ich ganz besonders erwähnen, der als Einziger neben mir regelmässig die ganze (verdammte) Zeit für Kolt arbeitete: Kilian Ziegler. Danke, Kili, dass Du Kolt stets in Deinem Herzen trägst. Und danke für Deine sensationelle, konstant gute, unterhaltsame und humorvolle Arbeit für diese Sache! Mach doch jetzt mal was «Anständiges» aus dieser gewonnenen Zeit! 😉

II – Solltest Du eine Frage, ein Anliegen oder sonstige Worte an mich oder Kolt richten wollen, dann schreib dies gerne auf hallo@kolt.ch oder an die Postadresse Verlag 2S GmbH, Vorderer Steinacker 3, 4600 Olten.


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