Dr Schnuuf esch uus. Kolt endet heute.
Es war immer schwierig. Aber die Hoffnung und der Optimismus haben lange gewährt. Geschäftlich dient einem Projekt wie Kolt das Abonnementsmodell als Basis, nebst Werbung und Spenden. Die Grundkosten sind niedrig gehalten, anfangs aber meist höher als die Einnahmen. Das Modell kennt man von der üblichen Zeitung über Netflix bis zu Autoleihe oder Socken unterdessen in allen denkbaren Geschäftsfeldern. Das Abomodell floriert; wenn’s mal funktioniert, garantiert es schon fast langfristig zuverlässige und regelmässige Einnahmen. An diesem Punkt war Kolt leider zu keinem Zeitpunkt. Wir bewegten uns stets in einem Karussell. Rund um die Fragen: Wie kann Kolt mehr Menschen ansprechen, wie kann man ihnen bestmöglich nützen und dienen? Und bis wir dort sind: Wie finanzieren wir das Projekt bis zum Durchbruch? Ein Drittel meines 39-jährigen Lebens habe ich mich – mit den jeweiligen Kollegen – mit diesen Fragen beschäftigt. Und das hat mir – und sehr vielen anderen Menschen – sehr viel Freude bereitet. Kolt war immer Abenteuer. Konstant war die Veränderung. Und es war eine inspirierende Arbeit, die Begegnungen und Zusammenarbeiten mit unzähligen, unterschiedlichsten, enorm talentierten, begeisterungsfähigen, intelligenten Charakteren ermöglichte.
Dem Teil dieser Menschen, welche diese letzte Etappe von Kolt begleiteten, danke ich weiter unten dieses Textes. Mein Team und ich haben damals bereits mit Ausgabe 100 einen Überblick über die koltsche Achterbahnfahrt erarbeitet für unsere Leserinnen. Deshalb wage ich es jetzt nicht, allzu weit zurückzublicken. Auch weils gerade noch sehr schmerzhaft wäre. Aber ich möchte die Gegenwart möglichst kurz und prägnant erklären. Es fällt mir nicht leicht und ich lande dabei höchstwahrscheinlich auch in einem leichten Pathos. Was solls:
Wir wussten, dass wir eine Kurskorrektur vornehmen müssen. Im Oktober 2020 hat Kolt mit neuem Konzept, neuem Team und neuem Elan gestartet. Nach den ersten 15 Monaten wussten wir, dass der Zuwachs an Abonnenten auf einem nicht haltbaren Niveau stagniert. Vor wenigen Wochen meinten wir gemeinsam herausgefunden zu haben, wohin der korrigierte Kurs führen kann und soll. Wir beabsichtigten, einen Effort zu leisten, um Kolt nochmals richtig voranzutreiben. Der inhaltliche Plan und das Angebot an eine breitere Bevölkerung wären sinnvoll gewesen. Wir hatten die DNA von Kolt erkannt und wussten, dass wir mit unserer Kommunikation einfacher und emotionaler werden, uns komplett von anderen Medien abgrenzen und ein starkes, eigenes, unverkennbares Profil schaffen müssen. Mit einem günstigeren Angebot, mit dem Zugpferd «Veranstaltungskalender» und einer stärkeren Öffnung gegenüber der breiten Bevölkerung, die wir noch nicht begeistern und überzeugen konnten. Ich sähe (nach wie vor) das Potenzial. Mithilfe von Stiftungen wäre es wohl auch möglich gewesen, die weiteren Monate zu finanzieren. Aber: Die Strategie wäre wieder mit sehr grossem Risiko und weiteren Jahren des finanziellen Drucks, ewiger Geldbeschaffung, Lohnverzicht und dem Zwang, möglichst schnell möglichst viele Abonnenten zu gewinnen, verbunden gewesen. Die Erfolgsaussichten wären wiederum äusserst unsicher gewesen. Ironischerweise glaube ich noch immer, dass ein funktionierendes, lokales Modell von Kolt möglich wäre. Wenn da nur genügend Energie und Kapital existierte. Es bräuchte auch dann noch paar Jahre «Schnuuf», wenn das erneuerte Modell erfolgreich geworden wäre.
Ich kann das psychisch, physisch und finanziell nicht mehr verantworten. Vor allem auch mir selbst gegenüber. Im Nachhinein hätte ich vielleicht auch früher reagieren müssen, indem ich auf die immer unangenehmeren Zeichen gehört hätte, die mir mein Körper und mein Liquiditätsplan sandten. Das geht so einfach nicht weiter. Deshalb reifte über die letzten Wochen der Entschluss, Kolt den Stecker zu ziehen. Das ist sehr traurig, aber irgendwann sicher auch eine Art Befreiung. Und wie das so ist: Dieser Entscheid fordert rasches Handeln. Wir beenden Kolt mit dieser Ausgabe. Denn jede weitere Arbeit wäre eine Belastung aller Ressourcen. Ich werde die Konsequenzen ziehen und vor allem tragen, dass möglichst alle fair behandelt werden.
Es war gut, wie es ist. Ich und zahlreiche Mitstreiterinnen haben Kolt versucht, jetzt ist dieses Kapitel zu Ende. Als unternehmerischer Optimist sieht man den Zeitpunkt wohl auch eher zu spät als zu früh. Der Entscheid fühlt sich gut und richtig an. Ich reflektierte die letzten Tage über dieses Gefühl, das mich derart müde, traurig, überfordert und zugleich dankbar und zuversichtlich macht. Es fühlt sich an, als ob ein bester Freund stirbt. Ein Freund, der so oft Unterstützung und viel Energie benötigte; den ich deshalb manchmal hasste und öfters liebte. Weil ich ihm dankbar bin für die reiche Erfahrung, die wertvollen Begegnungen, das erlernte Wissen, die Freuden und Leiden, die mein Leben dank ihm 13 Jahre lang erfahren durfte. Ein Freund, der immer da war, auch wenn manchmal seine Abwesenheit erwünscht gewesen wäre. Einer, der grösstenteils beliebt war, geschätzt wurde und viele Sympathisanten
zählen durfte.
Danke allen Weggefährten und auch Dir, geschätzte Kolt-Leserin, geschätzter Kolt-Leser. Du warst immer auch Grund zur steten Entwicklung und zur Hoffnung. Du gehörtest gemeinsam mit vielen anderen Menschen zu jenen, die Kolt begeistern durfte. Ihr wart zu wenige, um zu überleben, und zu viele, um zu sterben. Ich danke für Dein Vertrauen, Deine Wertschätzung und Treue, mit der Du die Arbeit von Kolt unterstützt und ermöglicht hast.
Ich danke ganz herzlich diesen Mäzenen, grosszügigen Spenderinnen, die wissen, dass sie gemeint sind, ohne hier ihre Namen zu erwähnen. Ihr habt uns öfters aus der Patsche oder über den Gipfel geholfen. Danke!
Ich danke den langjährigen, treuen Partnerunternehmen aus der Region, die Kolt und seine Arbeit bei aller Veränderung immer mitgetragen und unterstützt haben. Auch diese wissen, dass sie gemeint sind. Danke!
Ich danke den Stiftungsräten der Gottlieb und Hans Vogt Stiftung und der Stiftung für Medienvielfalt, die uns auf verschiedene Weisen ihr Vertrauen und ihre Mittel begrenzt, aber grosszügig und unkompliziert zur Verfügung gestellt haben. Danke!
Ein spezieller Dank geht an den Geschäftsführer und Partner der Merkur Druck AG, Thomas Schärer, für seine Grosszügigkeit, konstruktive Unterstützung, Kulanz und Toleranz sowie seine Zeit, die er mir und meinem Team mit seinen Einschätzungen und seinem Know-how zur Verfügung gestellt hat. Es ist ein Glück und eine Bereicherung, mit einem solchen Geschäftspartner und Unternehmer wie ihm zu arbeiten. Vielen Dank, Thomas!
Last but not least: Danke dem Kolt-Team, das auf den letzten Seiten dieser Ausgabe zu Wort kommt. Ich möchte niemanden hervorheben. Es gab seit 2009 bis heute eine Konstante bei Kolt: Die, welche dieses Produkt begleiteten, formten, dachten und produzierten, waren ausschliesslich sehr fähige, intelligente und überzeugte Menschen, die öfters auch über sich hinausgewachsen sind und gemeinsam jeweils mehr erreicht haben, als die eine oder andere vielleicht erwartet hätte. Mit den allermeisten bin ich kollegial oder freundschaftlich verbunden. Wir helfen einander. Und auch jetzt entlasse ich mit einem weinenden Auge ausserordentliche Talente und besonders gute Charaktere in eine garantiert gute Zukunft, weil – sie einfach gut sind! Und was die Menschen ausmachen, die für und an Kolt gearbeitet haben, waren nicht nur die beruflichen Fähigkeiten, sondern gleichwertig ihre Offenheit, ihre Liebenswürdigkeit, ihre Überzeugung und Motivation, an was zu arbeiten, was man offensichtlich nicht nur für den eigenen Lohn, sondern zu einem grossen Teil intrinsisch für die Gesellschaft tut.
Ich danke euch. Arbeiten hat Spass gemacht mit euch!
Die Welt ist schön und traurig.
Dankbar und zuversichtlich, tschüss!
Vielleicht sehen wir uns in der Stadt.
Yves
I – Einen Kolt-Kumpan möchte ich ganz besonders erwähnen, der als Einziger neben mir regelmässig die ganze (verdammte) Zeit für Kolt arbeitete: Kilian Ziegler. Danke, Kili, dass Du Kolt stets in Deinem Herzen trägst. Und danke für Deine sensationelle, konstant gute, unterhaltsame und humorvolle Arbeit für diese Sache! Mach doch jetzt mal was «Anständiges» aus dieser gewonnenen Zeit! 😉
II – Solltest Du eine Frage, ein Anliegen oder sonstige Worte an mich oder Kolt richten wollen, dann schreib dies gerne auf hallo@kolt.ch oder an die Postadresse Verlag 2S GmbH, Vorderer Steinacker 3, 4600 Olten.
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Ich glaube, es war vor 13 Jahren – und nein, bitte jetzt nicht den Fokus darauf lenken, dass das schon mega lange her ist und ich langsam auf die Vierzig zugehe, das ist ein ganz anderes Thema, darüber spreche ich gerne ein Andermal (um genau zu sein: nie!) –, vor öppen 13 Jahren also, hatte ich die Idee, ein Kultur-Magazin zu gründen. Lustigerweise hatte Yves Stuber, damals unter anderem Betreiber des legendären Hinterhof-Skate-Shops „Lane“ die gleiche, oder immerhin ähnliche Idee. Über ein, zwei, vielleicht drei Ecken hörten wir das voneinander, sassen zusammen und beschlossen: Lass uns das gemeinsam machen, yes, ein Print-Magazin für die Stadt Olten. Fantastico! Da war uns wohl (noch) nicht bewusst, dass sich Print auf spinnt reimt.
Ideen wurden jongliert, unsere Brains wurden gestormt, Gespräche wurden geführt (untereinander wie auch mit Aussenstehenden, manche davon mit Ahnung) und so entstand das Konzept für das Magazin „Hmpf“ („Hmpf“ ist, einfach falls du dich fragen solltest, ein Ausdruck der Verwunderung und/oder des Frusts bei Comic-Figuren). Ein grossartiger, wenn auch nicht allzu opportuner Name. Item.
Nun, die Sache mit Ideen ist: Wenn man will, dass sie real werden, man muss sie (Überraschung!) umsetzen, man muss dranbleiben, Zeit, Geld, Geduld investieren. Um ehrlich zu sein, das war nie meine Stärke, überhaupt nicht. Ich war immer schon und bin immer noch einer, der dutzende Ideen im Kopf rumträgt, der Grosses herbeiträumt, der schwelgen kann in Fantasien. Doch in neunundneunzigkommaneun Prozent der Fälle – abgerundet! – bleiben die Ideen Ideen und finden früher oder später den Weg in mein inneres Archiv-Schublädli mit der Aufschrift „Nice, aber vielleicht doch nicht“. (Apropos nicht-umgesetzt: Ich hatte mal vor, es ist mehr als 13 Jahre her, ein Musical über einen Stuhltester (ja, richtig gelesen: Stuhltester!) zu schreiben, no joke! Falls es einen Gott, eine Göttin gibt, danke ich ihm oder ihr von ganzem Herzen dafür, dass das nie auch nur in die Nähe einer Umsetzung gekommen ist. Das wäre ein Katastrophe geworden. Gut, immerhin eine Katastrophe mit singenden Darsteller*innen, aber trotzdem.)
Ja, ich war immer verliebter in die Idee selbst, als in die Arbeit an der Idee, zu schnell werde ich müde, oder bin gefrustet (sage: „hmpf!“) oder langweilige mich an den konkreten Hürden, die es zu überwinden gilt. Ich weiss noch genau, wann der Punkt gekommen war, als mich unser Magazin, das mittlerweile, bzw. glücklicherweise, in Kolt umgetauft wurde und bei welchem nun auch Matthias Sigrist (herzliche Grüsse an dieser Stelle!) mitwirkte, zu stressen begann und ich wusste, dass ich aussteigen musste (oh, das reimt sich): Als es darum ging, eine GmbH zu gründen und pro Person 10’000 reinzubuttern (reinbuttern ist vielleicht das falsche Wort, weil das suggeriert, dass das buttrig-schmuuf passiert. «10’000? Easy Margarine! Hab ich grad im Portemonnaie, voilà! Mach 11’000 und kauf dir noch ’nen Kaffee…» So stieg ich aus – das dafür ziemlich buttrig-schmuuf.
Nun, warum erzähle ich das? Weil es gibt eben auch Menschen, die nicht nur Ideen im Kopf rumtragen und sie dort belassen. Es gibt auch Macher, Menschen, die so sehr an eine Idee glauben, dass sie nicht anders können, als daran Tag und Nacht zu arbeiten, Zeit, Geld und Geduld zu investieren, schlicht: alles, oft buchstäblich alles, zu geben, bis die Idee das Licht der Welt erblickt.
Yves Stuber ist so ein Mensch. Er hat Kolt nicht sterben lassen, er hat aus einer Schnaps-Idee eine mehr-als-ernstzunehmende Idee gemacht (wobei Schnaps wird er hin und wieder getrunken haben, weiss ich jetzt nicht genau) und ein Magazin erschaffen, das regelmässig die Kultur, die Fragen, das Leben einer Stadt abgebildet und dadurch mitgeprägt hat, so, dass das Magazin selbst zur DNA der Stadt geworden ist – einfacher gesagt: Kolt ist Olten und Olten ist ein stückweit Kolt. Yves ist auch drangeblieben, als es darum ging, hart an der Idee zu arbeiten, auch, wenn es vielleicht schwierig wurde, auch, wenn die Freizeit darunter hatte leiden müssen, auch, wenn zunächst nur wenige an Kolt geglaubt hatten und auch später immer wieder Kritiker*innen auf den Plan gekommen waren. Yves liess sich davon nicht beirren, er hatte eine Vision, hat sich Teams aus talentierten, engagierten Menschen zusammengestellt (sprich: auch Arbeitsplätze geschaffen und Personen eine Plattform geboten) und sich stets überlegt, wie man Kolt weiterdenken, umgestalten, verbessern könnte. So unermüdlich, dass ich mir jedesmal ein wenig lächerlich vorkomme, wenn ich an meine damalige Vision eines Magazins zurückdenke, die – eben – nur Vision geblieben ist.
Heute ist nach vielen Jahren die letzte Kolt-Ausgabe erschienen, überraschend wurde bekannt gegeben, dass sich Kolt und seine Macher*innen verabschieden (ich weiss es seit Montagnacht und bin immer noch schockiert). Wenn auch die obigen Zeilen stellenweise lüpfig anmuten mögen, bricht mir die Nachricht das Herz und ich bin sehr traurig.
Wenn ich richtig gezählt habe, habe ich fürs Kolt 108 Kolumnen geschrieben, 99 schriftlich, neun als Video, plus zwei journalistische Beiträge (über Karls Kühne Gassenschau sowie über Band Clapotis und den Gitarristen André Kunz). Es war mir eine Freude und Herzensangelegenheit Kolt von der ersten Stunde als freier Kolumnist (der immer, ohne eine einzige Ausnahme, schreiben durfte wie und was er wollte – oft war es sehr viel (hoffentlich immerhin bitz kultivierter) Chabis) begleiten und hoffentlich auch ein wenig mitgestalten zu dürfen.
Eigentlich gibt es nur etwas zu sagen (ich weiss, dafür habe ich jetzt schon sehr viel geschrieben): Danke Yves für deine Arbeit, es ist unglaublich, mit welchem Biss, welcher Professionalität und Ausdauer du Kolt erschaffen und Ausgabe für Ausgabe gepflegt hast. Du kannst stolz auf dich sein, ich bin es sehr! 13 Jahre, holy moly! Ganz viel Liebe von mir! Danke auch ans ganze Kolt-Team (jetzig, wie früher), an alle Wegbegleiter*innen (Düsli, Pierre, Nathalie, Christoph H., Roger, Finja, Yann,…), merci für all die vielen klugen Gedanken auf Blatt und Bildschirm.
Nach dem letztjährigen Aus für das geliebte und für die Stadt wie auch Kultur unglaublich wichtigen Coq d’Or, verliert Olten mit dem Kolt einen weiteren Leuchtturm, eine weitere Institution, die herzlich vermisst werden wird – von mir auf jeden Fall ganz sicher.
Danke Kolt,
La vache Kili <3