Geplantes Scheitern?
Eine der schönsten von Bert Brechts «Geschichten von Herrn Keuner» ist auch eine der kürzesten, nämlich «Das Wiedersehen»:
Ein Mann, der Herr K. lange nicht gesehen hatte, begrüsste ihn mit den Worten: «Sie haben sich gar nicht verändert.» «Oh!» sagte Herr K. und erbleichte.
Eigentlich ist das eine Oltner Geschichte. Käme ein ausgewanderter Oltner nach vielen Jahren in seine Heimatstadt zurück, müsste er feststellen, dass sich hier in der langen Zwischenzeit viel weniger verändert hat als im übrigen Mittelland, das er durchs Zugfenster wie eine Terra incognita entsetzt wahrnahm. Beim genaueren Erkunden erfreut ihn dann die Fachhochschule und die autofreie Kirchgasse; er muss dann aber hören, dass da ohne die Impulse des Kantons Solothurn nichts anders geworden wäre. Es mag sein, dass er sich im Flügelrad oder im Galicia einigermassen versöhnt vom traumatischen Rundgang durch Olten Südwest kuriert.
1983 bis 2001 habe ich das Oltner Kunstmuseum geleitet. Dass das Oltner Kunstmuseum mit den grossen Museen nicht konkurrieren kann, war mir immer bewusst. Das konnte kein Grund sein, dringliche bauliche Veränderungen nicht anzustreben. Das Haus war und ist nicht behindertengerecht; es fehlte und fehlt ein Lift, es mangelte und mangelt an Räumen für die Kunstpädagogik, die Depoträume waren und sind prekär. Kaum hatte ich mein Büro bezogen, sprach der Architekt Roland Wälchli vor, der Pläne mitbrachte für einen unterirdischen Ausbau und einen Liftturm auf dem Areal hinter dem Museum. Ein gutes Dutzend andere Vorschläge habe ich in den Folgejahren zu sehen bekommen und ins Stadthaus weitergeleitet. Herr Keuner, Sie haben sich gar nicht verändert …
Bekanntlich ist das Bessere der Feind des Guten. Die Veränderungsresistenz allein der Oltner Stadtregierung und -verwaltung anzulasten, wäre zu einfach. Natürlich hat sie sich soweit ich zurückschauen kann, nur engagiert, wo es dringend nötig war. Das Gemeindeparlament hat im gleichen Mass versagt, tat sein Möglichstes, den Feind des Guten vehement zu bekämpfen. (Vom Hörensagen tönts ein bisschen anders: Es waren nicht die Parlamentarierinnen, welche die Lösung «Natur- und Kunstmuseum-Verbund» verworfen haben; sie wurden quasi vor nackte Tatsachen gestellt und hatten die Möglichkeit, den Daumen rauf- oder runterzubewegen. Er ging hoch mit dem Zusatz eines Kostendachs. Viel mehr konnten sie gar nicht mehr unternehmen.)
Jedenfalls wurde die naheliegende und einfachste Lösung, das Kunstmuseum mit dem ehemaligen Naturmuseum zu verbinden, verworfen und ein Anbau ans Naturmuseum favorisiert. Ohalätz; da ragt künftig gemäss Wettbewerbsresultat ein Neubau etwa dreizehn Meter weit in den Platz der Begegnung, der nach jahrelanger Ödnis unterdessen tatsächlich zu einem Anziehungspunkt geworden ist, und in den Munzingerparkplatz vor. Da müssen Baumriesen und Parkplätze geopfert werden, da werden also verschiedene Interessen tangiert! Die beschwichtigenden Worte der Architektinnen sind Augenwischerei. Spätestens, wenn die Baugespanne aufgerichtet sind, werden die (eingeplanten) Konflikte ausbrechen.
Architekt Klaus Schmuziger äussert sich in einem Gespräch mit mir vorsichtig optimistisch zum Resultat des Wettbewerbs. Er meint:
Vielleicht ist beim Variantenentscheid und der Vorbereitung des Raumprogramms zu sehr auf einen starren und einengenden Perimeter mit dem Anbau selbst gesetzt worden. Die zurückhaltend inspirierenden Projektentwürfe zeigen das jedenfalls. Die Verfasser begnügten sich mit dem, was vom Auslober erwartet wurde, passten sich den Vorstellungen an.
Das präsentierte Siegerprojekt ist architektonisch sehr gut und gerechterweise als Gewinner einstimmig bestätigt worden. Das Modell und eine eher verhaltene Perspektive verraten aber gewisse Ungereimtheiten bezüglich des Kontexts. Der Munzingerplatz nämlich, wie auch dessen westliches Ende, der Platz der Begegnung, verbleiben als Stadträume in ihrer Art wie seit Generationen weiterhin unklar gefasst und werden so ihrer möglichen künftigen Bedeutung kaum gerecht.
Die Chance, mit dem Verdichten des Baublocks gegen den Munzingerplatz – diesem zusammenhängenden Ensemble – mehr Gewicht zu verleihen und so den Charakter des Hinterhofes (immerhin war dieses Areal von 1812 bis 1861 der städtische Friedhof) definitiv zu überwinden, ihm mehr Würde zu geben, ist nun bei der Überarbeitung zu ergreifen. Aus städtebaulicher Sicht sollte der Erweiterungsbau eben nicht als Rückseite, als Anbau, als unselbständiges Element, sondern als «die lesbare Adresse» präsentiert werden. Insbesondere auch als eigentliches Gegenüber des vor kurzem umgebauten Haus der Museen.
Es gäbe Lösungsansätze wie zum Beispiel die Trennung des Haupt- und des Erweiterungsbaus mit einem Zwischenraum in Form eines schmalen Lichthofes. So würde die Erweiterung des Museums massstäblicher und transparenter gegenüber innen wie auch zur arg tangierten Wangener Vorstadt erscheinen. Der Struktur der Innenstadt mit einem Gleichgewicht aus Baumasse und komplementär dazu gestalteten, öffentlich begehbaren Aussenräumen, insbesondere dem nun erwachsen werdenden Munzingerplatz als Ganzes, würde es guttun.
*Peter Killer (*1945 in Zürich) arbeitete als Volksschullehrer, Redaktor bei der Kulturzeitschrift «Du», Kunstkritiker beim Zürcher «Tages-Anzeiger», 18 Jahre als Kurator des Kunstmuseums Olten, Kleinbauer, Dozent an den Hochschulen für Kunst in Bern und Zürich. Organisator und Leiter von circa 150 Kulturreisen in ganz Europa. Zahlreiche Buchveröffentlichungen und Kataloge zur Schweizer Kunst. Lebt in Olten und Almens GR.
*Klaus Schmuziger (*1949 in Olten), Studium der Architektur an der ETH Zürich (Aldo Rossi) und ein Semester Accademia di Belle Arti in Florenz. Eigenes Büro seit 1978, Neugestaltung Stadtbibliothek 1993, Feuerwehrmagazin mit Stadtarchiv 2002 und Werkhof 2008. Arbeitsgemeinschaft mit Jürg Stäuble, Architekt BSA, Solothurn. Diverse städtebauliche Studien in Olten.
Wie beurteilst du den Entstehungsprozess und dieses Siegerprojekt?