Verloren im Blätterwald – wie kriege ich Gratiszeitungen los?
Zeitungen stapeln sich auf Zeitungen. Allwöchentlich klauben die Bewohnerinnen in der Region Olten zwei bis vier Gratiszeitungen aus dem Briefkasten. Gedruckte Zeitungen sollen passé sein? Nicht im Gäu, nicht im Niederamt – auch nicht in Olten.
In gewissen Haushalten landen die Zeitungen direkt im Altpapier. In anderen sorgen sie für ein Grundrauschen an Informationen zu Stadt und Region. Du gehörst zu Ersteren und willst eigentlich nur wissen, wie du die Zeitungen losbekommst? Dann spring direkt ans Ende des Artikels.
In diesem Beitrag nutzen wir die Gelegenheit, um dir ein Panorama zu den Gratiszeitungen, die in den Briefkästen der Region Olten landen, zu geben. Warum so viele? Wer steckt dahinter? Wann ist eine Zeitung eine Zeitung?
Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt, um dir im Blätterwald einen Überblick zu verschaffen. Aber wir massen uns nicht an, die publizistische Qualität der Zeitungen zu beurteilen.
Dass Kolt über das Medienpanorama berichtet, mag paradox erscheinen. Darum sei gleich an dieser Stelle klargemacht: Auch die Kolt-Redaktion gibt seit letztem Jahr eine Gratiszeitschrift heraus. Neunmal im Jahr erscheint das k!. Warum wir das tun und wie du das Blatt abbestellen kannst, erfährst du weiter unten – selbstverständlich.
Warum gibt es in der Region Olten so viele Gratiszeitungen?
Dazu müsste zuerst die Frage beantwortet sein: Ist die Dichte an Gratiszeitungen in Olten aussergewöhnlich? Wissen könnte dies die Post, da sie die Zeitungen zustellt. Weiss sie aber nicht: «Die Post erstellt keine spezifischen Auswertungen zur Dichte an verteilten Gratiszeitungen in bestimmten Regionen der Schweiz», schreibt die Medienstelle auf Anfrage.
Wagen wir ein kleines, nicht repräsentatives Zahlenspiel (neudeutsch: Fun Fact): Wenn Olten überaus viele Lokalblätter hat, müsste dann in der Kleinstadt nicht überdurchschnittlich viel Altpapier angehäuft werden? Und siehe da: Die subjektive Wahrnehmung, Olten schwimme in den Gratiszeitungen, lässt sich an dieser Zahl bestätigen.*
Das zeigt der Vergleich mit Aarau: In der Nachbarstadt sammelte der Werkhof letztes Jahr 55 Kilogramm Altpapier und Karton pro Einwohner ein. Und beispielsweise in der Stadt Basel, wo der Anzeiger digital erscheint, fallen pro Kopf und Jahr 53,4 Kilogramm an (neuste Daten für das Jahr 2020). In Olten waren es 61,2 Kilogramm (insgesamt 750 Tonnen Altpapier und 378 Tonnen Karton). Generell nahm die Altpapiermenge über die letzten Jahre kontinuierlich ab, was aber kaum an den Gratiszeitungen liegt. Die Kartonmenge nimmt derweil zu.
Der kleine Unterschied
Fakt ist: Das Phänomen der vielen Gratiszeitungen in der Region Olten ist nicht neu. Alle «Lokalblätter», die in die Briefkästen flattern, existieren schon seit Jahrzehnten (das k! ist die einzige Ausnahme) – die Neue Oltner Zeitung seit rund 27 Jahren, der Stadtanzeiger seit 90 Jahren und der Anzeiger Thal Gäu Olten seit über 140 Jahren.
Die letzten beiden Zeitungen sind nicht einfach «Gratiszeitungen», sondern erscheinen im Auftrag der Gemeinden – wie der Name es verrät – als Anzeiger. Optisch lassen sie sich nur unwesentlich von einer herkömmlichen Gratiszeitung wie der Neuen Oltner Zeitung unterscheiden. Die Anzeiger drucken zusätzlich amtliche Inhalte wie Baugesuche oder Traktandenlisten für Gemeindeversammlungen ab.
Die Gratiszeitungen sind so etwas wie der Seismograph der Gesellschaft. Mit unzähligen Kleininseraten vollgepflastert, stehen sie stereotypisch für das, was das Mittelland auszeichnet: Die zahlreichen KMU wie auch Vereine finden in den Gratiszeitungen eine Plattform und erreichen über diesen Kanal alle Haushalte. Das ist mit ein Grund, weshalb die Zeitungen rentabel funktionieren können, obwohl sie sich untereinander konkurrenzieren.
Damit zurück zur Frage, warum es in der Region so viele Lokalblätter gibt: Um die Reichweite zu erhöhen – also mehr Menschen zu erreichen –, bedienen die Verlage auch Gemeinden über das eigentliche Stammgebiet hinaus mit ihrer Zeitung. Besonders lukrativ ist dabei die Stadt Olten mit ihren über 11’000 Haushalten. Je grösser die Auflage, desto besser das Verkaufsargument bei Inseraten und Kleinanzeigen.
Die Verlage können bei Firmen und Interessensgruppen damit punkten, dass sie selbst jene Haushalte erreichen, die «Stopp-Werbung»-Kleber an ihrem Briefkasten angebracht haben. Weshalb das so ist, erklären wir weiter unten. Etwa der Anzeiger Thal Gäu Olten wirbt auf seiner Webseite explizit mit diesem Verkaufsargument.
Das sind die Gratiszeitungen der Region
Der Stadtanzeiger
Hinter dem amtlichen Publikationsorgan der Stadt Olten steht CH Media, einer der grossen Schweizer Verlage. Er gibt zugleich auch die einzig verbliebene traditionelle Tageszeitung, das Oltner Tagblatt, heraus.
Die Neue Oltner Zeitung
2017 kaufte SVP-Doyen Christoph Blocher den Zehnder-Verlag, der 24 Gratiszeitungen herausgibt. Eine davon ist die Neue Oltner Zeitung. Mittlerweile heisst der Verlag Swiss Regiomedia AG und er steht hinter 29 Titeln, die über die gesamte Deutschschweiz verteilt erscheinen. Die NOZ wird in 26 Gemeinden im Gäu, rund um Olten und im Niederamt vertrieben.
Der Anzeiger Thal Gäu Olten
Als Genossenschaft organisiert, ist der Anzeiger TGO seit über 140 Jahren das amtliche Publikationsorgan für 24 Gemeinden in den Bezirken Thal, Gäu und Olten (Ausnahme: die Stadt Olten). 2003 erweiterte der Anzeiger sein Verbreitungsgebiet nach Olten und Trimbach. An dieser Expansion hätten zahlreiche Firmen und Vereine aus den Bezirken Gäu und Thal grosses Interesse bekundet – daran habe sich bis heute nichts geändert, schreibt Geschäftsführer Jörg Kilchenmann.
Das Tatsch
Seit 1995 erscheint die Gratiszeitschrift. Heute wird sie von einer der letzten Oltner Druckereien Dietschi** herausgegeben. Thomas Müller als Besitzer und Geschäftsführer haut für die Publikation gleich selbst in die Tasten. Das Magazin erscheint in den Bezirken Olten und Gösgen.
Der Niederämter Anzeiger
Seit über 120 Jahren erscheint er im untersten Teil des Kantons Solothurn. Anders als andere Gratiszeitungen hat er nicht über den angestammten Bezirk hinaus expandiert. Verlagshaus ist die Widmer Druck AG in Schönenwerd, ein Familienunternehmen in der vierten Generation.
Das k! – ein Stück Kolt
Im Vergleich zu den traditionsreichen Gratisanzeigern ist die neue Gratiszeitschrift k! eine kleine Maus. Herausgegeben wird sie vom 2S Verlag, den Yves Stuber vor gut einem Jahrzehnt gründete, als er das Kulturmagazin Kolt ins Leben rief. Das k! ist primär ein Werbeinstrument für die heutige Lokalzeitung Kolt und es erreicht alle Haushalte in der Stadt Olten neun Mal pro Jahr.
Wie steht es wirtschaftlich um die Gratiszeitungen?
Kleininserate und – im Falle der offiziellen Publikationsorgane – amtliche Anzeigen sind das Lebenselixier der Gratiszeitungen. Wie sich die Konkurrenzsituation auf dem Werbemarkt auswirkt, dazu haben die Verlage unterschiedliche Haltungen. Urs Billerbeck, Geschäftsleiter der Neuen Oltner Zeitung, kommentiert knapp: «Sehr stark» sei die Konkurrenz zu spüren. Und fügt bei: «Der Erfolg einer Gratiszeitung hängt bestimmt immer stark von einem guten Verkaufsteam ab.»
Jürg Kilchenmann, Geschäftsführer des Anzeigers Thal Gäu Olten, hingegen schreibt: «Wir sehen keine besondere Konkurrenzsituation. Die meisten Titel sind bereits über zehn Jahre auf dem Markt, bei der Leserschaft etabliert und im Werbemarkt gesetzt. Man kennt und respektiert sich.»
Die Medienstelle von CH Media, der Herausgeberin des Stadtanzeigers, antwortet auf Anfrage: «Was amtlichen Anzeigern finanziell mehr Sorgen bereitet, sind die eingebrochenen Werbeeinnahmen.» CH Media verweist darauf, dass ein Grossteil der Werbeeinahmen an die Giga-Techfirmen (Google, Meta etc.) verloren gegangen ist.
Trotzdem lässt sich mit Gratiszeitungen noch immer Geld verdienen. Das zeigt das Beispiel des Anzeigers Thal Gäu Olten. Da er als Genossenschaft organisiert ist und den vertraglich gebundenen Gemeinden gehört, gibt der Anzeiger jedes Jahr seinen Gewinn bekannt: Auf rund eine Viertelmillion Franken belief sich der Überschuss in den letzten Jahren. Den Grossteil schüttet die Genossenschaft jeweils wieder an die Gemeinden aus.
Im Gegensatz dazu legen die Neue Oltner Zeitung und der Stadtanzeiger ihre Zahlen nicht offen. Die NOZ liesse sich profitabel herausgeben, schreibt Geschäftsleiter Billerbeck aber. Und CH Media antwortet lediglich, es sei «bedeutend schwieriger geworden».
Wann gilt eine Gratiszeitung als Zeitung?
Wie erwähnt ist die Reichweite der grosse Trumpf der Gratiszeitungen. Dank der Schweizerischen Post erreichen die Publikationen alle Haushalte – «ohne Streuverlust», wie die Post wirbt. Bei amtlichen Publikationen wie Anzeigern ist sie dazu verpflichtet, die Zeitung allen Haushalten zuzustellen. Anders sieht es mit nichtamtlichen Gratiszeitungen aus. Zu diesen zählen in der Stadt Olten das k!, das Tatsch, die Neue Oltner Zeitung und auch der Anzeiger Thal Gäu Olten.
In diesem Fall wägt die Post ab, ob die Publikation für die Leserin als kommerzielle Sendung einzustufen ist oder nicht. Sprich: Was als Werbung gilt und was als Gratiszeitung zulässig ist, entscheidet die Post. Die Medienstelle erklärt sich wie folgt:
«Bei den Gratiszeitungen werden mehrere Kundenanliegen an die Post herangetragen: Es gibt Leser, welche generell an Informationen aus lokalen Gratiszeitungen interessiert sind und diese auch ausdrücklich zu erhalten wünschen. Etwas komplizierter wird es im Falle der sogenannten ‹Stopp-Kleber-Briefkästen›. Hier gilt es zu unterscheiden zwischen Empfängerkunden, welche generell keine unadressierten Sendungen wünschen, und solchen, die trotz Stopp-Kleber durchaus an Gratiszeitungen interessiert sind und sich bei deren Nichterhalt vehement zur Wehr setzen.»
Wie wirst du die Gratiszeitungen los?
Darauf gibt die Post gleich eine eindeutige Antwort:
«Die Post löst die widersprüchlichen Kundenwünsche, indem sie es ihren Gratiszeitungsempfängern freistellt, sich auf eine sogenannte ‹Negativliste› setzen zu lassen. Anhand dieses Hilfsmittels erkennt das Zustellpersonal, welche Kunden ausdrücklich keine Gratiszeitungen wünschen. Das pragmatische Vorgehen bewährt sich in der Praxis.»
Die Kommentare der Kolt-Leser zeigen jedoch: Nicht in jedem Fall ist’s so einfach. Mehrfache Nachrichten oder Telefonate an die Verlage führten nicht in allen Fällen zum erwünschten Zustellungsstopp. In der Stadt Olten sollte dies aber für den Anzeiger Thal Gäu Olten und die Neue Oltner Zeitung funktionieren, wie die Verantwortlichen auf Nachfrage bestätigen. Eine Mail oder ein Anruf müsste in der Regel genügen.
Eine weitere Option ist es, explizite «Kein …»-Kleber für die jeweilige Publikation am Briefkasten anzubringen. Auch hier aber zeigt sich gemäss Leserinnen-Kommentaren, dass dies etwa im Fall vom Tatsch nicht zuverlässig funktionierte. Wer hingegen den amtlichen Anzeiger abbestellen möchte, muss bei der Gemeinde eine Verzichtserklärung einreichen.
Was will k! und wie kannst du es abbestellen?
Der 2S Verlag von Yves Stuber hat letztes Jahr als Herausgeber von Kolt zusätzlich mit dem k! eine neue Zeitschrift lanciert. Der Verlag will damit sämtliche Haushalte der Stadt Olten erreichen und so neue Kolt-Mitgliedschaften dazugewinnen. Zudem verlagerte sich so die Werbung in die Gratiszeitschrift k! – das Kolt-Magazin für bezahlende Abonnentinnen ist seit Anfang Jahr werbefrei.
Mit der Gratiszeitschrift ist der Kolt-Verlag mitschuldig am dichten Oltner Blätterwald. Auch fürs k! ist die Reichweite lukrativ, um Inserate zu generieren. Aber das Gute zum Schluss: Die Gratiszeitschrift lässt sich mit einer Mail abbestellen. Schreib deine Postadresse an abmelden@kolt.ch.
*In einer ersten Version schrieben wir irrtümlicherweise, in Olten werde weniger Altpapier verursacht als in Aarau und Basel. Die Zahl basierte aber auf falschen Daten: Aarau und Basel summieren das gesammelte Altpapier und den Karton, derweil der Werkhof Olten die Zahlen separat aufführt.
** Dietschi ist nicht die letzte verbliebene Druckerei, wie zunächst geschrieben. Mit der AZ Reproplan AG besteht noch eine zweite Druckerei, die auch grössere Druckaufträge ausführen kann.
Wie ist dein Verhältnis zu den Gratiszeitungen?
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Oft nervig, vor allem die mit sehr vielen Werbungen, wo die „richtigen“ Inhalte kaum mehr zu erkennen sind (looking at you, Gäu-Anzeiger). Aber zum Ausstopfen von nassen Schuhen sind sie super. Und ich blättere sie meistens auch durch, um ein bisschen up to date zu bleiben.
Danke für den Überblick. Leider bleibt die Frage offen, wie man das schlimmste Übel loswird, das zwar selten, aber zuverlässig erscheint und dessen Herausgeber, Chefredaktor und Beantworter von Nichtleser:innenanfragen gleichzeitig das häufigste Bildmotiv ist. Das zusammen mit der Dreistigkeit, ein Produkt mit dem sehr, sehr verunglückten Namen “Tatsch” tapfer in alle Haushalte zu schicken, zeugt definitiv von einem kräftigen Gutsch Selbstüberschätzung.
Nochmal einen Versuch einer Abbestellung an Tatsch-Müller gestartet. Ich bin wenig optimistisch über den Erfolg, aber die Hoffnung auf Briefkastenhygiene stirbt zuletzt.
Danke für den Hinweis. Ich habe nochmal bei der Post explizit bezüglich Tatsch nachgefragt. Die Publikation der Dietschi Print&Design AG wird von der Post zugestellt. Sie gilt nicht als Gratiszeitung, sondern als “offizielle PromoPost-Sendung”. Das heisst, sie geht sechs Mal jährlich an alle Haushalte im Verteilgebiet.
Warum das Tatsch nicht als “kommerzielle Sendung” gilt, erläutert die Post auf unsere Anfrage wie folgt: “Dabei kann davon ausgegangen werden, dass es aufgrund des Lokalbezugs dem Informationsbedürfnis einer breiten Öffentlichkeit entspricht.”
Für die PromoPost gibt es im Gegensatz zu den Gratiszeitungen KEINE NEGATIVLISTE. Das heisst, die Zustellung lässt sich nicht unterbinden. Einzige Möglichkeit bliebe also wie oben beschrieben ein Stopp-Kleber explizit für diese Publikation. Ob dies jedoch funktioniert, ist nicht sicher.