Wie sieht deine Stadt 2045 aus?
März 2006, im Feuerwehrmagazin finden sich 150 Personen ein, um über Oltens Zukunft zu sprechen. Die Diskussion orientiert sich an abgedroschenen Leitsätzen. Olten will die «Lebensqualität im weitesten Sinne» verbessern. Nun, welche Stadt, welche Gemeinde will dies nicht? Konkret wird aber die Debatte zur Frage: Wohin will Olten und was muss die Stadt verändern, was bewahren?

Vor gut 15 Jahren galten die Verkehrsprobleme, der schlechte Ladenmix und die fehlenden Verweilorte als Negativpunkte. Das Positive der Kleinstadt an der Aare: die geografische Lage, das «sensationelle Naherholungsgebiet», gute Wohnqualität und eine offene Bevölkerung.
Dies war die Disposition. Wie Bilder aus einer anderen Zeit scheinen die Aufnahmen aus dem Feuerwehrmagazin damals. «Olten 2020 – eine l(i)ebenswerte Stadt» war 2006 das Motto zum Leitbild. Mehr Raum für Begegnungen wünschten sich die Menschen. Dass der Langsamverkehr in der Innenstadt bevorzugt und oberirdische Verbindungen statt Fussgängerunterführungen geschaffen würden. Den Aareraum wollte die Stadt verstärkt nutzen.
Vieles klingt vertraut
Munzingerplatz – vom Eislauf bis zum Springbrunnen. So lautete die Vision der Arbeitsgruppe «Begegnungsräume Innenstadt». Der heutige Parkplatz sollte zum innerstädtischen Begegnungsraum werden. Auf ihm wünschte sie sich temporäre Ausstellungen, einen Platz für Gastronomie. Die Schützenmatte sah die Arbeitsgruppe als Naherholungsraum mitten in der Stadt. Ein neues Tor zu Olten sollte hier entstehen, mit Wiese, Verweilorten und Freizeitsport.

Den Fuss- und Veloverkehr ans Licht holen
Auch die Problematik der Stadtverbindungen war in den Nullerjahren aktuell. Den Visionen waren keine Grenzen gesetzt: Die Bevölkerung diskutierte über einen neuen Fussgängerübergang, der im Bereich der Winkelunterführung (alte Aarauerstrasse) über die Geleise zur Holzbrücke hätte führen können. Und der Fussgängersteg von der Bahnhofsunterführung Richtung Innenstadt war bereits dann ein Wunsch in der Bevölkerung. Ein Wunsch, der sich nicht im damals betrachteten Zeithorizont erfüllte.
Ein Busbahnhof gehörte zu den Plänen und mit ihm die Entflechtung des motorisierten Individualverkehrs und ÖV. Ebenso ein Parkhaus und Parkleitsystem. Denn es «gelte, die Strassen vom Suchverkehr zu entlasten und die Innenstadt zu beruhigen». Aber die vielleicht kühnste Idee war: eine Hochbahn für Schnellverbindungen zwischen Ost und West zum Bahnhof. (Was genau darunter zu verstehen war, blieb nicht weiter ausgeführt.)

Die Oltnerinnen wünschten sich mehr Begegnungsorte. Als langfristige Option war von einem Gemeinschaftstreffpunkt für alle die Rede. Die Idee keimte beim Mitwirkungsprogramm «Chance Olten Ost» erneut auf und ein eigener Trägerverein realisierte das Projekt wenig später. Mit dem Cultibo entstand im Bifangquartier ein Begegnungszentrum in einer Liegenschaft der Stadt. Als die Finanzlage Oltens schlecht war, verkaufte die Stadt das Haus. Das Cultibo konnte dennoch bis heute bleiben.
Kirchgasse statt Munzingerplatz
Wer heute, 15 Jahre danach, auf die Stadt schaut, stellt fest: Viele Ideen blieben Visionen. Einige setzt die Stadt in absehbarer Zeit noch um. Andere scheiterten an der Urne. Den geplanten Begegnungsraum auf dem Munzingerplatz mit dazugehörigem unterirdischem Parkhaus lehnten die Stimmberechtigten im Jahr 2010 ab. Doch bereits damals war klar: Die Stadt würde die danebenliegende Kirchgasse vom Verkehr befreien müssen. Dies verlangte der Kanton als flankierende Massnahme – also gewissermassen als Kompensation – zur Entlastungsstrasse Region Olten.
Daher ist erstaunlich, dass das vorgespurte Projekt im räumlichen Leitbild von 2008 unerwähnt blieb. Aber 2012 ging’s plötzlich schnell und innerhalb von gut einem Jahr hatte die neue «Piazza» die politischen Prozesse durchlaufen – ein Referendum scheiterte damals knapp. Mit der verkehrsbefreiten Kirchgasse wurde das für die Stadtentwicklung bedeutsamste Projekt der letzten zwei Jahrzehnte Realität. Martin Wey, der kurz nach der Einweihung der Kirchgasse das Stadtpräsidium übernahm, bezeichnete das Projekt als Symbol für den Aufbruch in Olten.

Nun denn: Die Kirchgasse blieb der grösste Wurf und dabei gilt zu bedenken, dass die Stadt ihn nicht selbst initiiert hatte. Es folgten die schwierigen Jahre mit dem Ausfall der Alpiq-Steuermillionen. Dem Loch in der Kasse fiel das Projekt Andaare zum Opfer. Dies, obwohl die Bevölkerung sich an der Urne dafür ausgesprochen hatte, dass die Stadt einen Fussgängersteg realisiert und den Ländiweg attraktiver gestaltet.
Beide Bausteine kommen verzögert doch noch: Mitten im Bau befindet sich der Ländiweg als neuer Aarezugang. Der Fussgängersteg wird kommen, wenn der neue Bahnhofsplatz entsteht. Anderes ging nur noch schleppend voran: Seit diesem Sommer verfügt Olten über das lange diskutierte Parkleitsystem. Für die Stadtteilverbindung nach Olten Südwest konnte die Stadt noch eine Lösung finden, nachdem die Bürgerlichen das Projekt verhindert hatten.
Weniger Potpourri, mehr Struktur
15 Jahre nach dem ersten Leitbild beginnt Olten den Prozess von neuem. Aber die Ausgangslage ist nicht vergleichbar mit damals. «Viele Themen waren in den Nullerjahren noch nicht gleichermassen auf dem Radar wie heute», sagt Marion Rauber an diesem Mittwochmorgen im August. Im elften Stock vom Stadthaus tritt sie erstmals als Baudirektorin vor die Medien. An ihrer Seite ist der neue Stadtpräsident Thomas Marbet. Auf den Tischen liegt der Entwurf des neuen räumlichen Leitbilds. Wie beim Leitbild 2020 schon geben Leitsätze eine Struktur vor. Wahrscheinlich haben es Leitsätze wie diese an sich: Sie prägen sich nicht ein und würden sich wohl beliebig auf jede Stadt ummünzen lassen.
Aber entscheidend ist nicht die Hülle, sondern der Inhalt. Und der ist vielversprechend. Mit einer Echogruppe (bestehend aus Vertreterinnen verschiedenster Interessensgruppen der Stadt) und der Baudirektion und Direktion Präsidium hat ein Brugger Planungsbüro den Entwurf ausgearbeitet. Das Leitbild 2020 bildete dabei die Basis. Das 55 Seiten starke Papier hat aber ungemein an Substanz gewonnen. Zunächst wurde der städtische Raum analysiert. Daraus hat die Baudirektion in einem ersten Prozess mit der Echogruppe definiert, wo sich Olten wie entwickeln könnte.
Noch ist nichts in Stein gemeisselt: Du kannst mitreden und deine Wünsche anbringen.
Hier sind die wesentlichen Punkte:
- Olten strebt ein Wachstum von jährlich rund einem Prozent oder rund 200 Personen an. Somit würde die Einwohnerzahl bis 2045 auf 23’000 bis 24’000 Menschen anwachsen.
- Der Entwurf legt fest, wo die Stadt sich entwickeln, wo sie das Siedlungsgebiet wahren und fördern, wo aufwerten und wo transformieren soll.



- Mobilität: Dies dürfte eines der umstrittensten Themen sein. Im vorliegenden Papier gibt die Stadt eine klare Linie vor: Sie will den Velo- und Fussverkehr in den kommenden Jahrzehnten stark fördern und den motorisierten Individualverkehr einschränken. Nur war Olten in den letzten Jahren in Mobilitätsfragen wesentlich weniger progressiv und urban geprägt als bei anderen Themen. Davon zeugt etwa die Absage an das Parkierungsreglement. Die Stadt möchte primär noch den «wirtschaftlich notwendigen motorisierten Individualverkehr» ermöglichen. «Heisst das, man will ohne Autos in die Zukunft?», fragte ein Journalist an der Medienorientierung. «Sagen wir es so, wir starten mit vielen Autos», erwiderte Stadtplaner Lorenz Schmid. Physisch sei das Strassennetz nicht mehr weiter ausdehnbar. «Wir möchten Anreize mit dem Velo schaffen, damit die Leute merken, dass man schneller mit dem Velo oder zu Fuss durch die Stadt kommt», sagte Stadtentwickler Markus Dietler. Auch gelte es künftig, die Parkplätze konsequent zu bewirtschaften. Dazu gibt es einen konkreten Auftrag vom Regierungsrat.

- Die Stadtseitenverbindungen sind an die Mobilität geknüpft. Hier gibt die Stadt klare Prioritäten vor. Kurz vor der Realisierung stehen der Fussgängersteg zwischen Altstadt und Bahnhof sowie die Personenunterführung Hammer. Weitere Schwerpunkte möchte sie am Sälikreisel und beim Postplatz/Winkel legen.
- Die Stadtplätze: Nach der verkehrsbefreiten Kirchgasse will die Stadt weitere Plätze als Freiräume nutzen. Der Munzingerplatz, die Schützenmatte, der Bahnhofplatz, der Klosterplatz und der Bifangplatz sollen aufgewertet werden. Im Entwicklungsgebiet Rötzmatt steht ein neuer Park zur Debatte.
- Die Dünnern soll in der Innenstadt revitalisiert und eventuell mit einer Promenade aufgewertet werden. Auf der rechten Stadtseite ist geplant, den Mühlitalbach abschnittweise im Siedlungsgebiet zu öffnen.
- Detaillierter wird das Strategiepapier bei den «Fokusgebieten»: Die Stadt hat sechs solche definiert. Neben den Entwicklungsgebieten Schützi, Neuhard, Bifang und Chlos gehören ein Hochhauskonzept und die Hauptachsen dazu.
Jetzt ist es an dir, mitzureden
Dies kannst du direkt auf dem Online-Portal der Stadt tun. Dazu musst du dir ein eigenes Konto anlegen. Du scheust diesen Aufwand, aber möchtest trotzdem deine Stimme zum räumlichen Leitbild abgeben? Kolt möchte bei diesem Prozess als Forum dienen und bietet dir die Möglichkeit, hier mitzudiskutieren. Die Gesprächsplattform bei Kolt ermöglicht den Austausch, auf welchen die Stadt wegen der Pandemie verzichtet. Wir werden das Ergebnis in der Mitwirkung einfliessen lassen.
Was wünschst du dir in der Schützi und an der brachliegenden Stationsstrasse? Wie soll es in Olten Südwest weitergehen? Welche Stadtseitenverbindung hat für dich Priorität? Wo würdest du als Stadtplaner auf der rechten Aareseite Schwerpunkte setzen? Was braucht Olten, damit du hier bleibst? Wünschst du dir ein Kolt-Treffen, an dem wir im lockeren Rahmen über die Stadtentwicklung diskutieren?
Teil uns deine Gedanken zum räumlichen Leitbild mit.