Wir schätzen ja euer Interesse, aber …
Eine geschlagene halbe Stunde Satire im Schweizer Fernsehen nur über Olten. Wird das nicht etwas gar langatmig? «Die Sendung wird von sich zu reden geben. Vor allem im Mittelland», versprach Dominic Deville. Eine kleine Wiedergutmachung sollte der Besuch des Comedians sein. Denn eines hat sich seit Giacobbo & Müller nicht geändert: Auch Deville zieht in seiner Late-Night-Sendung gerne immer wieder über Olten her.
Eigentlich haben wir uns daran gewöhnt. Ja, wir freuen uns fast schon ein wenig darüber. Die Aufmerksamkeit aus Zürich ehrt uns. Denn eines können die meisten Oltnerinnen: über sich selbst lachen.
Aus unerklärlichen Gründen befassen sich Schweizer Medien unglaublich gerne mit Olten. Schon die NZZ oder der Tagesanzeiger haben in den letzten Jahren die lobenden Töne für Olten bemüht und uns zu schmeicheln versucht. «Olten ist mehr als Umsteigen» – oder: «Olten: Lektionen in Demut». Darum: Muss es also sein, dass Deville in den Wiedergutmachungs-Chor einstimmt? Die Antwort, kurz und bündig: Nein. Seine Liebeserklärung hätte nicht sein müssen. (Obwohl dann unser geschätzter Kolumnist Kilian Ziegler nicht zu sehen gewesen wäre.)
Die versuchte Wiedergutmachung hat unsere Lachmuskeln nicht strapaziert. Wir hörten Sprüche über die Masse von Pedro Lenz («dem grössten Schriftsteller der Schweiz»), über den Schokoregen in der Oltner Industrie («die kaputte Lüftung hatte ein ‹Sprüngli›») und natürlich über den nackten Mann, der am Hotelfenster tanzt und die Boulevardmedien begeisterte. Das alles war ein wenig gar platt oder passte zu den üblichen Klischees zum schlechten Image Oltens. Auch das Stadtentwicklungsgebiet Olten Südwest – «es sieht aus wie ein Parkhaus» – fehlt in der Tirade über unsere Kleinstadt nicht.
Stapi Wey macht den besten Part
Der frischeste Moment der Sendung? Als Deville unseren bald scheidenden Stadtpräsidenten zu einem Spaziergang trifft. Hoch oben auf dem Stadthaus liefert Martin Wey die erste Steilvorlage: «Ich gehe nicht zu nah ans Geländer, weil’s mir sonst schlecht wird.» Deville erwidert: «Das kann ich gut verstehen. Aber nicht wegen der Höhenangst, sondern weil ich auf Olten runterschaue.»
«Jo höret uf.»
Martin Wey, Stadtpräsident von Olten
Durch die Innenstadt gibt sich Stapi Wey dann unverblümt, wie er es gegenüber den hiesigen Journalisten selten ist. Ja, Olten habe schon ein wenig italienisches Flair, denn auch in Italien gäbe es auf den Strassen nicht besonders viele Bäume. Und dann rühmt er vor den leerstehenden Ladenflächen an bester Lage den Mut der Oltner Liegenschaftsbesitzer, hier zu investieren.
Die Eingangsfrage, warum Olten einen schlechten Ruf hat, beantwortet die Satiresendung nicht. Wir nehmen’s Deville nicht übel. Das muss sie auch nicht. Auf der Suche nach einer Antwort findet Deville im «Blick»-Reporter Ralph Donghi einen Sündenbock. Möglich zwar, dass dieser mit seinen boulevardesken Beiträgen über Tötungsdelikte oder Unglücksfälle zum düsteren Bild des Mittellands beiträgt. Doch der satirische Angriff auf den Journalisten ist gar lang geraten.
Der Tanz durch die Stadt
Deville bilanziert: «Von aussen bist du dreckig und wüst, aber innendrin doch einfach schmuddelig.» Zum versöhnlichen Abschluss kommt mit dem «Olten-Song» Devilles persönliche Liebeserklärung an die Stadt. Für diese tanzt sich Deville unter anderem durch die schmuddeligsten Unterführungen der Stadt. Zugegeben, davon abgesehen ist der Song ganz ordentlich produziert.
Ein Ziel hat Deville mit seinem Besuch in Olten erreicht. Zu reden gab die Sendung wie von ihm prognostiziert. Zuverlässig bot die Facebook-Gruppe Olten das Gefäss dazu. Das sei schlechte Satire gewesen, so der Tenor. Ein Nutzer schreibt aber:
«Mich musste man quasi nach Olten zwingen … Wer kennt den Film ‹Willkommen bei den Sch’tis›? Etwa so ging es mir. Oltens herber Charme mag sich dem Auge des hastigen Betrachters nicht erschliessen, aber wer Olten erleben will, muss die Augen schliessen und auf sein Herz hören.
Satire über Olten ist ein Geschenk. Zum Trost: Es gibt Orte, die so hässlich sind, dass nicht mal das SRF darüber berichtet. Danke fürs Asyl!»
Das ist mal eine wahre Liebeserklärung.
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Keine Beachtung der schlechten Satire
Wie viel Aufmerksamkeit eine Satiresendung immer noch auf sich zieht, finde ich einmal mehr sehr erstaunlich. Ich habe mir die Sendung leider angesehen, obwohl ich sie noch nie lustig oder intelligent, tiefgründig oder in irgendeiner Weise prosperierend fand. Die Kunst der Satire, damit sie dem Menschen etwas bringt, braucht viel mehr als schlampige Witze, die eigentlich nur beliebig herumgeschleudert werden. Welche Haltung ist hier gemeint, wenn SRF schreibt, Deville biete Unterhaltung mit Haltung? Und Schwachsinn bleibt Schwachsinn, da ändert der Stil auch nichts daran, vor allem wenn hieraus pure Herablassung aus eitlem Ego spricht.
Wir würden besser tun, diese Statements nicht zu beachten, um diese Art von Unhumor nicht auch noch zu nähren. Aber da muss ich mich selber an der Nase nehmen und gar nicht mehr einschalten!
Ursula Dreier
Zitat Ursula Dreier: “Die Kunst der Satire braucht mehr als schlampige Witze …”
Dem kann ich nur beifügen: Vom 7. November bis 12. November kann sich jedermann sehr gerne davon überzeugen, dass Satire intelligent, witzig, bissig und noch vieles mehr sein kann.
Wo? Natürlich in Olten 🙂
Lieber Claude, du darfst sehr gerne auch einen Link im Kommentar platzieren 😉 Die Kabarett-Tage finden natürlich auch in der gedruckten Kolt-Zeitung ihren Platz…
Die Sendung fand ich insgesamt ziemlich lustig. Hätte man auf die Flachwitze verzichtet, wäre sie kürzer und knackiger gewesen.
Lebt man lange genug in Olten, ist es allemal besser, über einige der in der Sendung erwähnten Dauerärgernisse zu lachen, als sich jahrelang darüber aufzuregen. Und seien wir ehrlich: wirklich lustiger waren die anderen Comedy-Sendungen des SRF in den letzten Jahren auch nicht.
Wir wissen zwar trotz der Sendung noch immer nicht, ob Olten SüdWüst als der Donghi unter den Siedlungen der Stadt bezeichnet werden müsste, aber pietätlos wäre das sicher nicht.