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Brauche ich eine dritte Säule?

Es ist trocken, es ist kompliziert, aber es lohnt sich. Gerade Frauen müssen zwingend beginnen, sich aktiv um ihre Altersvorsorge zu kümmern. Kolt klärt warum.
18. März 2022
Text: Livia Stalder, Fotografie: Timo Orubolo

Aus verschiedenen Gründen verfolgen mich in letzter Zeit Fragen rund um die Altersvorsorge. Und dabei bin ich noch nicht einmal dreissig Jahre alt. 

Da ist zum Beispiel der Finanzchef meines Arbeitgebers, der sich mit mir meinen Vorsorgeausweis der beruflichen Altersrente anschauen will – sollten Sie auch unbedingt einmal tun. Dann sind da noch zwei Anzugträger, die sich gerne um meine private Vorsorge kümmern möchten und mir jede Menge Zahlen um die Ohren hauen. 

Gründe genug, mich mit der Thematik tiefer auseinanderzusetzen. Also habe ich mich durch Artikel, Dossiers und Studien gekämpft, bis mir der Kopf rauchte. Konklusion: Wir alle müssen uns zwingend und gründlich über die eigene Altersvorsorge informieren. Zum allgemeinen Verständnis erst ein Abriss über unsere Altersvorsorge. Wirklich nur kurz. Versprochen.

Das Schweizer Vorsorgesystem ist darauf ausgelegt, dass wir im Alter trotz Pension ein geruhsames und finanziell unabhängiges Leben leben können. Das System baut auf drei Säulen. 

Die erste ist die AHV. Obligatorisch für alle deckt sie die Grundbedürfnisse im Alter. Die berufliche Vorsorge als zweite Säule soll den gewohnten Lebensstandard der Erwerbstätigen sichern. Zusammen entsprechen diese beiden Säulen aber gerade mal 60 % des Einkommens vor der Pension. Nun fehlt nur noch die freiwillige dritte Säule, die der individuellen Aufbesserung der Rente dient.

Nun klingt dies in der Theorie solide. Funktioniert jedoch nur, wenn man jahrzehntelang und hochprozentig arbeitet. Nur dann hat man gute Chancen auf eine hinreichende Rente aus erster und zweiter Säule. Wer einmal längere Zeit nicht arbeitet oder nicht arbeiten kann, hat im Alter das Nachsehen. 

Und genau hier ziehen Frauen oft den Kürzeren. Es sind vor allem sie, die Teilzeitarbeit leisten. Es sind vor allem sie, die eine Auszeit für die Familie nehmen. Und es sind vor allem sie, die leider noch immer mit tieferen Löhnen zu kämpfen haben. Deshalb sind die Renten von Frauen rund ein Drittel niedriger als jene der Männer.

Neben diesen aufs Individuum bezogenen Faktoren beeinflussen noch andere Umstände die Altersvorsorge. Sie betreffen uns alle und davon können wir fast wöchentlich in den Medien lesen: Wir leben immer länger, der AHV-Topf hat zu wenig Geld und die monatlichen Renten der Pensionskasse werden laufend nach unten korrigiert. Zudem wächst aufgrund der volkswirtschaftlichen Situation das Kapital der Pensionskassen kaum. 

Es müssen Lösungen her. Die Politik will die Hebel an verschiedenen Orten ansetzen. Lohn- und Steuerbeiträge sowie das Rentenalter erhöhen und Renten kürzen. Doch die Rentenreform wird im demokratischen Prozess ausgehandelt. Wie lange das dauert, steht in den Sternen. Wenn überhaupt. 

So, nach diesem Exkurs konnte ich nun endlich den Schluss ziehen: Ja, wir brauchen eine dritte Säule, weil die staatliche Altersvorsorge unter Umständen nicht ausreichend ist. 

Dies sagen mir auch die beiden adretten Männer, die da in meinem Wohnzimmer sitzen. Gekommen sind sie mit einem meiner Freunde, der mich vor Kurzem anrief, ob ich denn Interesse an einer Finanzberatung habe. War mir recht. Nun sitzen sie da in ihrem Anzug, ich in Trainerhose und Baseballcap. «Je früher Sie in die Altersvorsorge investieren, desto mehr profitieren Sie», sagen die zwei. Dies hat mit der Anlagedauer und den daraus resultierenden Zinseszinsen zu tun. 

Zugegeben, im Angebotsdschungel der dritten Säule ist es schwierig, sich zurechtzufinden. Weil ich weder die Zeit noch die Musse habe, mich zur Hobbyfinanzexpertin weiterzubilden, bin ich froh um die Anzugträger. Sie machen mir einen Vorschlag, den ich ablehnen oder annehmen kann. In Trainerhosen und Baseballcap übernehme ich denn also Verantwortung für meine persönliche finanzielle Zukunft.

*Livia Stalder hat früher in Olten Ballett getanzt und ihr erstes Geld – äs Füfzger-Nötli – als Journalistin bei Kolt verdient. Heute tanzt sie in Zürich zu Techno, kommuniziert für eine NGO in Bern und schreibt Kolumnen für Kolt.


Hast du eine dritte Säule? Seit wann? Hast du dich beraten lassen und wie war’s?

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