Den Block schliessen
Lassen wir für einen kurzen Augenblick die Debatte, ob es in Olten ein (neues) Kunstmuseum braucht, ausser Acht. Nehmen wir gedanklich vorweg, dass wir uns in Olten ein zeitgemässes, neues Museum leisten möchten, und seien wir davon überzeugt, dass dieses sehr zentral liegen soll. Richten wir unseren Fokus daher auf die angedachte Umsetzung des Vorhabens. Anfang des Jahres hat die Stadt nun das Verfahren zum selektiven Architekturwettbewerb gestartet. Dies, nachdem das Parlament im letzten Jahr den entsprechenden Kredit gesprochen und damit der Verwaltung den Auftrag erteilt hat. Das neue Museum soll demnach an der Kirchgasse 10 Platz finden, im denkmalgeschützten Gebäude also, welches bisher als Naturmuseum diente. Damit das Raumprogramm fürs künftige Kunstmuseum untergebracht werden kann, muss das Gebäude aber mit einem Anbau hin zum Munzingerplatz beziehungsweise Platz der Begegnung erweitert werden. Das bisherige Gebäude des Kunstmuseums an der Kirchgasse 8 soll umgenutzt oder ersetzt werden. Was auf den ersten Blick naheliegend erscheint, nämlich den Anbau im «Hinterhof» beim Parkplatz zu setzen, kommt bei näherer Betrachtung vielleicht etwas «unmotiviert» daher und scheint eher von Opportunismus als von Strategie getrieben – unter dem Motto «da hat’s Platz, da kommt er hin».
Welches Potenzial bietet aber diese wichtige innerstädtische Lage? Erzielt die für Olten doch ansehnliche Investition von 14 Millionen Franken für das neue Kunstmuseum eine angemessene Wirkung?
Man darf sich zu Recht fragen, ob oder inwiefern mit dem bisher eingeschlagenen Weg die richtigen Weichen gestellt werden. Ist diese Art von Erweiterung mit dem Anbau auf dem Munzingerplatz städtebaulich wirklich schlüssig?
Das Projekt Kunstmuseum sollte mehr als einen neuen Kunstraum schaffen. Dies ist nur schon angesichts der veranschlagten Investitionen in der Höhe von 14 Millionen Franken und den um ein Mehrfaches höheren Folgekosten für Betrieb und Unterhalt angezeigt. Solche Mittel «nur» für die Kunstvermittlung und -bewahrung auszugeben, ist in Anbetracht der Vielseitigkeit öffentlicher Aufgaben sowie den finanziellen Rahmenbedingungen der Stadt wenig nachhaltig und zu hinterfragen. In Olten bieten sich zudem wenig Gelegenheiten, innerstädtische Flächen zu entwickeln und damit den Forderungen des Bundes einer «Siedlungsentwicklung nach innen» nachzukommen. Der Munzingerplatz ist einer dieser wenigen Orte in Olten in städtischem Besitz. Dieser wird heute als versiegelter Parkplatz genutzt und ist aus ökonomischer Perspektive damit wenig effizient – und wenig attraktiv. Ein Politikum, welches seit ewiger Zeit der Klärung bedarf. Und mit dem geplanten Erweiterungsbau für das Kunstmuseum werden die städtebaulichen Weichen weiter gestellt, was die Entwicklungsmöglichkeiten dieser innerstädtischen Fläche betrifft.
Eine Entwicklungsmöglichkeit, die sich anbietet, wäre ein L-förmiger Neubau, welcher den Block «Munzingerplatz» schliessen würde. EG und erstes OG könnten das neue «Haus der Kunst» beherbergen. Es gäbe Raum, in dem sich eine Museumsnutzung einfacher und damit günstiger als in einem Altbau realisieren liesse. Flexibel in der Raumeinteilung und betrieblich effizient. Das Volumen gäbe einerseits der Westseite der Stadtkirche ein starkes Gegenüber, andererseits würde zwischen Neubau und Wangner Vorstadt, Haus der Museen und Kirchgasse ein innerstädtischer Raum entstehen, der für mehr als nur Fasnacht und Chilbi dienen kann. Die Parkplätze würden geopfert; dies nimmt aber nur die Zukunft der autofreien Innenstadt vorweg, welche in ein paar wenigen Jahrzehnten sowieso Realität wird. In den Obergeschossen würde gewohnt. Wohnen im Stadtzentrum ist ein Konzept, das die Stadt bereits für das Gebäude an der Kirchgasse 8 ins Auge gefasst hat und dem sowieso mehr Fläche zugesprochen werden sollte. Die Ansiedlung von Wohnen ist eine wirksame Massnahme, um eine (Innen)Stadt zu beleben, und steht dabei ganz im Zeichen einer zukunftsfähigen Stadtentwicklungspolitik (kurze Wege, hohe soziale Dichte, gemischt genutzte Innenstadt). Hierzu trägt auch der öffentlich zugängliche Innenhof bei. Dieser ist begrünt, nicht versiegelt und mit grosskronigen Bäumen versehen – eine innerstädtische Oase, welche auch einen Beitrag zu einem guten Stadtklima leistet.
Durch diesen Neubau würden die Gebäude an der Kirchgasse 8 und 10 nicht für ein neues Kunstmuseum gebraucht und könnten so anders genutzt werden. Auch hier könnte in den Obergeschossen gewohnt werden, dadurch liessen sich die Erdgeschosse durch Mieteinnahmen quersubventionieren und als multifunktionale öffentliche Räume nutzen, betrieben durch die Stadt. Es könnten aber auch die Bibliotheken oder ein Kindergarten einziehen. Die Möglichkeiten sind mannigfaltig.
Sicherlich wären die Investitionen in diesen Neubau deutlich höher als 14 Millionen Franken. Nur würden diesen Investitionen Erträge in Form von Mieteinnahmen gegenüberstehen. Diese könnten wiederum in Form von Betriebsbeiträgen an das «Haus der Kunst» oder andere öffentliche Aufgaben und Angebote in der Innenstadt verwendet werden. Und wenn die Stadt lieber keine Wohnungen an guten Lagen selber erschaffen und besitzen möchte, bietet sich die Möglichkeit eines Baurechts an einen Investor an; die Stadt behält den Boden und nimmt auf Jahrzehnte Zinsen ein. Man muss nur wollen.
Sollte das neue Kunstmuseum jedoch wie jetzt vorgesehen in der Kirchgasse 10 untergebracht werden, sollten zumindest die zusätzlich notwendigen Räume in einem attraktiven Ersatzneubau am Standort des heutigen Kunstmuseums geschaffen werden. Beispielsweise mit einem multifunktionalen Foyer auf Strassenniveau (was hier im Gegensatz zur Hausnummer 10 möglich wäre), welches sich sowohl zur Kirchgasse wie auch dem neuen Platz hin öffnet und diese zwei Bereiche stärker verbindet. Und nebst der zentralen Adresse des Museums wäre auch dies ein vielseitig bespielbarer Raum zur Unterstützung von Anlässen in der Innenstadt. Auch dadurch könnte der städtebaulich fragwürdige Anbau vermieden werden.
Altbau versus Neubau bei Museen von Michael Bertschmann Museen in Altbauten sind geschichtlich bedingt an der Tagesordnung; meist sind die Häuser der Institutionen bereits mehrfach erneuert oder erweitert worden. Üblicherweise treten die oft tiefschürfenden bautechnischen Klimmzüge dank ansprechender Architektur in den Hintergrund. Im Falle eines Museums fordert alleine der hohe Öffentlichkeitsgrad und damit die Personenbelegung kompromisslose Entfluchtungskonzepte, andererseits volle Behindertengerechtigkeit. Für eine zukunftsfähige, flexible Bespielung sind Strukturen hilfreich, welche veränderbare Räume und passende Erschliessungswege zulassen. Schwere Exponate erfordern von der Gebäudestatik hohe Einzellasten und durchgehende Logistikwege. Bei einem Kunstmuseum wird aus konservatorischen Gründen eine hohe Klimastabilität sowie ein optimal kontrollierbarer Tageslichteinfall angestrebt, was entsprechende Anforderungen an Gebäudetechnik, aber auch Fassaden stellt. Es mangelt nicht an guten Beispielen, wie sämtliche Anforderungen jeweils überzeugend umgesetzt werden konnten. Doch die Frage nach der Verhältnismässigkeit sollte immer gestellt werden, gerade wenn sich durchaus auch die Option eines Neubaus anbieten könnte. Michael Bertschmann war zuständig für die Ausführungsplanung des Erweiterungsbaus des Kunstmuseums Basel und involviert in die Sanierung des Landesmuseums Zürich. |
Studio Olten
Das Studio Olten beobachtet (kritisch) die städtebauliche Entwicklung von Olten und erlaubt sich hie und da selber Vorschläge, welche als Anregung einer vitalen Diskussion dienen sollen. Das Studio setzt sich zusammen aus Michael Bertschmann (dipl. Architekt FH), Christian von Büren (M. Sc. Urban Management) und Matthias Sigrist (dipl. Ing. FH Bauprozessmanagement) und damit aus Fachleuten aus den Bereichen Architektur und Städtebau, Areal- und Immobilienentwicklung sowie Urban Management und der Stadtökonomie mit Erfahrungen aus Tätigkeiten bei der öffentlichen Hand, Bundesbetrieben und der Privatwirtschaft.
Wie schätzt du diese Idee ein?
Schreiben Sie einen Kommentar Antworten abbrechen
Sie müssen angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Ich wünschte mir vielmehr ein grosszügiges Glasdach als offene Konstruktion über dem Munzingerplatz. Dieser könnte in seiner heutigen Gestaltung und Grösse als offener, aber gedeckter Marktplatz genutzt werden. Wir benötigen in der Innenstadt belebendes Gewerbe und Handel. Das macht eine Innenstadt attraktiv.
Das wäre die Gelegenheit für Olten, etwas Spannendes auf die Beine zu stellen. Ideen wären da; die Frage ist, ob der Wille zur Zusammenarbeit vorhanden ist.
Eine pragmatische Idee wäre ja, das Ensemble Platz der Begegnung, Munzingerplatz und auch Kirchgasse als Zentrum der Altstadt zu öffnen. Parkplätze weg und eine kostenlose ÖV-Anbindung zu nahen Parkfeldern.
– Kunst und Kultur sollten Platz haben
– Buvetten und Sitzgelegenheiten auf allen Plätzen
– Infozentrum der Stadt (Olten Tourismus)
– für Bewohnende und lokale Vereine günstig mietbare Versammlungsräume mit Vorführmöglichkeiten und Küche
– Wohnräume
– Multi-Paketshop und Hauslieferdepot für Lieferdienste
– Quartierzentrum
– Kitas könnten sich einmieten
– Kleingewerbe einbeziehen
Vorteil wäre ja, dass durch eine grössere Mischung auch die Kunst auf mehr Publikum trifft, da das ganze Haus für temporäre und langfristige Ausstellungen einsehbar ist.
Den Nutzen von öffentlichen Gebäuden für eine möglichst breite Bevölkerung möglich zu machen, sollte meiner Meinung nach im Vordergrund stehen. Ein zentraler Mitmachwettbewerb für die Bevölkerung wäre sehr toll und ein Zeichen für demokratisches Verständnis der Beteiligten.
Sehr interessante Idee! Auf weitere Beiträge des Studio Olten bin ich gespannt (nicht nur in Bezug auf das zu erneuernde Kunstmuseum).
Der Munzingerplatz hat durch seine ausgezeichnete Lage und sein Potential die Aufmerksamkeit verdient. Daher ist der Anstoss zu einer Diskussion über diesen Ort und dessen Beitrag zum Lebensraum in Olten zu begrüssen. Der skizzierte Entwurf, welcher städtebaulich und architektonisch weder auf den Standort noch dessen einzigartige Umgebung eingeht, zeigt, dass die inhaltliche Auseinandersetzung noch bevorsteht. Freiflächen spielen bei der qualitativen Innenentwicklung eine wichtige Rolle und solche ausgezeichneten Orte, inmitten wichtiger und identitätsstiftender Bauten der Stadt, verdienen einen sorgfältigen Umgang.
Danke, Herr Schneider, für die knackig-scharfe Einschätzung. 😉 Ja, richtig, die Anregung des Studio Olten soll als solche verstanden werden. Sie ist als Denkanstoss und als Kritik des bevorstehenden Wettbewerbsprogramm zu verstehen, das sich einzig auf die Nutzung eines Kunstmuseums konzentriert und weder das gesamte “Hübeli-Areal” ( vgl.: https://www.dropbox.com/s/dizdt999fvq2t29/sbz-002_1929_93_SP_170_d.pdf?dl=0 ) noch die Innenstadt übergeordnet thematisiert. Dies zu einem äusserst schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnis. Wir warten quasi, bis das Projekt an der Urne vernichtet wird, damit wir dann eine inhaltliche und intellektuelle Auseinandersetzung führen können, die etwas weitergeht als dieses aktuelle, eher von Verzweiflung getriebene Vorhaben. Das ist meine persönliche Einschätzung. Der Link führt zur Schweizerischen Bauzeitung von 1929 mit den Siegerprojekten des Wettbewerbs zur “Überbauung des Hübeli-Areals”. Diese lassen zwar den Munzingerplatz freier als obenstehender Vorschlag, aber trugen – in der damaligen Situation – allesamt zu einer sinnvolleren Verdichtung und Nutzung des öffentlichen Raums mit interessanten Zwischenräumen bei. Der Vorschlag “Block schliessen” mag nicht ausgereift sein, er versucht jedoch eine gesamtheitlichere Betrachtungsweise mit Einbezug der Ziele von Raumplanung und Stadtentwicklung sowie sinnvollem Einsatz von Investitionsgeldern. Sollte es an diesem Standort und bei einer Summe von 14 Millionen Franken nicht um etwas mehr oder um eine grössere Wirkung gehen, als einen Platz für ein (wenig definiertes) Kunstmuseum zu finden/schaffen? On verra.
Absolut bei Ihnen. Die Verbauung des Munzingerplatzes inkl. Wegfall von wunderbaren Bäumen ist eine ziemlich unreflektierte Idee. Bei mir löst diese nun leider auch wenig Anregung, ein bisschen Aufregung aber v.a. Kopfschütteln aus 🙂
In dieser Idee steckt ein Punkt, der mir sehr gefällt: die gemischte Nutzung mit öffentlichem Bereich, Geschäft und Wohnen.
Gerade diese Mischung ist eine Chance für nachhaltiges Leben in eine Stadt. Nur auf eine Seite ausgerichtete Häuser haben logischerweise auch einseitige Interessen, Bedürfnisse, Anforderungen und Auswirkungen.
Für die Zukunft eines regionales Zentrums wie Olten ist die Vielfalt möglicherweise der entscheidende Standortvorteil. Alles ist da und alles ist nah.
Also weiter so denken, dann kommts gut.