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Der grosse FC Basel im Niederamt: Wenn zwei Fussballwelten aufeinandertreffen und die Niederlage zur schönsten Nebensache wird

Zwanzig Minuten hielt Schönenwerd-Niedergösgen im Cupspiel gegen das grosse Basel die Null. Etwa so lange interessierte das Resultat. Davor und danach war das «Spiel des Jahrhunderts» ein grosses Dorffest. Wir haben die Mannschaft aus dem Niederamt auf ihrer Reise begleitet.
16. August 2021
Text: Joshua Guelmino, Fotografie: Timo Orubolo

Gut zwei Stunden vor Spielbeginn

Ein erster FCB-Fan am Bahnhof in Schönenwerd.

12:00 Gut genährt ans Spiel des Lebens

Um Punkt 12 Uhr schwingen die automatischen Glastüren beim Hotel Storchen auf. Hinaus treten Spieler und Staff des FC Schönenwerd-Niedergösgen, angeführt von Trainer Yannick Kühni. Einheitlich in den Vereinsfarben Rot und Schwarz gekleidet verlassen sie das klimatisierte Hotel – raus in die schwüle Mittagshitze. Etwas währschafter gehen sie die Stärkung vor dem grössten Spiel der noch jungen Vereinsgeschichte an: «Klassisch: Spaghetti mit Tomatensauce und Poulet», gibt Assistenz-Trainer Daniel Ludäscher zu Protokoll und begibt sich mit seinen Schützlingen auf die kleine Reise vom Storchen durch den malerischen Bally-Park ins Inseli.

12:10 Hoffen auf den Sturm

Dicke Tropfen fallen auf die Erde, Blitze zucken über den Himmel, der Donner grollt. Eilig suchen Spieler und Trainer Zuflucht in einer kleinen Höhle im Bally-Park. Zusammengepfercht witzeln sie über das Wetter. Von den Wetterkapriolen lässt sich niemand aus dem Konzept bringen: «Nasser Rasen kommt uns vielleicht sogar entgegen», erinnert Trainer Kühni schelmisch an eine alte Fussballweisheit.

12:20 Bringen die Rituale das Glück?

Der Regen verzieht sich und der FC SchöNie nimmt den restlichen Weg zum Sportplatz Inseli in Angriff. Einige Spieler gönnen sich noch eine kleine Pinkelpause im Gebüsch, andere nutzen die Zeit, um den Gameplan in Erinnerung zu rufen: «Es ist schwierig, sich auf einen solchen Match vorzubereiten. Das Wichtigste ist, Freude zu haben und Fussball zu spielen», erklärt Stürmer Roman Berner. Eine kleine Portion Aberglaube und Routine spielen im Leben von Fussballern, egal ob Profi oder Amateurin, eine grosse Rolle. So geht es auch dem 18-jährigen Goalie Michael Simic: «Vor jedem Spiel ziehe ich immer erst den linken Handschuh an. Das mache ich sicher auch heute so.»

12:25 Das Spiel des Jahrhunderts

Nach einer kurzen Passage durch den Wald erreicht der Tross des FC SchöNie endlich den Sportplatz. Imposant ragt die improvisierte Tribüne in den Himmel, garniert mit Banner und Fahnen der Gemeinden Schönenwerd und Niedergösgen. Fans beider Lager strömen auf das Gelände und aus den Lautsprechern begrüsst der Speaker die Besucherinnen zum «Spiel des Jahrhunderts». Die Spieler klatschen noch einmal bei Freundinnen und Familie ab und begeben sich in die Garderobe der Mehrzweckhalle. Noch ist die Vorfreude stärker als die Nervosität. «Sobald wir aber auf dem Rasen stehen und die vielen Fans sehen, fängt das Herz an zu rasen. Dann kommt die Nervosität», so Captain Fabio Liloia.

12:55 Ankunft der Profis

Im Schritttempo rollt der Teamcar des FC Basel durch den Besucherstrom. Abgedunkelte Fenster verbieten den Blick auf die Stars, während der imposante rot-blaue Teamcar auf den Parkplatz einbiegt. Hastig steigen die Profis aus dem Car und verschwinden sofort im Bauch der Mehrzweckhalle, Sicherheitsordner sorgen für den nötigen Abstand zu den Besuchern. Die Stars bleiben vorerst unnahbar. Lennox, Lean und Moritz begleiten die Ankunft der FCB-Stars mit lautstarken «Hopp-SchöNie»-Rufen. Auf die Frage, ob sie nach dem Spiel Unterschriften holen oder Selfies mit den Basel-Spielern machen, kommt ein entschiedenes «Neeeeeeii, sicher ned! Mer sind voll für SchöNie!».

13:05 Nette Wünsche aus dem anderen Fanlager

«Sehr dicke Sache, was hier auf die Beine gestellt wurde. Für die Stimmung wäre es grossartig, wenn dem FC SchöNie ein Tor gelingen würde, obwohl ich nicht wirklich dran glaube», meint FCB-Fan Dominik, der extra aus Basel angereist ist.

Besucher Dominik scheint eine gewisse Arroganz bei den Spielern des FC Basel festgestellt zu haben: «Normalerweise kommen sie zwei Stunden vor dem Spiel an. Hier sind sie gerade erst angekommen. Das zeigt schon, dass sie das etwas auf die leichte Schulter nehmen. Hoffentlich wird das heute bestraft.»

13:05 Fussballfest in der Provinz

Auf dem Gelände zeigt sich dann der familiäre Dorffest-Charakter des Events. Der Grill brutzelt, das Bier fliesst und neben den Beachvolley-Plätzen spielt jemand Alphorn. So erhält das Stadion Inseli seinen ganz eigenen, authentischen Charakter. Oder in welchem Stadion in der Schweiz gibt es sonst noch einen Spielplatz?

13:15 Schadenfreude beim Einspielen

Die Gastgeber betreten das Feld, vor ihnen die erst spärlich besetzte Tribüne. Einzig der Gästesektor mit einem Grossteil der angereisten FCB-Fans ist bereits rappelvoll. Von bis zu 500 Fans wird unter den Anwesenden gemunkelt. SchöNie-Goalie Simic lässt sich vor der Basler Fankurve einschiessen und muss sich hämische Rufe anhören, als ihm ein Schuss durch die Hände rutscht.

13:56 Bühne frei

«Hells Bells» von AC/DC dröhnt aus den Lautsprechern, der Speaker reisst ein enthusiastisches «Hopp SchöNie» an und unter tosendem Applaus kommen die Spieler in den extra angefertigten Cup-Trikots mit Namen auf den Platz.

14:01 Ball frei

Der Schiedsrichter pfeift und SchöNie bringt den Ball ins Rollen.

14:12 Schuld ist der Unparteiische

So gross der spielerische Unterschied zwischen der 2. Liga regional und der Super League auf dem Platz auch sein mag, auf der Tribüne gibt es ein verbindendes Element: Über den Schiri wird immer gewettert.

14:47 Das Wunder bleibt aus

0:3 stehts zur Pause aus Sicht des FC SchöNie. In der Pause lobt Basels Captain Valentin Stocker die schöne Kulisse und hebt die Leistung von SchöNie-Goalie Michael Simic hervor: «Den haben wir uns notiert.»

14:49 Auch die Anhänger dürfen sich versuchen

Einige Fans des FC Basels klettern über den Zaun und üben schon mal ein paar Elfmeter auf die Tore.

14:50 Den Wasserhahn aufgedreht

Die örtliche Feuerwehr kühlt die Gemüter der mitgereisten FCB-Fans ab.

15:13 Lampenfieber

Auf der Tribüne feuert Daniela Hügi ihre beiden Söhne Jennys und Ryan an. «Sie waren beide so nervös die letzten beiden Tage und konnten kaum schlafen und hatten Durchfall. Ich bin einfach nur stolz, spielen sie beide heute.»

15:45 Zuschauerrekord plus Zaungäste

Einige Zuschauerinnen klettern von ausserhalb auf die Abschrankungen und erhaschen sich so einen Blick auf das Geschehen auf dem Feld. «Ich wollte rein, aber offensichtlich ist das Spiel ausverkauft. Das Spiel kann ich mir aber nicht entgehen lassen, deshalb schau ich jetzt halt hier vom Zaun aus zu», meint einer. 2254 Zuschauer fanden den Weg auf den Sportplatz Inseli. Natürlich eine Rekordkulisse für den FC SchöNie.

15:51 Auf die Resultattafel schaut niemand mehr

Das Spiel ist aus. Am Ende steht auf der Anzeigetafel ein eindeutiges 0:7 aus Sicht des FC SchöNie. Ein Tor blieb den Lokalhelden verwehrt. In den Gesichtern der Spieler macht sich trotzdem grosse Freude breit. Erleichtert und sichtlich erschöpft tauschen die Amateure Trikots mit den Profis. Die Basler Stars verzichten aber auf die SchöNie-Erinnerungsstücke. «Unsere eigenen behalten wir natürlich», meint Goalie Michael Simic und zeigt stolz das Trikot von FCB-Goalie Djordje Nikolic. Während die einen auf Trikotjagd gehen, gönnen sich andere bereits ein kühles Bier oder stellen sich den Fragen der Journalisten.

Zum ersten Mal wirken auch die Spieler des FC Basel nahbar und zugänglich. Flügelstürmer Sene taucht ein in die Fanmenge und posiert auch zehn Minuten nach Schlusspfiff bereitwillig für unzählige Selfies mit Fans. Spieler wie Xhaka geben ihre Trikots an junge Fans weiter, die dann voller Stolz mit ihrer Beute posieren.

«Wir konnten allen ein geiles Erlebnis bescheren und deshalb sind wir mega zufrieden heute», fasst Verteidiger Rafael Malundana den vergangenen Sonntag zusammen. Auch Trainer Yannick Kühni ist stolz auf die Leistung seiner Mannschaft: «Wir haben von Anfang alles gegeben und zwanzig Minuten die 0 halten können. Es war eine super Leistung.»

16:15 Das Fest nach dem Fussballfest

Die Tribüne im Stadion Inseli hat sich zwar geleert, doch bei den Festzelten wird wohl noch lange in die Nacht gefeiert. «Der ganze Verein, inklusive Spieler, hat diesen Event auf die Beine gestellt. Offensichtlich ist der FC Schönenwerd-Niedergösgen ein gesunder Verein, den ich gerne in der Gemeinde habe», sagt Niedergösgens Gemeindepräsident Roberto Aletti.

«Es war ein richtiges Fussballfest mit allem, was den Cup ausmacht. Über diesen Event wird man wohl noch viele Jahre sprechen», bilanziert Präsident Joël Kleger.

16:30 Spiel ohne Verlierer

Während auf dem Inseli noch gefeiert wird, begibt sich der FC Basel auf den Heimweg. Resultatmässig hat Basel das Spiel gewonnen. SchöNie hatte aber schon gewonnen, bevor das Spiel losging. Für das Niederamt bleibt es ein Spiel für die Ewigkeit.


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