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Die Mitte und das neue Zauberwort

Wir suchen hier immer noch nach Innovationsleuchttürmen, welche die Mitte in den nächsten Jahrzehnten stark machen könnten. Den Auftakt machten Pflanzenzukünfte, nun wird es abstrakter und digitaler. Denn der zweite Vorschlag folgt einem neuen Zauberwort der Futuristinnen: der Interoperabilität. Am besten stellen wir sie uns als Brücke vor, die unterschiedliche Netzwerke miteinander verbindet.
23. Oktober 2021
Text: Joël Luc Cachelin, Illustration: Karsten Petrat

Die Mitte als Denkzentrum

Anders als Basel, Genf oder Zürich hat die Mitte heute keine «Innovationscluster», die in den nächsten Jahrzehnten selbstverständlich zu immer neuen Leuchttürmen führen würden. Gesucht sind deshalb Ideen, die wirklich neu sind und sich ohne bestehende IT-, Talent- und Finanzierungsinfrastruktur realisieren lassen. Als Gastgeberin könnte die Mitte künftig ihre geographische Lage besser ausspielen und in ihren Hotels, Co-Working-Büros, leerstehenden SBB-Lagern und Parks zukunftsgerichtete Denk-, Vernetzungs- und Programmierungsarbeit ermöglichen. Die Pandemiemonate zeigten, dass wir uns auch in einer digitalisierten Arbeitswelt nach analogen Denkräumen sehnen, wo wir auf spannende Köpfe und Gedanken treffen. Im zweiten Leuchtturm, der hier für die Mitte vorgeschlagen wird, kommen in den thematisch aufgeladenen Räumen der Mitte Menschen aus der ganzen Schweiz zusammen, um am Thema der Interoperabilität zu arbeiten.

Netzwerke miteinander verbinden

Warum aber sind solche Netzwerk-Brücken für unsere Zukunft überhaupt wichtig? Seit vielen Jahren hiess die Zukunft zu gestalten, Netzwerken zu bauen. Sie umspannen nun den gesamten Planeten und sind kaum noch aus unserem Alltag wegzudenken. Die Eisenbahnen, die Autobahnen, die Briefträgerinnen und natürlich alle unsere Plattformen im Digitalen – vom E-Banking bis zu den sozialen Medien. Viele dieser Netzwerke setzen auf Abgeschlossenheit. Wer nicht zahlt (Netflix) oder die persönlichen Daten nicht zur Verfügung stellt (Facebook), erhält keinen Zugang. Doch genau diese Abgeschlossenheit wird nun zum Problem. Erstens möchten wir digital umziehen können, wenn eine Plattform böse wird oder einem Datenskandal zum Opfer fällt. Wir möchten unsere Kontakte, Bilder und sogar Erinnerungen zu einem anderen Anbieter wechseln. Und zweitens scheint erst die Vernetzung der Netzwerke es zu ermöglichen, deren ökologischen und ökonomischen Potenziale für die Gesellschaft nutzbar zu machen.

Logistik

Ein für die Umwelt zentraler Anwendungsfall ist die Interoperabilität der Logistik. Konkret geht es um die Frage, wie wir als Gesellschaft die von Flugzeugen, Autos, Lastwagen und Velokurieren absolvierten Fahrten besser auslasten können. Hintergrund bilden die vielen Leerfahrten. Ein Lastwagen fährt vollgepackt von A nach B, aber ohne Last zurück. Im Kleinen zeigt sich das Problem, wenn wir für den Wochenendeinkauf mit leerem Auto zum Sälipark fahren. Im Grossen fahren je nach Expertin 20 bis 40 Prozent der Lastwagen leer herum. Interoperabilität verlangt, dass die Logistikanbieter kooperieren, um die Lastwagen zu füllen. Die Verbindung von Kapazitäten führt heute zwingend über ein IT-System. Für die Mitte könnte das bedeuten, an der Fachhochschule Nordwestschweiz ein entsprechendes Institut zu gründen. Oder die Mitte wird gar zu einem Umschlagplatz werden, um leere Container und Kofferräume zu füllen. Wir alle könnten unsere freien Sitzplätze und Kofferräume anderen zur Verfügung stellen.

Banken

Ein zweiter Bereich, wo wir mehr Brücken zwischen unseren Netzwerken möchten, ist unser Geld. Bis heute fehlt es auf dem Smartphone an einer Lösung, um alle unsere Bankkonten auf einer einzigen Plattform zusammenzuziehen. Immer mehr Bürgerinnen der Mitte haben nicht nur eine Bankbeziehung. Dazu kommen vermehrt Konten bei Kryptowährungsbörsen, um mit Bitcoins und Co. zu handeln. Bei dieser Vielfalt an Finanzanbietern geht der Überblick über unsere Ersparnisse und Finanzrisiken verloren. Dasselbe gilt für unsere Vorsorge. Wir haben kaum eine Ahnung, was wir auf unseren zweiten und dritten Säulen gespart haben und mit welchen Renten wir rechnen können, wenn wir einmal nicht mehr arbeiten. Für die Mitte hiesse der Bau einer Metabank in ihren Laboren, Fachhochschulen und Think-Tanks, eine Art digitaler Staubsauger zu errichten, der die Daten auf unseren unterschiedlichsten Konten zusammenzieht. Mit der Alternativen Bank gibt es in Olten bereits ein Institut mit viel Finanzwissen.

Die Mitte – was meine ich damit?
Meine ganz persönliche Mitte liegt in der Nähe meiner beiden schwarzen Katzen, meines Schlaf- und Schreibzimmers – und die befinden sich in Dulliken. Zu dieser Mitte gehört auch der Bahnhof Olten, der mich vom elften Gleis nach Bern, vom siebten nach Zürich, vom zwölften nach Luzern und vom zehnten nach Basel führt. Diese Mitte liegt in Zwischenräumen. Es ist ein Viereck mit den Ecken «Lenzburg», «Liestal», «Sursee» und dem Moment, wo ich auf der Neubahnstrecke Richtung Bern in den ersten Tunnel eintauche.


Welchen Innovationsleuchttum siehst du für unsere Region?

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