Die Schützi fehlt – Gedanken aus dem «Studio Olten»
Wer sein eigenes Ich neu erfindet, darf den beschwerlichen Weg nicht scheuen. Denn das räumliche Leitbild wird gewissermassen die Bedienungsanleitung sein, wenn die Kleinstadt ihre Ortsplanung revidiert. Beim Leitbild dürfen alle mitreden; der Kanton fordert von den Gemeinden eine offene Partizipation.
Nur verlief die Mitsprache in Olten wegen der Coronapandemie bis hierhin schleppend. Anstatt die breite Bevölkerung einzuladen, bildete die Stadt stellvertretend eine Echogruppe. Sie begleitet den Prozess wie auch die inhaltlichen Stossrichtungen, würdigt sie kritisch und bringt ihre Anliegen ein. Die Gruppe besteht aus Vertreterinnen der Behörden, der Kommissionen, der Vereine und des Gewerbes.
Eine erste Feedbackrunde mit der Echogruppe hat bereits stattgefunden. Über einen Fragekatalog holte die Stadt Stellungnahmen und Einschätzungen zu den festgelegten Stossrichtungen ab und erarbeitete auf dieser Basis einen Grundlagenbericht. Ein Verfahren, das üblich ist und in vielen anderen Städten und Dörfern vergleichbar aufgesetzt ist.
Den Grundlagenbericht hat die Stadt in Zusammenarbeit mit der Raumplanungsfirma Metron AG erarbeitet, die den Prozess begleitete. Im vorliegenden Bericht ist viel von der Siedlungsentwicklung an den Rändern, dem behutsamen Umgang mit Landwirtschaftsgebieten und städtischen Freiräumen die Rede. Eine Analyse (auf Seite 33) bringt als «Schwäche» zutage, dass die städtischen Siedlungsreserven nur an peripheren Lagen auszumachen sind. Das Stadtzentrum als Siedlungsraum wird nicht erkannt.
Wie steht es aber effektiv um die Siedlungsentwicklung nach innen, dem Thema der Stunde in der Raum- und Stadtentwicklung? Durch das 2014 revidierte Raumplanungsgesetz fordert der Bund ebendiese als oberste Prämisse.
Anders als in den grossen Zentren schlummert in Kleinstädten vielmals grosses Potential, was die Verdichtung an zentraler Lage angeht. So auch in Olten. Das Zentrum einer Stadt erzeugt die städtische Identität beziehungsweise das urbane Selbstverständnis – mit hochwertigen, klar definierten Plätzen und Bebauungen, die an das Wesen der Stadt angelehnt sind, mit Neubauten oder sorgfältig angepassten Bestandesbauten. Das Mehr an sozialer Dichte in der Innenstadt ist nicht nur notwendig, um dem viel beklagten Lädelisterben zu begegnen, sondern auch eine Pflicht, wenn die Gesellschaft über Mobilität, Dekarbonisierung oder klimaverträgliche Stadtentwicklung spricht. Einen ersten Vorschlag in diese Richtung hat das Studio Olten schon in seinem letzten Beitrag mit einem Neubau auf dem Munzingerplatz gemacht.
Daher erstaunt: Das Gebiet Schützenmatt/Rötzmatt taucht zwar im Grundlagenbericht auf. Jedoch gar kryptisch in der Legende des Stadtplans auf Seite 35 als Gebiet mit dem Handlungsansatz «transformieren und neue Identität schaffen». Seitens Stadt ist nicht wirklich zu spüren, inwiefern dieses Gebiet als wichtiger Baustein für die Entwicklung des Zentrums gesehen wird. Dabei hatte Stadtplaner Kurt Schneider in einem Interview mit Kolt die Schützi als interessantestes Entwicklungsgebiet bezeichnet. Vorgesehen ist das grosse Areal südlich der Dünnern notabene sogar als Freiraum, bezeichnet als «nutzungsoffen», ein Raum, der «aufgewertet» werden soll (Seiten 52 und 54). Ein Schelm, wer sich dabei denkt, dass es einzig um die Wahrung als Kilbi-Platz geht. Und um einen Parkplatz?
Das Potential dieses Freiraumes ist für das Olten der Zukunft gewaltig und augenscheinlich. Die Schützenmatt liegt an bester Lage, direkt ans Stadtzentrum angrenzend, unmittelbar an der Aare, dank der ERO am überregionalen Verkehr angeschlossen und in Gehdistanz zum Bahnhof. Soll ein Gebiet wie dieses längerfristig tatsächlich als Parkierungsfläche oder Freiraum – ohne offensichtlichen Nutzen – dienen? Dies ist aus heutiger Sicht stadtökonomisch betrachtet höchst fraglich, wenn die Kleinstadt ein Wachstum anstreben will. Zudem befindet sich das Areal im Besitz der Stadt, also der planenden und bewilligenden Instanz. Eine bessere Ausgangslage ist kaum denkbar, um aktiv Stadtentwicklung zu machen. Nirgends sonst in Olten könnten ohne grossen Aufwand städtebauliche Strukturen geschaffen werden, die Interaktion und Lebendigkeit erzeugen.
Aufgrund seiner Grösse könnte das Areal auch in Zukunft die (noch) wichtige Funktion als zentrumsnahe Parkierungsmöglichkeit erfüllen – etwa mit einem multifunktionalen Parkhaus, wie dieses Beispiel aus Aarhus zeigt. Das Areal könnte jedoch auch ganz anderen Ansprüchen gerecht werden.
Die oft geforderten bespielbaren öffentlichen Räume, die sich wandelnden Bedürfnissen anpassen, sind unter den hohen Platanen neben der Badi gut vorstellbar. Entlang der Dünnern wäre attraktives Wohnen möglich, ergänzt mit öffentlichen Nutzungen in den Erdgeschossen. Die Parkplatzwüste liesse sich entsiegeln und mit grosskronigen Bäumen bepflanzen. Visionäre Grundlagen für das Gebiet erarbeitete letztes Jahr die Hochschule Rapperswil.
Mit Blick auf den bisherigen Prozessverlauf der Ortsplanungsrevision von Olten und den generierten Resultaten stellen sich ein paar Fragen. Zum Beispiel zur Echogruppe: Wer hat dieses Gremium zusammengestellt? Mit welchen Auswahlkriterien? Sind die wirklich relevanten Stakeholder vertreten, um über die Zukunft der Stadt zu sprechen? Es scheint sich doch sehr um eine politische und verwaltungsinterne Gruppe zu handeln, die mit Vertretern des städtischen Alltags angereichert wurde. Insbesondere die Jugend, also diejenigen Menschen, die in naher Zukunft das Leben der Stadt prägen werden, ist kaum vertreten. So fehlen in der Echogruppe etwa Jugendorganisationen genauso wie die Schulen.
Zur Vision der Stadtentwicklung: Welche Vorstellungen haben die Stadtregierung und die Verwaltung eigentlich zu den Entwicklungsschwerpunkten ihrer Stadt? Im Leitbildprozess kommt bisher nicht zum Ausdruck, was unsere Regierung für Olten will. Eine Stadt mit kurzen Wegen, in der das Velo und die Fussgängerin Priorität haben? Ein starkes und gut erschlossenes Zentrum, das auch für Menschen aus dem «Umland» interessant ist? Ein Zentrum, in dem gewohnt und gearbeitet wird und sich die Leute treffen und verweilen? Wo durch Austausch Neues entsteht? Im ganzen Grundlagenbericht taucht nicht einmal das Wort «Vision» auf. Das muss auch nicht zwingend sein. Aber etwas mehr visionäre Ideen müssten drinstecken.
Studio Olten
Das Studio Olten beobachtet (kritisch) die städtebauliche Entwicklung von Olten und erlaubt sich hie und da selber Vorschläge, welche als Anregung einer vitalen Diskussion dienen sollen. Das Studio setzt sich zusammen aus Michael Bertschmann (dipl. Architekt FH), Christian von Büren (M. Sc. Urban Management) und Matthias Sigrist (dipl. Ing. FH Bauprozessmanagement) und damit aus Fachleuten aus den Bereichen Architektur und Städtebau, Areal- und Immobilienentwicklung sowie Urban Management und der Stadtökonomie mit Erfahrungen aus Tätigkeiten bei der öffentlichen Hand, Bundesbetrieben und der Privatwirtschaft.
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Mich wundert, dass eine Idee “attraktiver Wohnraum der Dünnern entlang mit Gewerbefläche im EG” als visionär und im öffentlichen Interesse angekündigt wird. Da ist doch das Gegenteil der Fall. Da bringt sogar ein Parkhaus mehr öffentlichen Nutzen.
Visionär wäre, wenn Olten seine zwei Fliessgewässer in das städtische Leben einbinden könnte. Das wäre die Chance, aus der einmaligen Situation (zwei Flüsse) etwas Besonderes zu entwickeln. Aber die Dünnern weiter zuzubauen ist nun wirklich kein motivierender Gedanke.
Danke für deine Meinung auf unseren Artikel, lieber Claude. Nur lese ich nirgends, dass diese Idee einerseits im Fokus steht und andererseits als visionär oder im öffentlichen Interesse verkauft wird. Ein multifunktionales Parkhaus mit öffentlichen Funktionen wird mit dem Beispiel Aarhus als ein weiteres Beispiel gebracht. Vielmehr will doch der Text die Entwicklung der Schützi grundsätzlich zum Thema machen. Von “zuzubauen” ist keine Rede. Im Gegenteil: Sensibel städtische Strukturen schaffen. Vielleicht ist auch das Verständnis von “Visionär” subjektiver Art. Für mich (und ich weiss, auch für das “Studio Olten”) heisst visionär in erster Linie, dass möglichst sinnvolle und gute Lösungen mit bestehenden Herausforderungen langfristig positiv umgehen und mit wahrscheinlichen Entwicklungen in der Zukunft vereinbart werden. Realistisch, machbar, à point. Nochmals der Auszug aus dem Text, den du kommentierst:
“Das Potential dieses Freiraumes ist für das Olten der Zukunft gewaltig und augenscheinlich. Die Schützenmatt liegt an bester Lage, direkt ans Stadtzentrum angrenzend, unmittelbar an der Aare, dank der ERO am überregionalen Verkehr angeschlossen und in Gehdistanz zum Bahnhof. Soll ein Gebiet wie dieses längerfristig tatsächlich als Parkierungsfläche oder Freiraum – ohne offensichtlichen Nutzen – dienen? Dies ist aus heutiger Sicht stadtökonomisch betrachtet höchst fraglich, wenn die Kleinstadt ein Wachstum anstreben will. Zudem befindet sich das Areal im Besitz der Stadt, also der planenden und bewilligenden Instanz. Eine bessere Ausgangslage ist kaum denkbar, um aktiv Stadtentwicklung zu machen. Nirgends sonst in Olten könnten ohne grossen Aufwand städtebauliche Strukturen geschaffen werden, die Interaktion und Lebendigkeit erzeugen.
Aufgrund seiner Grösse könnte das Areal auch in Zukunft die (noch) wichtige Funktion als zentrumsnahe Parkierungsmöglichkeit erfüllen – etwa mit einem multifunktionalen Parkhaus, wie dieses Beispiel aus Aarhus zeigt. Das Areal könnte jedoch auch ganz anderen Ansprüchen gerecht werden.
Die oft geforderten bespielbaren öffentlichen Räume, die sich wandelnden Bedürfnissen anpassen, sind unter den hohen Platanen neben der Badi gut vorstellbar. Entlang der Dünnern wäre attraktives Wohnen möglich, ergänzt mit öffentlichen Nutzungen in den Erdgeschossen. Die Parkplatzwüste liesse sich entsiegeln und mit grosskronigen Bäumen bepflanzen. Visionäre Grundlagen für das Gebiet erarbeitete letztes Jahr die Hochschule Rapperswil.”
Geschätztes Studio Olten
Besten Dank für den Beitrag. Es ist ein wichtiger Zeitpunkt für diese Diskussion und jede/jeder in und um die Stadt ist aufgefordert, im Rahmen der Mitwirkung vom 23. August bis zum 30. September konstruktive Kritik und eigene Ideen für die räumliche Entwicklung der Stadt einzubringen, auch zur Schützi (https://ortsplanung.olten.ch/). Allerdings geht es beim im Artikel angesprochenen Dokument um das räumliche Leitbild, also um die ganze Stadt. Die Schützi selber ist Gegenstand einer spezifischeren Planung (Masterplan), dazu besteht via Budget auch ein separater Auftrag. Neben den aufgezählten Punkten ist auch von zentraler Bedeutung, dass das Land in der Schützi, im Gegensatz zu anderen Arealen, vorwiegend im Eigentum der Stadt ist. Das birgt grosse Chancen und das vorhandene Angebot zeigt jederzeit direkt und unverfälscht das Abbild des politischen Willens.
Kurt Schneider, Leiter Direktion Bau/Stadtbaumeister
Danke für diesen Kommentar, geschätzter Herr Schneider.