Skip to main content

Ein Spanier zwischen Trimbach und Paris: Die kurzen Wege im Tenniszirkus

Viele träumen im Tennis vom Glamour und den Millionen, die es auf den grossen Tennisbühnen zu holen gibt. Für die meisten bleiben sie unerreicht. Andere pendeln zwischen den zwei Welten und landen dabei auch mal im beschaulichen Trimbach.
11. Juni 2021
Text: Yann Schlegel, Fotografie: zVg

«Ob dies mein grösster Sieg ist? Nein, der grösste Sieg ist jener gegen Roger. Den kann ich nicht schmälern, aber Federer ist Federer …», sagte Pablo Andújar, als er Ende Mai in Paris vor den Medien sass. Der charismatische Spanier hatte auf dem Sandplatz von Roland Garros Dominic Thiem besiegt. Und somit erstmals in seiner Karriere einen der in den Top 5 klassierten Tennisspieler bezwungen.

Den noch grösseren Glücksmoment erlebte er aber eine Woche zuvor, als er in Genf Roger Federer die Rückkehr auf die Tour vermieste. In Trimbach jubelte der Tennisclub Froburg über Andújars Höhenflug. Denn letzten Sommer hatte er noch den Dress des NLA-Tennisklubs am Fuss des Hauensteins getragen. Seit mehreren Jahren schon holen die Trimbacher jedes Jahr einen Hauch Tennisglamour zu sich. Mit der Verpflichtung von Andújar gelang dem TC Froburg letztes Jahr – auch durch die Pandemie begünstigt – ein grosser Coup. Die Geschichte des Spaniers zeigt, wie rasch der Lift für viele Spieler im internationalen Tenniszirkus nach oben, aber auch wieder nach unten fahren kann. Die Schweizer NLA-Meisterschaft ist in diesem grossen System nur ein kleines Rad, das wenig mediale Aufmerksamkeit kriegt, aber ein Sprungbrett für Schweizer Spieler sein soll, wie Marco Meyer, Präsident vom TC Froburg erklärt. Im Gespräch gibt er Einblick in die Tenniswelt und welche Rolle der kleine Trimbacher Verein darin einnimmt.

Tag 1

«Noch keiner war so gut wie er», sagt Marco Meyer. Seit der TC Froburg in der NLA spielt, rüstete er sich jeweils im Sommer mit zwei ausländischen Verstärkungsspielern für die Meisterschaft. Pablo Andújar hinterliess schon bei der Ankunft in Trimbach einen bleibenden Eindruck bei den Verantwortlichen des Tennisklubs. «Er ist ein absolutes Vorbild, angenehm im Umgang und von Anfang an konnte er die gesamte Mannschaft mitreissen», erinnert sich Meyer. Der Spanier brachte gleich seine gesamte Entourage mit Physio, Fitnesscoach sowie Trainingspartner und Mitspieler Pedro Martinez an den Hauenstein. Dass der in Valencia wohnhafte Andújar überhaupt in die Schweiz kam, war durch die Pandemie begünstigt. Viele Turniere waren abgesagt und die Spieler waren zu günstigeren Konditionen verfügbar. «Unser Coach Bartolome Szklarecki blieb so lange an ihm dran, bis er endlich bestätigte», sagt Meyer. Die Erwartungen an den Turniersieger der Swiss Open 2014 in Gstaad waren hoch.

Trimbach suchte Verstärkungsspieler, nachdem die Konkurrenz den Schweizer Topspieler Sandro Ehrat mit einem besseren Angebot abgeworben hatte. Ihn zu ersetzen, war keine einfache Aufgabe. Denn die besten Schweizer Tennisspieler sind begehrt bei den Teams der Interclub NLA. Deshalb nutzte der TC Froburg die Situation mit dem arg reduzierten ATP-Kalender und suchte im Ausland nach Topspielern, um das erklärte Ziel – den Ligaerhalt – zu schaffen. «Auch unser Teamchef und Sponsor Peter Gubler forcierte die Verpflichtung von Andújar. Er sprach im Vorfeld immer wieder von einem Glücksfall», sagt Meyer.

2 Wochen

Auf Stufe der Nationalliga A wird die Interclub-Meisterschaft jeweils im Sommer innerhalb von zwei Wochen gespielt. So können die Schweizer Tennisvereine für ihre Mannschaften Verstärkungen aus dem internationalen Tenniszirkus holen. «Für die ausländischen Topspieler der Tour ist die Interclub-Meisterschaft bloss ein Sahnehäubchen», sagt Meyer. Primär gehe es um die besten Schweizer Tennisspieler. Denn auch sie reisen über das ganze Jahr hinweg von Turnier zu Turnier und versuchen dabei, in der Hierarchie aufzusteigen und sich als Profitennisspieler durchzusetzen. Roger Federer und Stan Wawrinka sind momentan die einzigen Schweizer Topspieler, die auf die Interclub-Saison verzichten.

5,9 Millionen Franken …

… verdiente der 35-jährige Pablo Andújar in seiner Karriere durch Preisgelder auf der ATP-Tour. Seit 2003 reist der Spanier als Profi von Turnier zu Turnier rund um den Globus.

6 Spieler

Gemeinsam mit Trainer Bartolome Szklarecki stellt Teamcaptain und Sponsor Peter Gubler jedes Jahr eine kompetitive Mannschaft zusammen. Die NLA-Mannschaft besteht aus sechs Spielern und jedes Team darf zwei ausländische Verstärkungsspieler umfassen. Die sieben NLA-Mannschaften duellieren sich jeweils in Einzel- und Doppelmatchs (analog zum internationalen Nationenwettbewerb Daviscup).

8 Saisons

Seit bald acht Jahren spielt der TC Froburg in der höchsten Schweizer Tennismeisterschaft mit. Nach dem Aufstieg 2014 gelang ein Jahr später der grosse Coup mit dem Schweizer Meistertitel. Momentan kommen vier der sieben NLA-Klubs aus dem Ballungsraum Zürich. Mit Neuenburg und Genf sind auch die Romands vertreten. «Es ist schon beachtlich, dass wir seit acht Jahren im Konzert der Grossen dabei sind. Ähnlich wie Ambri im Eishockey», sagt Marco Meyer.

8 Kaderspieler

Mit Marco Chiudinelli hat Trimbach einen im Tenniszirkus bestens bekannten Trainer für die Nachwuchshoffnungen gewinnen können. Der gute Freund und ehemalige Trainingspartner von Roger Federer trainiert zurzeit in Trimbach acht Talente, die zwischen 12 und 14 Jahre alt sind. Darunter seien, so Meyer, vier Supertalente. Der Präsident vom TC Froburg fordert für die Talente eine Sportklasse. In Olten fehlt ein solches Angebot. Der Tennisclub arbeitet derzeit deshalb mit der Schule in Langenthal zusammen. «Wir haben immer wieder Probleme, für unsere besten Spieler Lösungen zu finden, welche Trainings, Matchs und Ausbildung unter einen Hut bringen. Fehlt in der Region Olten das Verständnis für Leistungssport im Nachwuchsbereich?», fragt Präsident Meyer rhetorisch.

10 N1-Spieler, …

… 30 N2-Spieler und weiter runter ist die Schweizer Tennishierarchie gegliedert. Mit den Termen N1, N2 und so weiter wird die Schweizer Tennisrangliste in Blöcke klassiert. Darüber hinaus ist das Schweizer Ranking mit jenem des internationalen Tennisverbands (ATP) zu vergleichen. Die Plätze 1 und 2 sind auf der Schweizer Rangliste schon seit Jahren vergeben: Roger Federer und Stan Wawrinka belegen sie. Dahinter kommen weniger bekannte Namen wie Marc-Andrea Hüsler. Aktuell ist er die Nummer drei im Schweizer Tennis. Den grössten Aufstieg hat in diesem Jahr der junge Dominic Stricker vollbracht. Auf der ATP-Rangliste stösst er unter die ersten 300 vor.

Die Nummer 21 …

… der nationalen Rangliste ist momentan Mischa Lanz. Der Hägendörfer ist mit seinen 21 Jahren das regionale Aushängeschild des TC Froburg, konnte aber im Profitennis noch nicht richtig Fuss fassen. «Er spielt ein attraktives offensives Tennis. Wir hoffen, dass er dieses Jahr bei uns noch mehr Verantwortung übernehmen kann», sagt Marco Meyer über den Hoffnungsträger. Er wird im August bei der Interclub-NLA-Meisterschaft der einzige Spieler aus der Region sein. «Meine Vision wäre, dass wir mit Nachwuchsspielern aus der Region Olten in der NLA antreten. Aber das ist bis heute nur teilweise gelungen», so Präsident Meyer.

Rang 32 …

… war die beste Klassierung, die Pablo Andújar auf der ATP-Tour erreichte. Das war im Jahr 2014, als er in Gstaad das Turnier gewann. Mit der Schweiz verbindet der Spanier darum ohnehin gute Erinnerungen. Danach folgte für ihn eine lange Durststrecke: Zwischen 2015 und 2019 gewann er keinen Match mehr an einem Grand-Slam-Turnier. In dieser Zeit hatte ihn eine Ellenbogenverletzung zurückgeworfen und er musste sich drei Operationen unterziehen. Er fiel in der Weltrangliste auf Rang 1764 zurück. «Ich dachte, ich wäre raus aus dem Tennis», sagte er retrospektiv, als er an den US Open in die Achtelfinals vorstiess. Mit 35 Jahren zählt Andújar wieder zu den 100 besten Tennisspielern der Welt – aktuell ist er die Nummer 68.

300 bis 500 …

… Zuschauerinnen besuchten in den letzten Jahren jeweils die NLA-Heimspiele des TC Froburg in Trimbach. «In Genf spielten wir dagegen manchmal fast vor null Zuschauern», erzählt Meyer. Die Schweizer Meisterschaft geniesst in der Schweiz sehr wenig Aufmerksamkeit. Für den Präsident des TC Froburg ist klar: «Das liegt vor allem daran, dass das Produkt zu wenig gut vermarktet wird.»

2016

In diesem Jahr figurierte ein gewisser Daniil Medwedew auf der Kaderliste der Trimbacher und trainierte auf der Anlage. Zum Einsatz kam er jedoch nicht. Er war in der Weltrangliste bloss die Nummer 300 und der TC Froburg setzte deshalb auf andere Spieler. Marco Meyer trauert heute der verpassten Chance nach: Denn seither ging es in Medwedews Karriere kometenhaft empor. Aktuell ist er die Weltnummer 2.

2021

Kehrt Andújar in diesem Jahr nach Trimbach zurück oder nicht? Dies ist für den TC Froburg die grosse Frage, vor der Interclub-Meisterschaft im August. Marco Meyer macht kein Geheimnis daraus, dass Coach Bartolome Szklarecki ihn gerne wieder verpflichten möchte. Kurz nach der Interclub-Saison finden aber die US Open statt. Bis Mitte Juli müssen die Trimbacher ihr Kader melden.

Knapp 53’000 …

… lizenzierte Tennisspieler sind in der Schweiz aktiv. «Davon versuchen etwa dreihundert, ihr Geld mit dem Tennissport zu verdienen und sich als Profis durchzusetzen», sagt Meyer.

80’000 bis 150’000 Franken

In diesem Bereich liegen gemäss Meyer die Budgets der Interclub-NLA-Mannschaften. Der TC Froburg verfüge über eines der tiefsten Budgets, sagt der Präsident. 2015 sei es gar gelungen, mit einem aussergewöhnlich tiefen Budget den Meistertitel zu gewinnen. Mit der Oltner Tennisgrösse Peter Gubler verfügt der Klub über einen Defizitgaranten, der dem TC Froburg die NLA-Mannschaft ermöglicht. Sein Vater war es, der vor rund vierzig Jahren das Tenniscenter in Trimbach mitgründete.


Über welchen Sport möchtest du nächsten Monat mehr erfahren?

Schreiben Sie einen Kommentar