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«Es braucht drei Mal, bis man Wurzeln schlägt»

Grosse Bühne in der Kleinstadt für die Fotografie. Eine Kaffeeidee führte zum International Photo Festival Olten, das sich mit der dritten Ausgabe langfristig etablieren will. Die beiden Co-Direktoren Christoph Zehnder und Remo Buess blicken jetzt schon voraus.
10. August 2021
Text: Yann Schlegel, Fotografie: zvg
Fotografie von Brigitte Lacombe.

Da kommt ganz schön viel Glanz und Zauber aus der Welt der Fotografie. Auch die dritte Ausgabe des International Photo Festivals Olten ist so gross, wie sein Name es verspricht. Eine lange Liste an erstklassigen Fotografinnen wartet in der Kleinstadt auf. Sie alle werden von ihren Lebensgeschichten erzählen und über die Kunst, den Augenblick mit der Kamera festzuhalten. Wie viel Glamour der Fotografieszene verträgt das kleine Olten? Grosses werde im kleinen Rahmen von alleine intim, erklären Christoph Zehnder und Remo Buess. «Das Familiäre an unserem Festival ist einzigartig und das könntest du so in einer grossen Stadt nicht haben», sagt Christoph Zehnder.

Bei den beiden Co-Direktoren laufen die Fäden für den Grossanlass zusammen. «Im Moment sind es sehr viele Fäden», sagt Christoph Zehnder. Die beiden lachen und blicken aufs Smartphone, auf welchem während der Mittagszeit die Nachrichtenflut anschwillt. Das Festival führen sie nebenbei zu ihren sonstigen Jobs. Christoph Zehnder führt ein Lederunternehmen, Remo Buess ist als Fotograf oft unterwegs.

Der Ruf eilt bis nach Übersee

«Es braucht drei Mal, bis man Wurzeln schlägt», sagt Christoph Zehnder. In diesem Jahr hätten sie als Organisatoren einen regelrechten Sog gespürt. Am stärksten machte sich dieser bei der Suche nach Sponsoren bemerkbar. «Die Qualität, die wir bieten, hat sich herumgesprochen», sagt Remo Buess. Er illustriert dies mit einer kleinen Anekdote seines Freundes und renommierten Porträtfotografen Marco Grob. In den USA sei dieser unterwegs für seine Arbeit mal von einem Bildchef eines renommierten Magazins gefragt worden, ob er schon mal was von diesem Festival in der Schweiz gehört habe, wo die Leute abends im Fluss schwimmen gingen. Marco Grob lachte und erzählte von seinem Festival in Olten.

Fotografie von Brigitte Lacombe.

Was klein anfing, scheint mit dem dritten Festival zu einer festen Grösse heranzuwachsen. Davon zeugt auch das Selbstverständnis, mit welchem die beiden Co-Direktoren über die Zukunft sprechen. «Wir müssen unsere Vision weiterverfolgen», sagt Remo Buess. Ihr Anspruch: Olten soll über Jahre hinaus die Fotografiestadt der Schweiz sein.

Remo Buess erinnert sich, dass er damals, 2017, es muss im April gewesen sein, mit Marco Grob im «Ring» beim Kaffee sass. «Wir sprachen darüber, dass in Olten wenig läuft, und nahmen uns vor, was daran zu ändern.» Warum nicht ein Fotofestival gründen? «Moment, ich hab die Nummer von Dan Winters. Ich schreibe ihm mal, ob er dabei wäre», habe Marco Grob gesagt. Ein paar Minuten später hatte einer der renommiertesten Porträtfotografen zugesagt. Eine Geschichte, die ein wenig nach amerikanischem Traum klingt. Dieser widerspiegelt sich auch in ihrem Leitmotiv «Love & Passion», das als Schild am Haus der Fotografie prangt.

Fotografie von Erik Madigan Heck.

Blick nach Schweden

Durch das eigene Museum im zwischengenutzten Gebäude an der Kirchgasse erlangte die IPFO-Organisation ein Zuhause. Ein Daheim auf Zeit. Darum blicken die beiden Co-Direktoren bereits über das Festival hinaus. «Für uns stellt sich nicht die Frage, ob, sondern wo wir die Beleuchtung wieder montieren», sagt Christoph Zehnder. Das Licht machte beim schlichten Umbau einen Grossteil der Investitionen aus, liesse sich aber am neuen Standort wieder installieren. Voraussichtlich zwei Jahre noch dürfen sie das ehemalige Naturmuseum für die Fotografie nutzen. «Wir haben ja einem neuen Schulhaus zugestimmt», sagt Remo Buess und lächelt. Sein Gedanke ist naheliegend: Das Hübelischulhaus wird in den nächsten Jahren frei. «Wir wollen einen Ort schaffen, der nicht um 5 Uhr abends ein schwarzes Loch wird», sagt Christoph Zehnder. Als Vorbild nennt Remo Buess das Fotografiska in Stockholm, das zugleich als Restaurant-Bar und Museum funktioniert.

Fotografie von Brigitte Lacombe.

Nach der Feuertaufe im aktuellen Haus der Fotografie zieht das IPFO ein rundum positives Fazit. Rund 4100 Menschen kamen nach Olten, um die Werke des US-amerikanischen Filmregisseurs David Lynch zu besuchen. Die zweite Ausstellung verspricht ebenso hochkarätig zu sein: Zum Auftakt der Festivaltage findet die Vernissage mit den Fotografien der Gewinner des «World Press Photo»-Wettbewerbes statt. Eine Ausstellung, die traditionell jedes Jahr im Landesmuseum in Zürich zu sehen war, kommt somit nach Olten. Zu sehen sind die besten Pressebilder aus allen Ecken der Welt. «Sie spricht ein ganz anderes Publikum als Lynch an», sagt Remo Buess. Mit Roland Schmid findet sich dieses Jahr zudem ein Schweizer Fotograf unter den Prämierten wieder. Der Basler wird am Festival anwesend sein und ein Seminar abhalten.

Überhaupt will das IPFO dieses Jahr einen stärkeren Bezug zur Schweiz schaffen. Gelungen ist dies mit dem Wettbewerb Photoville4600. Dreihundert Fotografen aus der ganzen Schweiz reichten ihre Arbeiten ein, die durch eine international renommierte Jury bewertet wurden. Daraus entsteht auf dem Munzingerplatz eine Ausstellung mit den 50 besten Arbeiten. Die Photoville4600 soll unter anderem helfen, noch mehr Menschen anzuziehen. «Wir rechnen dieses Jahr mit viel mehr Besucherinnen als noch 2019», sagt Christoph Zehnder.

Kolt am IPFO

Das Programm am IPFO vom 25. bis 29. August wird nahrhaft: vier Ausstellungen, zahlreiche Workshops, Seminare und drei Abendvorträge im Oltner Stadttheater. Auch Kolt nimmt dich als Medienpartner am 27. August mit ans Festival. Höhepunkt des Abends werden die Referate von Brigitte Lacombe (USA/FR) und Erik Madigan Heck (USA) sein. Beide geben unmittelbare Einblicke in die Modewelt, die sie mit ihrer Fotografie prägen. «Nicht das Handwerk steht im Fokus, sondern die Geschichten hinter den Fotos und Lebensgeschichte der Fotografen», sagt Remo Buess. Für Seminare, Workshops und Abendvorträge im Stadttheater (mit 500 Plätzen) gilt eine Zertifikatspflicht. Neben der «World Press Photo»-Ausstellung im Haus der Fotografie und der Photoville auf dem Munzingerplatz bietet das Festival zwei weitere Ausstellungen: Mit Dominic Nahr präsentiert einer der bekanntesten Schweizer Fotografen seine Werke im Haus der Museen. Eindrücke aus der Schweiz treffen auf das Weltgeschehen. In der Christkatholischen Kirche wird ein Teil von Roger Ballens Ausstellung «Asylum of the Birds» zu sehen sein. Weitere Informationen und das gesamte Programm: www.ipfo.ch
Fotografie von Erik Madigan Heck.

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