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Es werde Licht: Warum die Region Olten noch kein Glasfasernetz hat

Schnell, schneller, am schnellsten: Unser Anspruch ans Internet verläuft entlang der Steigerungsform. Die Glasfaser stillt unser künftiges Bedürfnis. Ein ebensolches Netz sei Service public, sagen die einen. Das heutige Netz genüge, meinen die anderen. Und sowieso, 5G kommt. Wir zeichnen das Panorama zum Internet der Zukunft.
3. März 2021
Text: Yann Schlegel, Fotografie: Timo Orubolo
In Neubauquartieren ist Glasfaser mittlerweile Standard.

Internetanschluss gehört für uns zum Selbstverständnis. Wie das Hahnenwasser, das Strassennetz oder der Strom aus der Steckdose. Dabei sind erst gut dreissig Jahre seit der Erfindung des World Wide Web am Cern nahe Genf vergangen. Durch diese Errungenschaft war das Internet erst massentauglich geworden.

Unsere Welt hat sich seither rapide digitalisiert. Die Datenmengen, welche über das Internet ausgetauscht werden, steigen bis heute massiv an. Zu Beginn surften wir noch hauptsächlich über das Kupferkabelnetz, das wir für die Telefonie installiert hatten. Bis eine Webseite abgerufen war, dauerte es Ende der 90er-Jahre gut und gerne mal ein paar Minuten. Im Vergleich zu heute gingen die Daten damals im Schneckentempo über die Leitung. Die Technologie entwickelte sich und unser Zugang in die digitale Welt verbesserte sich sukzessive. Bald einmal kommunizierten wir mehrheitlich übers Internet und auch das Fernsehen wurde digital. Das in die Jahre gekommene Kupfernetz stiess zusehends an seine Grenzen.

Das Netz der Zukunft?

Die Glasfaser. Das ist zumindest die halbe Wahrheit. Später dazu mehr.

Die dünnen Fasern aus Glas übertragen die Informationen durch Licht – in Lichtgeschwindigkeit. Dies erlaubt den Transport unvorstellbar grosser Datenmengen in kürzester Zeit. Trotzdem hat sich die Glasfaser in den letzten zehn Jahren noch nicht durchgesetzt.

Rund 30 Prozent der Schweizer Haushalte sind heute mit Glasfaser erschlossen. 2017 liess das Bundesamt für Kommunikation abklären, wieviel der Ausbau eines schweizweiten Glasfasernetzes kosten würde. Auslöser der Studie war eine Standesinitiative des Tessins. Der Südkanton forderte den Bund dazu auf, schweizweit für ein leistungsfähiges Netz zu sorgen. Primär geht es dabei um die Randregionen. Aber nicht nur. Etliche Kleinstädte und Regionalzentren haben noch keinen Glasfaser-Hausanschluss.

In ihrem Bericht schreibt die durch den Bund beauftragte Firma: «Der Glasfaserausbau mit FTTH kommt in der Schweiz derzeit scheinbar nur noch wenig voran […].» FTTH, ausgeschrieben Fiber to the Home, bedeutet, dass die Glasfaser bis in die Wohnung reicht. Die langsamer leitenden Kupferkabel werden dabei gänzlich ersetzt.

Warum es mit dem Glasfaserausbau in der Schweiz nicht mehr so flott vorangeht, werden wir in diesem Beitrag am Beispiel Olten aufzeigen.

Ein Stück der Antwort liegt wohl in der Bequemlichkeit. Auch wenn uns die vielen Videoanrufe während der Coronazeit lehrten, dass unser Netz im Privatgebrauch an Grenzen stossen kann, funktioniert das herkömmliche Netz so weit, so gut und erfüllt die allermeisten Ansprüche im Haushalt.

«Wer an einem Ort mit Glasfaser lebte und dann an einen ohne umzieht, merkt, dass es ein unglaublicher Unterschied ist», sagt Tobias Oetiker. «Es geht nicht nur um die Bandbreite, sondern auch um die Latenz. Das heisst: Wie schnell ist das einzelne Päckchen am Ziel, wenn es durchs Netz auf die Reise geschickt wird? Das kann bei den in Olten verfügbaren Technologien zehn bis zwanzig Mal länger dauern als über Glasfaser.»

Die hartnäckigen Oltner

Seit über vier Jahren kämpft und lobbyiert der Olten-jetzt!-Politiker für einen Glasfaserausbau in der Stadt. Zum einen aus privatem Interesse, wie er offen zugibt. Aber auch im Sinne der Stadt. Er ist Teil eines kleinen Kreises von Gleichgesinnten, der sich in der Facebookgruppe «Offenes Glasfasernetz für Olten» austauscht.

Der IT-Unternehmer machte sich auch im Parlament für den Glasfaser-Hausanschluss stark. Mit einer Motion wollte er zunächst die Stadt dazu bringen, ein städtisches Glasfasernetz zu errichten. Er zog diese aber zurück, als er merkte, dass die Parlamentsdebatte zu entgleisen drohte. Sein Anliegen war auf diesem Weg nicht mehrheitsfähig – die Diskussion driftete ab zur häufig geführten Debatte: Glasfaser braucht es nicht, wo es ja 5G gibt. Darauf kommen wir später zurück. Ausserdem habe die Stadt aktuell schlicht nicht das Geld dazu, so Oetiker. Auf 15 bis 30 Millionen Franken schätzt er die Kosten für den Ausbau.

Tobias Oetiker ist mit seinem Anliegen nun doch noch auf der Zielgeraden eingebogen. Der Stadtrat empfiehlt nämlich dem Parlament, sein Postulat zu überweisen. Mit diesem will Oetiker bezwecken, dass die Stadt den Glasfaserausbau öffentlich ausschreibt. Im März wird das Parlament darüber befinden. Interessenten dafür, diese Infrastruktur auf eigene Kosten zu installieren, stehen vermutlich bereit. «Alle sind momentan auf der Suche nach sicheren Investitionen», sagt Oetiker.

Da ist zum einen die Swiss4net Holding AG mit Sitz in Zug. Schon im vergangenen Sommer bestätigte sie gegenüber dem Oltner Tagblatt ihr Interesse an einem Glasfaserausbau in Olten. Aber da ist auch die Swiss Fibre Net AG, die eben erst bekannt gab, sie werde den Ausbau eines offenen Glasfasernetzes vorantreiben.

Auch Sunrise und Salt gingen letztes Jahr mit der eigens gegründeten Firma Swiss Open Fiber in die Offensive und kündigten den Glasfaserausbau an. Die unheilige Allianz der beiden Telekomgiganten war eine Ansage gegenüber der Swisscom. Wie schnell sich Gegebenheiten im Telekomgeschäft wandeln, zeigte sich Monate später: Sunrise will mit UPC Cablecom fusionieren und hat es vermutlich deshalb bereits nicht mehr so eilig mit dem Glasfaserausbau. Denn dank UPC wird Sunrise über ein weit ausgebautes Kabelnetz (Koaxialkabel) verfügen. Mit ihrem Netz war die UPC bisher die ärgste Konkurrentin der Swisscom, wenn es um einen schnellen Internetanschluss ging.

Auch am Platz Olten. Tobias Oetiker nutzt mit seinem IT-Unternehmen die Dienste von UPC, weil er dort bis zu 1 Gbit/s downloaden kann. Wie die NZZ in einem Beitrag über die Schweizer Internet-Topographie aufzeigte, gehört Olten dank dieser Konkurrenzsituation zwischen UPC und Swisscom im nationalen Vergleich zur zweiten Klasse. Sie hinkt jenen Gemeinden hinterher, die bereits vollständig bis in die Häuser mit einem Glasfasernetz ausgestattet sind.

Däniken, die Vorreiterin

Ein Vorzeigebeispiel gibt’s ganz in der Nähe: Durch die Fernsehgenossenschaft Yetnet hatte Däniken schon Ende der 90er-Jahre eine Vorreiterrolle innegehabt. Yetnet zog bereits damals Glasfaserkabel in die Strassenzüge. Und 2017 schliesslich baute die Niederämter Gemeinde ein Glasfasernetz aus, das bis zur Steckdose in den Wohnungen reicht. Die einzelnen Glasfasern werden bei diesem Modell öffentlich an die verschiedenen Internetprovider vermietet. Die Kundin ist in ihrer Wahl frei.

Sobald die öffentliche Hand oder private Investoren Glasfasernetze installieren, versucht die teilprivatisierte Swisscom stets eine Beteiligung zu erreichen. Das war in Däniken, aber auch in Zürich so. In Däniken sicherte sich die Swisscom mit einem Beitrag am Ausbau die Nutzungsrechte für dreissig Jahre. In Zürich, wo die Stimmberechtigten einen Kredit über 600 Millionen Franken sprachen, beteiligte sich die Swisscom und umging so die Miete. Sie kam verhältnismässig günstig zu einem Glasfaserausbau und kann nun einen Teil des Netzes nutzen.

Aber zurück zur Frage: Warum fehlt in Olten und an vielen anderen Orten bis heute ein vollständig ausgebautes Glasfasernetz?

Die Swisscom hat zwar in den letzten zwei Jahren in Olten alle Strassen mit der Glasfasertechnologie ausgestattet. Dafür steht der Begriff FTTS, Fibre to the Street. Bis Ende 2021 ist dies schweizweit Standard. Vom Strassenschacht bis in die Wohnung strömen die Daten aber weiterhin auf den alten Kupferkabeln, was die Leistung stark beschränkt (maximal 500 Mbit/s). Aus finanziellen Gründen konzentrierte sich die Swisscom zunächst auf den schweizweiten Glasfaserausbau bis in die Strassen. Aber der öffentliche Druck für ein vollständig ausgebautes Glasfasernetz hat zugenommen. Und so will die Swisscom nun bis 2025 schweizweit 60 Prozent der Liegenschaften mit Glasfasernetz abdecken. Dafür investiert sie jährlich 1,6 Milliarden Franken.

Sollten auf eine allfällige Ausschreibung Oltens private Investorinnen ein Glasfasernetz errichten wollen, würde dies die Swisscom wohl aus der Reserve locken.

Denn eines hat sich auch seit der Teilprivatisierung der Swisscom Ende der 90er-Jahre nicht geändert: Das Unternehmen, das zu 51 Prozent dem Bund gehört, bemühte sich stets um die Vormachtstellung auf dem freien Markt. Erst sperrte es sich gegen einen regulierten Zugang zum Kupfernetz, das noch aus der Monopolzeit stammte. Und zuletzt wurde der Vorwurf laut, die Swisscom versuche auch auf dem Glasfasernetz eine Art Monopolstellung zu erlangen. Einer der «kleinen» Internetanbieter lehnte sich gegen die Gigantin auf und reichte bei der Wettbewerbskommission (Weko) Anzeige ein, worauf diese ein Verfahren eröffnete. Fredy Künzler gehört mit seiner Init7 zu den Pionieren für schnelles Internet. Und als Mitbewerber wirft er der Swisscom vor, so, wie sie den Glasfaser-Milliardenausbau umsetze, behindere sie den Wettbewerb.

Warum sie die Konkurrenz ausbremst?

Achtung, jetzt wird’s technisch.

Bisher wurden die Glasfasernetze als grosse Bündel mit 432 Fasern verlegt. Das erlaubte es, vom Verteiler in jede Wohnung vier Fasern zu ziehen. Internetanbieter können diese analog zu einem Marktplatz mieten, um ihren Service anzubieten. Die Swisscom verlegt aber von der Zentrale zum Verteiler eine viel dünnere Glasfaser mit 24 Fasern und verwendet anschliessend eine spezielle Technologie, um die Daten auf verschiedene Lichtstrahlen zu teilen. Pro Haushalt genügt somit eine Glasfaser. Für die Konkurrenz bedeutet dies: Sie kann sich nicht eine eigene Faser mieten, sondern muss die Internetverbindung der Swisscom nutzen. Sie könne somit die Preise kontrollieren, so der Vorwurf.

Weil die Swisscom als ehemalige PTT-Staatsmonopolistin die alten Kabelschächte und Kupferkabel beherrscht, ist sie der Konkurrenz immer eine Nasenlänge voraus. Sie hatte also – von den finanziellen Möglichkeiten abgesehen – keine Eile, vollständig auf Glasfaser umzusatteln.

Dass die Swisscom immer wieder in der Kritik steht, ist eng an die einstige Monopolstellung gekoppelt. Ihr Vorteil ist nicht von ungefähr. «Die Tätigkeit von staatsnahen Unternehmen auf Wettbewerbsmärkten ist politisch gewollt, kann aber zu Wettbewerbsverzerrungen und potenziell zu Nachteilen für konkurrierende private Unternehmen führen», schreibt der Bundesrat in einem Bericht von 2017. Diese liessen sich beseitigen, indem Staatsunternehmen vollständig privatisiert würden. Dazu schreibt der Bundesrat: «Eine solche Massnahme wäre gegen das Risiko abzuwägen, das der Verlust der direkten Kontrolle der öffentlichen Hand über die Qualität der von diesen Unternehmen betriebenen kritischen Infrastrukturen impliziert.» Mitunter im Sinne ihrer Versorgungsaufgabe hat die Swisscom das Glasfasernetz in den letzten Jahren bis in die Strassen ausgebaut.

Ultrahochband als Grundversorgung, wie der Kanton Tessin dies in seiner Standesinitiative forderte: Gemäss Bund bleibt dies eine Illusion. Ein solches Bestreben sei auch aus raumordnungspolitischer Optik zu hinterfragen, schreibt der Bund und verweist auf das revidierte Raumplanungsgesetz. Ziel dessen sei es, die weitere Zersiedelung möglichst zu verhindern. Flächendeckend schnelles Internet würde hier falsche Anreize setzen. Er schreibt: «Das Raumkonzept Schweiz geht von einer polyzentrischen Entwicklung aus. Entsprechend ist es wichtig, dass in den ländlichen Räumen die regionalen Zentren über eine qualitativ hochstehende Versorgung und Anbindung an die Metropolitanräume verfügen sollten.»

In die Kategorie «regionale Zentren» fällt Olten – ein Glasfasernetz wäre am Eisenbahnknotenpunkt der Schweiz nach dieser Auslegeordnung angezeigt.

Aber warum reden wir überhaupt noch von Glasfaser …

… wenn doch die neue Mobilfunktechnologie 5G so vielversprechend ist und hohe Datenverbindungen ermöglicht?

5G ist mit ein Grund, warum der Glasfaserausbau ins Stocken geraten ist. Vor allem die peripheren Regionen würden schneller und günstiger mit der neuen Mobilfunktechnologie versorgt, so die allgemeine Meinung. Viele glaubten, sie würden daheim kein Internetabo aus der Steckdose mehr benötigen. Wegen dem grossen Widerstand gegen neue 5G-Antennen können die Telekomunternehmen ihr Vorhaben jedoch nicht mehr so rasch umsetzen wie geplant.

Gerade aufgrund des Widerstands ist denkbar, dass sich 5G im urbanen Raum nicht grossflächig etablieren wird. Dies würde eine enorme Zahl an Antennen notwendig machen. Die Kapazität der Antennen ist beschränkt, wie sich etwa an einem Eishockeyspiel erleben lässt: Wollen ein paar Hundert Menschen auf ihrem Handy ins Internet, nimmt die Leistung rapide ab.

«Jeder 5G-Sender muss sowieso mit einer Glasfaser erschlossen sein, weshalb der Antennenausbau im städtischen Raum auch vor diesem Hintergrund keinen Sinn macht», sagt Tobias Oetiker. Bleiben noch die wirtschaftlichen Aspekte: Ein offenes Glasfasernetz dürfte sich für die Einwohnerinnen ausbezahlen, wie der Gemeindevergleich der NZZ aufzeigt. Die Konsumenten zahlen oft für weniger Leistung mehr Geld. Für die Gemeinde würde das Glasfasernetz ausserdem zum Standortfaktor, da viele Firmen ein solches als Standard voraussetzen.

«Aktuell ist die Internetversorgung sowas wie eine mit Klebeband angebrachte Partydekoration. Sie funktioniert zwar, aber immer mal wieder fällt ein Stück zu Boden und muss neu angeklebt werden. Kein angenehmer Zustand für eine Ressource, die immer mehr ins Zentrum des privaten und wirtschaftlichen Lebens rückt», sagt Oetiker.


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