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Hinhören an den Solothurner Literaturtagen

Vom 14. bis 16. Mai geht die 43. Ausgabe der Solothurner Literaturtage über die (virtuelle) Bühne. Wir empfehlen drei Bücher, die uns besonders gut gefallen haben. Und Veranstaltungen, die sich besonders lohnen.
11. Mai 2021
Text: Isabel Hempen.

Auch dieses Jahr finden die Solothurner Literaturtage online statt. Die rund hundert Veranstaltungen können auf www.literatur.ch in den drei Kanälen «Hören», «Sehen» und «Mitmachen» mitverfolgt werden – mit Ausnahme von zehn ausgewählten Anlässen, die in Absprache mit dem Kanton Solothurn mit Publikum abgehalten werden können. Tickets sind über die Website erhältlich.

Das sind unsere Empfehlungen:

Mazen Maarouf: Ein Witz für ein Leben

Fantastisch verdreht sind die vierzehn Erzählungen des palästinensisch-libanesischen Autors Mazen Maarouf, die Larissa Bender aus dem Arabischen ins Deutsche übersetzt hat. Der sechsjährige Protagonist in «Ein Witz für ein Leben» beschliesst, seinem Vater zu einem Glasauge zu verhelfen, damit die bewaffnete Miliz in den Strassen ihn nicht mehr dauernd verprügelt. In «Das Kino» versteckt sich ein Kind nach einem Bombeneinschlag in einem verlassenen Vorführsaal und folgt einer Kuh durch die Trümmer. Es gibt einen Onkel, der dreimal stirbt. Einen Jungen, der aufhört zu lachen. Und einen, der seinen Bruder an Organhändler verkaufen möchte.

Der 1978 geborene Maarouf hat bereits mehrere Gedicht- und Kurzgeschichtensammlungen veröffentlicht. In seiner Kindheit flüchtete er von Palästina in den Libanon, wo er den Bürgerkrieg und die Hisbollah erlebte. 2011 ging er nach Island ins Exil, nachdem er für sein Schreiben Morddrohungen erhalten hatte. In seinen Geschichten kippt das Gewohnte ins Absurde und das Seltsame wird normal. Auch dort, wo Menschen sterben und der Krieg tobt. Gewalt und Tod passieren bei Maarouf stets nur nebenbei. Sie sind selbst lediglich Kuriositäten in einer durch und durch kuriosen Welt.

Mazen Maarouf ist am Freitag um 15 Uhr im PEN-Reading zu erleben.

Lukas Maisel: Buch der geträumten Inseln

Lukas Maisels «Buch der geträumten Inseln» liest sich wie ein Abenteuerroman aus dem 19. Jahrhundert. Robert Akeret heisst sein Protagonist, und der bricht auf Geheiss einer kryptozoologischen Gesellschaft nach Papua-Neuguinea auf. Im Urwald machen er und seine drei Gefährten sich auf die Suche nach der mythischen Spezies Orang Pendek, einem Wesen zwischen Mensch und Affe.

Akeret hat ein grosses zoologisches Wissen, das er von Lévi-Strauss bis Linné den Lesern näherbringt. In seinem Erleben der Welt entpuppt sich der Mann mit autistischen Zügen aber als ziemlich unzuverlässiger Erzähler. Und auch seine drei Begleiter haben so ihre Eigenheiten: Da ist sein Schweizer Assistent Blum, Student der Ethnologie, der stets auf Korrektheit bedacht ist. Der Einheimische Jonah, der als ehemaliger Pirat ihr Boot durch den Dschungel steuert und überraschenderweise Deutsch spricht – das er von seiner Grossmutter lernte, die einst in einem deutschen Menschenzoo ausgestellt wurde. Und schliesslich Mansur, der zwar mit vielen praktischen Fähigkeiten ausgestattet ist, aber unnötig viel Plastikschrott auf die Expedition mitnimmt.

Lukas Maisel, der 1987 in Zürich geboren wurde, ist mit «Buch der geträumten Inseln» ein beschwingter erster Roman gelungen, der unterhaltsam und intelligent zwischen wissenschaftlicher Seriosität und verträumter Fantasterei mäandert.

Lukas Maisel liest am Freitag um 13 Uhr aus seinem Roman.

Lana Bastašić: Fang den Hasen

Sara, die Bosnien vor 12 Jahren verliess und seither in Irland lebt, erhält nach jahrelanger Funkstille einen Anruf ihrer Kindheitsfreundin Lejla. Sie müsse sofort nach Bosnien kommen und mit ihr nach Wien fahren, wo Lejlas verschwundener Bruder wieder aufgetaucht sei. Sara weiss, dass sie gegen den Willen Lejlas nicht ankommt – und macht sich auf den Weg nach Mostar. Die beiden Frauen begeben sich auf einen Roadtrip, der nur vordergründig harmlos wirkt:

Da sind einerseits die beiden gegensätzlichen Charaktere, die aufeinanderprallen, sowie stark divergierende Erinnerungen an die gemeinsame Kindheit. Und dann ist da diese magische Dunkelheit, die über dem Land liegt und Sara immer weiter in ihre Vergangenheit hinabzieht. Und vor der es, so ahnt sie, selbst fern der ehemaligen Heimat kein Entkommen gibt.

Lana Bastašić, die 1986 als Kind serbischer Eltern geboren wurde und nach dem Zerfall Jugoslawiens in Bosnien aufwuchs, hat mit «Fang den Hasen» einen klug komponierten und sprachlich mitreissenden Debütroman über die Auswirkungen des Bosnienkriegs geschrieben. Bosnien und Herzegowina scheint ihrem Empfinden nach heute noch ein finsterer Ort zu sein. Bastašić erhielt 2020 den Literaturpreis der Europäischen Union und ist derzeit Writer in Residence in Zürich. Ihre Übersetzerin Rebekka Zeinzinger ist an den Solothurner Literaturtagen ebenfalls anwesend.

Lana Bastašić unterhält sich am Samstag um 16 Uhr mit Laura de Weck.

Und ausserdem

Der Oltner Schriftsteller Pedro Lenz liest aus seinem neuen Mundartroman «Primitivo», am Sonntag um 16 Uhr.

Erstmals sind dieses Jahr in der Reihe «Andere Landessprachen» vier Schweizer Autorinnen eingeladen, die nicht in einer der vier Landessprachen schreiben. Jagoda Šimac Despotović, Mićo Savanović, Halyna Petrosanyak und Yoharaja Alvar Gasinathar geben am Freitag um 17 Uhr und am Sonntag um 16 Uhr Einblick in ihr Schaffen.

Neuerdings an den Literaturtagen vertreten sind auch Graphic Novels. Jan Bachmann und Simone F. Baumann lesen aus ihren Werken.


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