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«Klientelpolitik!» versus «Verhinderungspolitik!»: Auf welche Seite kippt die Waage?

Der Wahlkampf brodelt, brutzelt und braut. In wenigen Tagen wählt die Stadt ihr neues Parlament und komplettiert den Stadtrat. Ein kleines Spektakel zur Frage: «Links oder rechts?» Und für einmal geht es dabei nicht um die beiden Aareseiten.
13. April 2021
Text: Yann Schlegel, Fotografie: Timo Orubolo

Die Kluft zwischen links und rechts reisse immer mehr auf, heisst es oft. Und man könnte meinen, die Polarisierung sei auch in Olten fortgeschritten. Vielleicht, weil die beiden Lager kräftemässig so nah beieinanderliegen und in der aktuellen Legislatur eine Pattsituation vorliegt. Vielleicht, weil in Olten wie in vielen Kleinstädten zusehends ein Linkstrend auszumachen ist. Damit könnte sich die Mehrheit in diesem Jahr endgültig verschieben. Und die Bürgerlichen wehren sich dagegen.

Der Wahlkampf ist heftig: Selbst das lokale Gewerbe bekennt deutlicher Farbe als auch schon. Wer etwa in der Traditionsbeiz «Chöbu» seinen Hamburger für daheim holt, erblickt statt der Gewehre an den Wänden grosse Wahlblachen. Und die städtische Brauerei Drei Tannen haut für ihr Team auf die Werbepauken. Irgendwie charmant. Olten bleibt eine Kleinstadt, die Wege sind nun mal kurz.

Wie das mit Rechts und Links in Olten so ausschaut? Durch Smartvote erhält das politische Gefüge ein Gesicht. In einem hübschen Schema, welches das OT abbildete, sind alle Kandidierenden mit einem Punkt im politischen Spektrum verordnet. Die städtische SVP posaunte: «Die Oltnerinnen und Oltner haben am 25. April die Wahl zwischen linkem Einheitsbrei oder bürgerlicher Ideen- und Meinungsvielfalt.» Nur ist das Schema bedingt aussagekräftig, da viele der 49 Fragen der Online-Wahlhilfe nicht spezifisch Oltner Sachthemen betreffen. Trotzdem kann die Wählerin über den Fragebogen herausfinden, wer ihrer eigenen Grundhaltung am nächsten steht.

Der Links-rechts-Wahlkampf mag auf die einen zermürbend wirken.  Da tut ein Beitrag wie jener von Ursula Rüegg in der Neuen Oltner Zeitung auch mal gut: «Wir brauchen beide Seiten der Waage», schreibt sie. Ohnehin lässt sich – zum Glück im Sinne der Sache – nicht immer alles auf die beiden Pole reduzieren. Und doch wird die Waage auf eine Seite ausschlagen. Das SRF-Regionaljournal prophezeit zurückhaltend, dass die Linke im Parlament die Mehrheit erringen wird. Das OT wälzt die Argumente, wagt sich aber nicht auf die Äste hinaus und bilanziert: Alles ist offen.

Die Parteien kämpfen derweil weiter um die Gunst der Wählerinnen. Die Linke betreibe Klientelpolitik, ruft die Rechte. Die Bürgerlichen würden sich in Verhinderungspolitik üben, schreit die Linke. Und die Mitte? Manchmal scheint es sie fast nicht zu geben, weil sie sich im Wahlkampf aus unerfindlichen Gründen gerne an die Rechte schmiegt, statt sich klarer als Mitte zu profilieren. Immerhin gesellt sich CVP-Co-Präsident Darryl Fiechter im Wahlkampf zur rappenden Zunft. Und er wirft alle Hemmungen ab, wenn es darum geht, seinen Stadtratskandidaten Beat Felber anzupreisen.

Mittelmass, Medienschwindel, Zukunftsmusik

Wo wir schon bei der Mitte sind: Die NZZ erklärte neulich mal wieder, was Olten für sie sei. Mittelmass halt. Zumindest haben wir es so verstanden. In einem Leitartikel schrieb Inland-Leiterin Christina Neuhaus: «Wer heute im Zug von St. Gallen nach Bern fährt, muss damit rechnen, in Olten oder – noch schlimmer – in Oensingen zu landen.» Ui, ganz schlimm, dachten wir auch! Unser Beileid, liebe Frau Neuhaus, auch für den Umstand, dass es nur zum Griff in die Klischee-Wühlkiste gereicht hat. (Es ging in dem Text übrigens darum, wie die Schweiz die Coronakrise meistert: Mittelmässig eben. Das Onlineportal Infosperber schrieb in seiner Kritik zum Thema: «Im Meckern sind die Medien Spitze.»)

Und noch etwas zur Medienlandschaft und dem Zerfall im Lokaljournalismus. Bei den Grosskonzernen, denen immer mehr Medientitel gehören, nimmt der Abbau seinen Lauf, wie sich derzeit in Bern zeigt: Tamedia legt mit der «Berner Zeitung» und dem «Bund» zwei Traditionszeitungen zusammen und streicht zwanzig Arbeitsplätze. Die Titel bleiben bestehen, die Inhalte werden jedoch dieselben. Der Konzern kennt dieweil keine Skrupel. Er behauptet frisch-fröhlich, die Eigenständigkeit der Titel sei gewahrt. In Olten steht der Lokaljournalismus vergleichsweise noch gut da. Nicht zuletzt auch dank Kolt. (Ups, Eigenlob stinkt!)

https://twitter.com/redder66/status/1380102481435361281

Zum Schluss noch ein Lesetipp: Wie wir schon geschrieben haben, macht das Coq d’Or bald endgültig zu. Im Stadtanzeiger sprach Daniel Kissling seine Gedanken zur Zukunft des Kultlokals aus. «Es gibt momentan zwei Varianten. Die realistischere ist, dass wir nun erst mal durchschnaufen.»


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