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Mut zur Lücke – und zum 40-Millionen-Schulhaus

Ein Erlebnis, zwei politische Pole und ganz viele Tonlücken. Das war die Parlamentsdebatte. Und aus ihr resultierte am Ende ein viel zitiertes Schulhaus. So denn der Souverän will.
26. März 2021
Text: Yann Schlegel, Fotografie: Timo Orubolo, Illustration: Roger Lehner

Der Journalist fühlte sich an der Parlamentssitzung fast ein wenig in seine Schulzeit zurückversetzt. Damals, als es im Französischunterricht galt, die Lückentexte zu vervollständigen. Voilà.

In etwa so verhielt es sich beim lokalpolitischen Audio-Live-Erlebnis. Immer wieder sorgten kurze Tonausfälle dafür, dass die Zuhörerin sich ausmalen musste, wie das redende Gegenüber die Stille wohl gefüllt hatte. So viel zu den Tücken der Technik.

Obwohl es sich wie eine Diktatprüfung mit offengelassenen Lücken anfühlte: Oltens Lokalpolitik hat Unterhaltungswert. Um es in den Worten von Olten-jetzt!-Politiker Daniel Kissling zu sagen: «Es ist 1 Erlebnis!»

Aber bei aller Komik gings um eine ernste Sache. Um jenen Ort, an dem die Stadt ihre künftigen Generationen ausbildet. Fünfzig, vielleicht gar hundert Jahre soll das neue Schulhaus im Kleinholz sich halten. Der Bau hat seinen Preis: Rund 40 Millionen Franken teuer wird er inklusive Dreifachturnhalle sein. Das Siegerprojekt aus Zürich mahnt an eine grosse Windmühle und trägt daran angelehnt den Namen «windmolen».

Windmühlenartig haben die Bürgerlichen die «Kostenexplosion» angeprangert. Fast von Beginn weg war die Schulhausplanung von harschen Tönen begleitet. In der Kritik stand Iris Schelbert, die einst an einer Parlamentssitzung die Zahl von 6,5 Millionen Franken in den Mund nahm. Die Kosten mögen um ein Vielfaches höher ausfallen – in erster Linie verspielte die Stadtregierung ihr Vertrauen aber durch konsistent schlechte Kommunikation, wie wir aufzeigten.

Bildungsdirektorin Iris Schelbert zieht sich im Sommer aus der Politik zurück. Vor dem an den Bildschirmen versammelten Parlament gab die langjährige Grüne Stadträtin ihr «mea culpa». «Mit dem verqueren Anfang müssen wir leben, ich würde es rückblickend anders machen», sagte sie. Und SP-Stadtratskollege Thomas Marbet versprach im Hinblick auf die Realisierung: «Der Preis kann nur nach unten gehen.»

Streichen, kürzen, ein Kostendach

Den FDP-Mann Urs Knapp dürfte es geschaudert haben. Und er sagte wenig später auch, bei dieser Aussage habe er gleich Angst gekriegt. Die Stadtregierung hat die Finanzen nicht im Griff, so der Tenor. Und darum wollen die Bürgerlichen mal wieder nachjustieren. Pauschal die Investition kürzen, ein Kostendach festlegen. Der Stratege der Freisinnigen wartet denn auch mit dem gewohnt scharfen Kürzungsantrag auf: Er will den Baukredit um 15 Prozent auf 33,8 Millionen Franken drücken. Im Vorstoss schreibt er versehentlich von 35,8 Millionen. «Drei und fünf sind nah beieinander», entschuldigt Knapp den «Druckfehler». Wie war das noch mal mit den «Kostenexplosionen»?

Seis drum, die Bürgerlichen kennen kein Pardon, wenns um Finanzen geht. «So plant man nur, wenn es nicht das eigene Geld ist», sagte SVP-Vertreter Matthias Borner. «Wenn ich letztes Jahr im Witz sagte, jedes halbe Jahr könne man 5 Millionen draufpacken, so hat sich dies als Prognose herausgestellt.»

Borner und Thomas Kellerhals (CVP) monieren unisono die Wissensasymmetrie. Wissens… was?! Die ungleich verteilte Information. «Wir können schlecht sagen, ob die Kosten angemessen sind», sagte der Kanti-Wirtschaftslehrer Kellerhals (auch mir hat er mal beigebracht, was eine asymmetrische Informationslage ist). Setzen die Fachplaner auf eine Luxusvariante bei den Wasserhähnen? Brauchts eine Tunnel-Verbindung zur Stadthalle? Müssen im Zuge des Neubaus die Aussenräume aufgewertet werden? Fragen über Fragen. Die CVP stimmt in den Chor ein, welche die Kosten mal prophylaktisch kürzen will. Die Versuchung, den Rotstift hervorzunehmen und Bestandteile aus dem Projekt zu streichen, erreicht ihren Kulminationspunkt.

Holz oder Beton?

Urs Knapp schiebt derweil noch einen kühnen Vorschlag nach. Da die Stadt es nicht verstehe, eine Eventhalle zu vermarkten, könne man die Stadthalle gleich abreissen und Wohnungen an attraktiver Lage bauen. Und um die Kosten zu senken, schlägt er Zürcher Methoden vor: Dort würden künftig die Fensterflächen reduziert und mehr mit Holz gebaut. Das sei erst noch ökologischer. Für rund 2500 Franken pro Quadratmeter liesse sich so ein Schulhaus errichten, stützte Knapp sich auf eine Zahl von Lignum (Dachorganisation Schweizer Holzwirtschaft). In Olten kostet das Schulhaus voraussichtlich 4300 Franken pro Quadratmeter. Der Vergleich klingt plausibel.

Noch so gerne hätte er einen Holzbau, sagte der baldige Stadtrat Raphael Schär (Grüne). Nur habe die Stadt just aus Kostengründen darauf verzichtet, da ein Holzelementbau den Kostenrechnungen zufolge 5 Millionen Franken mehr verschluckt hätte.

Wie geht also diese Rechnung auf? Die einfache Antwort gibt es nicht. Aber Vergleiche lassen sich nicht immer so leicht anstellen. In diesem Fall hat die Stadt beim Quadratmeterpreis sämtliche Kosten eingerechnet (Grundstück, Infrastruktur und Bau). Das Beispiel von Lignum hingegen bezieht sich vermutlich bloss auf den Rohbau. Simone Sager von der FDP trifft den Nagel auf den Kopf: «Für die Frage, ob Beton oder Holz, ist es ohnehin zu spät.»

Dann legt sich die Linke für das vorliegende Projekt ins Zeug. «Es lohnt sich nicht zu schmürzeln, es wird ein Ausbildungszentrum für ein halbes Jahrhundert», sagte Luc Nünlist. Statt am Bau zu schrauben, sollten alle für ihn einstehen, appellierte Corina Bolliger. «Wir sollten das Projekt nicht kastrieren und kaputt machen, indem wir Elemente raushauen», meinte Tobias Oetiker.

Rückschlag im Leiterli-Spiel?

Zum Schluss darf Baumeister Kurt Schneider aufzeigen, was die Baukredit-Kürzung für Konsequenzen hätte. Und zwischen den Zeilen malt er das drohende Szenario: Nochmal würde die Planung irgendwo mittendrin beginnen. Nochmal ein Planungskredit. Irgendwo müsste die Stadt an den Bestandteilen schrauben und streichen, um die 6 Millionen rauszuholen. Das Schulhaus könnte nicht bereits 2024 eröffnet werden. «Wir können nicht plötzlich im Verfahren die Spielregeln ändern», mahnte Baudirektor Marbet zum Schluss.

Von den Drohgebärden lässt sich das Gros der Bürgerlichen nicht irritieren – sie stimmen für die 15-Prozent-Kürzung. Zwei jedoch (Anja Lanter, FDP / Ernst Eggmann, parteilos) gesellen sich zur Linken, womit das Schulhaus mit dem Baukredit von knapp 40 Millionen Franken einigermassen komfortabel durchkommt. Sagt die Stimmbevölkerung Ja zum Bau, wird es die Aufgabe der Stadt sein, ihr Wort zu halten. Baudirektor Marbet hat sich mit seinem Versprechen Druck auferlegt.

Was Olten sonst bewegt:

Die Barrieren kommen: Trotz Widerstand einiger Exponenten hält der Stadtrat an seiner Strategie gegen den Schleichverkehr im Säliquartier fest.

Und: Die Traditionsmetzgerei Tinner mit ihrem auffällig roten Fassadenanstrich schliesst heute Samstag nach 28 Jahren endgültig ihre Türen.


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