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«Wir stopfen die Hallen voll, die wir kriegen»

Der Hallensport boomt – Oltner Vereine kriegen abends keine freien Turnhallen mehr. Grossklubs wie der Handball-Verein Olten müssen kreative Lösungen finden. Sie hoffen aber auf eine neue Dreifachturnhalle.
14. Oktober 2020
Text: Yann Schlegel, Fotografie: Timo Orubolo

Melonengrosse Bälle fliegen durch die Giroud-Olma-Halle und bleiben scheinbar an den Händen der Spielerinnen kleben. In der anderen Hallenhälfte wärmt sich zur gleichen Zeit die erste Männermannschaft vom Handball-Verein Olten auf. Ein gewöhnlicher Montagabend, an dem die beiden Aushängeschilder des örtlichen Grossklubs gemeinsam in der Dreifachturnhalle Spitzenhandball betreiben.

Hier das 1. Liga-Team der Männer, das zum Sprungbrett für die NLA-Spitzenmannschaft vom HSC Suhr Aarau gewachsen ist und letztes Jahr beinahe in die zweithöchste Liga aufgestiegen wäre. Dort die Frauen-NLB-Mannschaft. Auch sie befand sich im Frühling bei Saisonabbruch auf Aufstiegskurs in die höchste Schweizer Liga. «Wir wollen zum grössten und besten Frauenverein im Mittelland werden», sagt Sandro Romeo. Worte, die vom neuen Selbstverständnis des Handball-Vereins zeugen. Gemeinsam mit Kerem Yildirim beobachtet er seine Schützlinge an der Hallentür. Sie führen den Grossklub mit Elena Schibli und Martin Hasenfratz im Co-Präsidium.

Sandro Romeo und Kerem Yildirim in der Giroud Olma.

Die Halle zu teilen, ist beim HVO zur Normalität geworden. Zum einen ist dies dem Erfolg des Vereins geschuldet, zum anderen der knappen Infrastruktur der Stadt. Die Oltner Regierung hat den Turnhallenmangel erkannt und möchte gemeinsam mit dem neuen Schulhaus im Kleinholz eine neue Dreifachturnhalle bauen. Aber kann sie sich dies leisten? Ist die Infrastruktur wirklich vollends ausgelastet? Fragen wie diese haben Gemeindeparlamentarier in den letzten Jahren wiederholt aufgeworfen. Zumal neben dem künftigen Schulhaus, über das die Bevölkerung im kommenden Jahr befinden wird, bereits die Stadthalle steht.

«Wir müssen zunächst wissen, was die künftige Nutzung sein wird.»

Kurt Schneider, Leiter der Oltner Baudirektion

Der grüne Koloss im Oltner Kleinholz gehört mit Baujahr 1979 längst zum Inventar der Stadt. Neben der Giroud Olma ist die Stadthalle die einzige Dreifachturnhalle in Olten geblieben. Mit ihrem Alter von über vierzig Jahren besteht verschiedentlich Sanierungsbedarf. Bereits für dieses Jahr war im Stadtbudget ein neuer Boden vorgesehen. Die Baudirektion stoppte das Vorhaben aber. «Wir müssen zunächst wissen, was die künftige Nutzung sein wird», sagt Leiter Kurt Schneider. Derzeit gibt’s zwei mögliche Szenarien: Sagt die Bevölkerung Ja zur Dreifachturnhalle, bleibt die Stadthalle unter anderem eine Halle für Veranstaltungen und Ausstellungen. Andernfalls muss die Stadt sie zur Turnhalle für den Schulsportunterricht umrüsten und einen geeigneteren Boden einbauen.

Hinter den Bäumen verborgen ragen die knallgelben Lüftungsrohre wie Kamine eines Dampfers in die Höhe. Auf der Wiese neben der Stadthalle sind das Schulhaus und die neue Dreifachturnhalle geplant.

Über die Wintermonate herrscht in der Stadthalle auch abends Hochbetrieb. Jeweils am Donnerstagabend trainiert der Handball-Verein Olten zur gleichen Zeit bis zu siebzig Kinder. In den letzten Jahren ist der Klub vor allem im Nachwuchsbereich rapide gewachsen. In den siebzehn Teams des Vereins spielen insgesamt 300 Mitglieder Handball. «Für Trainings ist die Stadthalle ideal, wir können dank ihrer Grösse bis zu sechs Gruppen bilden», sagt Kerem Yildirim. Er trainiert mit seinem vierköpfigen Trainerteam einmal pro Woche rund 30 Kinder unter neun Jahren. «Nur noch», sagt er und lacht, «weil ich letztes Jahr 25 Kinder weitergegeben habe.»

Für den Spielbetrieb ist die Giroud Olma die Lieblingshalle des HVO, wie Yildirim erzählt. «Hier haben wir schon mit 200 Zuschauerinnen eine gute Stimmung.» In der Stadthalle verpufft die Stimmung bei gleich viel Publikum in der schieren Grösse der Halle. Die über dem Sälipark liegende Giroud Olma ist tagsüber durch die Berufsschule belegt. Seit 26 Jahren schon und somit seit deren Bestehen beansprucht die Stadt die Halle als Untermieterin des Kantons am Abend und an den Wochenenden. Neben den beiden Dreifachhallen verfügt die Stadt über neun Einfachturnhallen.

Nachwuchsbereich boomt in vielen Klubs

Im Winterhalbjahr sind die Oltner Turnhallen zu hundert Prozent ausgelastet, wie die Direktion für Bildung und Sport auf Anfrage schreibt. Nicht bloss der Handball-Verein ist in den letzten Jahren gewachsen. Auch der Unihockey Mittelland und der Oltner Landhockey-Verein melden zunehmenden Bedarf an Hallenkapazitäten. Ihre Nachwuchsabteilungen boomen. Dies lässt sich auch an den Beiträgen ablesen, welche die Stadt für jedes Oltner Kind an die Vereine leistet. Im letzten Jahr belief er sich mit 33’440 Franken (836 Kinder) auf einen neuen Höchststand.

«Sagen wir es so: wir stopfen die Hallen voll, die wir kriegen.»

Sandro Romeo, Co-Präsident Handball-Verein Olten

«Wir rudern erst seit rund sechs Jahren», sagt Co-Präsident Sandro Romeo im Foyer der Giroud-Olma-Halle. Verbittert sind die Oltner Handballer ob der Hallensituation nicht. Innovation sei gefragt gewesen. Der Verein schuf Trainingsgefässe, um mit mehreren Teams gleichzeitig eine Halle zu nutzen, und startet schon am frühen Abend mit den Trainings. Trotzdem müssen viele Mannschaftstrainings bei den Partnervereinen in Buchs oder Suhr/Aarau stattfinden. Einige Juniorenteams trainieren ausschliesslich in kleineren Einfachhallen und können unter der Woche keine Wettkampfsituationen simulieren. «Sagen wir es so: wir stopfen die Hallen voll, die wir kriegen», meint Romeo.

Die zweite Frauenmannschaft bereitet sich im Foyer der Giroud Olma auf ihr Training vor.

Für den HVO ist die aktuelle Situation jedoch keine Lösung auf Dauer. Mehr Trainingseinheiten in grösseren Hallen würde sich der Klub wünschen – im Moment sei der Trainingsbetrieb nur eingeschränkt möglich. «Am liebsten hätten wir eine eigene Halle», sagt Romeo und lehnt sich mit verschränkten Armen in den Stuhl. «Nur wo, und wer bezahlt?» Der Verein diskutierte ein mögliches Projekt intern und tauschte sich mit dem Volleyballklub Schönenwerd aus, der seine eigene Halle vor bald drei Jahren verwirklichte. Weiter gereift sei das HVO-Projekt nicht. Auch weil es für einen Verein mit einem Budget zwischen 200’000 und 300’000 Franken mit Risiko verbunden wäre. «Vor Jahren wäre eine eigene Halle nie ein Thema gewesen», gesteht Romeo. Daher hofft der Handball-Verein auf die bestehenden Ideen und ein neues Schulhaus inklusive Dreifachturnhalle. Zusätzliche Kapazitäten würden entstehen, wodurch sich der HVO mehr Hallenzeiten in Olten erhofft.

Zweifler von links bis rechts

Rund 11,4 Millionen Franken würde die neue Dreifachhalle im Kleinholz kosten. Ein (zu) grosser Batzen, finden einzelne Stadtpolitiker von links bis rechts. Mit einer Interpellation hinterfragten Urs Knapp (FDP) und Philippe Ruf (SVP) im Frühling, ob der Schulbetrieb auf eine zusätzliche Dreifachhalle angewiesen ist. «Mit einer Dreifachturnhalle sind genügend Kapazitäten vorhanden, um den Betrieb des Schulsports für das Schulhaus Kleinholz zu sichern. Entsprechend könnten die quantitativen Bedürfnisse des Schulsports (ohne Vereinssport) auch in einer sanierten Stadthalle abgedeckt werden», schreibt Stadträtin Iris Schelbert. Sie gibt aber zu bedenken, dass die Stadthalle eine der grössten Eventhallen im Kanton ist. Im Jahr 2019 fanden in der Stadthalle 16 Anlässe mit über 500 Besucherinnen statt (insgesamt 94 Mal gebucht). Durch den Auf- und Abbau sei der Schulunterricht jeweils tangiert.

«Wie viel kostet die Halle und wie viel bringt der Sport der Gesellschaft? Diese Frage sollen die Politik und das Volk beantworten.»

Kerem Yildirim, Co-Präsident Handball-Verein Olten

«Wie viel kostet die Halle und wie viel bringen der Sport und die Vereine der Gesellschaft? Diese Frage sollen die Politik und das Volk beantworten», sagt Co-Präsident Kerem Yildirim. Für den HVO sei jedes Szenario denkbar. Die Dreifachhalle soll nicht auf der Strecke bleiben. Auch eine Beteiligung an der Halle sei denkbar, sagt Romeo. «Wir wären selbst bei höheren Mietkosten kompromissbereit.» Im Foyer der Giroud-Olma-Halle wird derweil das Luxusproblem des Handball-Vereins sichtbar. Die zweite Frauenmannschaft des HVO ist eingetroffen und macht sich im Foyer warm, während die Fanionteams sich drinnen noch immer die melonengrossen Bälle zuwerfen.


Soll sich die Stadt eine neue Dreifachturnhalle leisten?

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