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Preisfragen

Im Februar stimmt Olten über sein Budget ab. Ewiger Streitpunkt: Steuern erhöhen oder lieber Ausgaben senken? Ein Überblick für Unentschlossene.
12. Januar 2022
Text: Jana Schmid, Illustration: Roger Lehner

Es ist nichts Neues und wird sich wohl auch nie ändern: Bürgerliche mögen keine hohen Steuern, während für Linke eine gute städtische Infrastruktur im Vordergrund steht. Darüber streitet sich der Basler Grossrat genauso wie die politische Elite New Yorks – oder eben das Oltner Parlament. 

Bei uns geht es ums Budget für das eben angebrochene Jahr.

Debatten via Kommentarfunktion

Kolt hat im Herbst umfangreich über die umstrittene städtische Finanzplanung berichtet. Hauchdünn hatte das Stadtparlament damals den linken Vorschlag angenommen, der für 2022 eine Steuererhöhung vorsieht. 

Es geht konkret um eine Erhöhung des Steuerfusses – um zwei Prozentpunkte für Privathaushalte und um zehn Prozentpunkte für Unternehmen. Dies, nachdem der Kanton Solothurn 2020 die Gewinnsteuern für grössere Unternehmen als Folge der Unternehmenssteuerreform drastisch gesenkt hat (auch darüber hat Kolt berichtet). Das wiederum sorgt für zunehmende Defizite in den Stadtfinanzen. In diesem Kontext ist der Sprung von 10 Prozent für Unternehmen weniger einschneidend, als er auf den ersten Blick scheinen kann.

Am 13. Februar stimmt die Oltner Stimmbevölkerung also über das Budget 2022 ab. Und damit über die Steuererhöhung. Um wie viel mehr Steuern es für die einzelne Bewohnerin geht, das hat Kolt im November ausgerechnet. Fazit: Weder Privatpersonen noch Unternehmen werden unter dem Strich viel stärker zur Kasse gebeten. Aber ein wenig halt schon.

Unsere Leser kommentierten die Berichterstattung umfangreich. «Die Stadt hat ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem», steht da. Oder: «Mit Steuererhöhungen gewinnt Olten keine zusätzlichen Steuerzahlenden». Bekannte Namen aus den Kreisen der Oltner FDP kritisierten via Kommentarfunktion die linke Vorlage scharf.

Was bedeutet das alles konkret? Für Stimmberechtigte und Steuerzahlerinnen? Was hilft, um sich am 13. Februar für oder gegen die Vorlage zu entscheiden?

Wir haben uns einen Überblick über die Hauptargumente und Streitpunkte geschaffen. Und nachgefragt, wo wir nicht weiterwussten. 

These 1: Olten braucht eine Steuererhöhung für notwendige Investitionen.

So das Votum der linken Mehrheit im Stadtrat. Es stehen Investitionen an, die Olten durch sein Sparprogramm in den letzten Jahren vernachlässigt habe. «Die geplanten Investitionen sind wichtig und wertvoll für unsere Stadt, weil sie Olten lebenswerter machen», sagt Martin Räber, Gemeindeparlamentarier der Grünen. 

Konkret geht es um mehrere grosse Bauprojekte: etwa die Schulbauten Kleinholz und Frohheim, das Kunstmuseum, ein neuer Bahnhofplatz, die Attraktivierung des Ländiwegs, die Fussgängerverbindung Hammer. Und auch bestehende Bauten müssen instandgehalten werden. Rund 18.5 Millionen Franken möchte die Stadt 2022 investieren. 

Zumindest zwei Projekte sind unbestritten: Die Stimmbevölkerung hat die Schulanlagen Kleinholz bewilligt, der Ländiweg ist bereits in Umsetzung. Rund 10 Millionen werden dafür im kommenden Jahr gebraucht; in den Folgejahren natürlich noch mehr.

Und die restlichen 8.5 Millionen? Kann die Stadt da nicht etwas sparsamer sein? Ist Steuernerhöhen wirklich nötig? 

«Es ist wichtig zu sehen, dass über alle grösseren Investitionen entweder das Stimmvolk oder das Parlament entscheiden wird», sagt Benvenuto Savoldelli, Stadtrat und Finanzdirektor von Olten. «Der Stadtrat entscheidet hier nicht über die Köpfe der Stadtbewohnerinnen hinweg, sondern schlägt Projekte vor. Oft erhalten diese viel Zuspruch – zu einem neuen Bahnhofplatz etwa sagt kaum jemand nein. Aber wenn man sich etwas leisten will, dann kostet das auch.»

Der Vorwurf, die Stadt solle sparsamer sein, müsse immer im Lichte aller Interessen gesehen werden: «Es gibt enorm viele Interessensgruppen in einer Kleinstadt wie Olten. Schlägt man vor, die Stadthalle abzureissen, wehren sich die Sportvereine. Beim Stadttheater die Kultur. Sogar als der Stadtrat das Oltner Krematorium schliessen wollte, weil es in Aarau jetzt ein grösseres und modernes gibt, war die Gegenwehr gross.»

Sparsamer zu sein sei somit leichter gesagt als getan, so Savoldelli. 

Alles neu: So soll der Bahnhofplatz irgendwann aussehen. (Quelle: Visualisierung Stadt Olten)

These 2: Olten braucht keine Steuererhöhung, sondern weniger Ausgaben.

Urs Knapp und Nico Zila von der FDP Olten sind anderer Meinung. Kann Kultur nicht auch ganz ohne Förderung entstehen? Und brauchen tolle Begegnungen immer ein perfektes Aussenraumkonzept? Diese und andere Fragen stellt sich Nico Zila, Präsident der FDP-Fraktion im Gemeindeparlament, in seinem Kommentar auf unseren Artikel. Auch FDP-Gemeindeparlamentarier Urs Knapp findet, die Stadt müsse sich auf Investitionen fokussieren, die die Stadtentwicklung wirklich fördern.

Kurz: weniger ausgeben statt Steuern erhöhen.

Wir haben die beiden gefragt, wie sie das machen würden. «Es ist ein Trugschluss, dass Olten nur attraktiv ist, wenn man möglichst viel Geld ausgibt», sagt Nico Zila am Telefon. 

«Der Finanzplan ist eine Wunschliste. Der Stadtrat hat alles reingepackt, was er gerne machen würde, und will dann Steuern erhöhen, um das zu ermöglichen. Aus meiner Sicht müsste man umgekehrt vorgehen: Schauen, was sich die Stadt leisten kann, und dann planen.»

Und wo könnte Olten konkret sparsamer sein? 

(Quelle: Visualisierung Stadt Olten)

«Das muss bei jedem anstehenden Projekt neu ausgehandelt werden», findet Zila. «Ich persönlich habe bei Kunstmuseum und Stadthalle meine Vorbehalte, und auch bei Sanierungsarbeiten an der Badi wird man genau hinschauen müssen.»

Urs Knapp sieht bei der Diskussion über Projekte und deren Finanzierung grundsätzliche Probleme: «Mir fehlt besonders bei Abstimmungen über Investitionen eine klare Entscheidungsgrundlage», sagt er. Er findet, man spreche zu viel von neuen Projekten und zu wenig darüber, was diese tatsächlich kosten.

«Müsste man bei der Abstimmung über ein Bauprojekt gleichzeitig über eine Steuererhöhung abstimmen, wären die Resultate wahrscheinlich andere.» Der Stadtrat müsste hier klarer aufzeigen, wie vorgeschlagene Projekte finanziert werden sollen – im Parlament wie auch in den Abstimmungsunterlagen. Dann würde die Stadt automatisch effizienter haushalten, so seine Vermutung.

These 3: Die Stadt erwartet für 2021 ein viel besseres Resultat, als im Budget vorgesehen war. Damit wären die Kosten für Investitionen gedeckt, ohne die Steuern zu erhöhen.

Auch dieses Argument wird in den Kommentaren aufgeworfen. Nico Zila findet die vorgesehene Steuererhöhung umso unnötiger, als dass Olten in der Rechnung 2021 knapp 8 Millionen besser als budgetiert abschliessen wird: «Damit wären die fehlenden Beträge für das Jahr 2022 gedeckt, ohne an den Steuern zu schrauben.»

So einfach? Wir haben nachgefragt.

Nein, sagt Benvenuto Savoldelli. Es gehe nicht um den Gewinn, den die Stadt gemacht hat, sondern um die Frage, wie die anstehenden Investitionen bezahlt würden. «Die Verbesserung der Rechnung von letztem Jahr ist zu einem grossen Teil auf die Neubewertung des Finanzvermögens zurückzuführen. Das ist reiner Buchgewinn. Daraus fliesst aber kein Geld. Wir können damit keine Projekte finanzieren.»

Also doch nicht ganz so einfach. 

Was wäre denn, wenn die Vorlage vor dem Stimmvolk scheitern würde? Müsste Olten dann auf seine Bauvorhaben verzichten?

«Nicht direkt im Jahr 2022», meint Savoldelli. Es würden vorerst keine geplanten Investitionen gestoppt. Die Stadt müsste sich jedoch im 2022 um 2.5 Millionen Franken – so viel würde mit der Steuererhöhung in diesem Jahr zusätzlich eingenommen – mehr verschulden. Und das könnte problematisch werden, weil die Pro-Kopf-Verschuldung im Fall Olten das Damoklesschwert ist: Sie muss unter einem Wert von 5000 Franken bleiben. Ansonsten droht ein Eingreifen durch den Kanton. «Ohne die Steuererhöhung wird Olten längerfristig sehr nahe an diesen Grenzwert kommen. Insofern stehen wir unter einem gewissen Druck.»

(Quelle: Visualisierung Stadt Olten)

These 4: In Olten leben und arbeiten wird durch die Steuererhöhung zu teuer. 

Wir wissen es alle: Olten hat zu viele leere Wohnungen. Und die bezahlen bekanntlich keine Steuern. Also braucht es Menschen, die nach Olten ziehen. Gibt es aber nicht genug – und mit Steuererhöhungen erst recht nicht, findet Kommentar-Autor Knapp. Diese würden einen Umzug nach Olten unattraktiv machen. Ganz besonders habe die Erhöhung um zehn Prozentpunkte für Unternehmen eine abschreckende Wirkung.

Stimmt das? Auch wenn die Zuzüglerin ihr Kind dank der höheren Steuern in eine attraktivere Schule schicken kann? Und könnte das Kleingewerbe nicht auch von einer lebendigeren Stadt profitieren?

Martin Räber, selbst KMU-Geschäftsleiter, hat dazu eine klare Haltung. «Mit der Steuererhöhung kann Olten definitiv aufgewertet werden, und davon profitieren Privatpersonen wie auch Unternehmen ungemein viel mehr, als dass sie verlieren», sagt er. Die tatsächlichen Erhöhungen seien marginal, wenn man die Beträge ausrechnet. «Unter dem Strich dienen die geplanten Investitionen allen.»

Auf der Suche nach Klarheit fragen wir einen Experten um Rat. Aber selbst Kurt Schmidheiny, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel, kommt zum Schluss: «Es ist kompliziert, und es ist grundsätzlich. Mit den Steuern entscheidet eine Stadt auch ein Stück weit, was und für wen sie sein will.»

Und so die Schulanlage Kleinholz. (Quelle: Visualisierung Stadt Olten)

Trotzdem gibt es Anhaltspunkte, die die Wissenschaft liefern kann. 

Grundsätzlich gilt: Ja, Steuererhöhungen können zu Abwanderung führen. Wenn ein Ort durch tiefere Steuern attraktiver wird, dann steigen aber wegen der grösseren Nachfrage die Wohnkosten – und sinken umgekehrt bei höheren Steuern. Im Resultat kann das den Effekt der Abwanderungen durch Steuererhöhungen wieder aufheben.

Dabei verhalten sich einkommensstarke Haushalte anders als einkommensschwache: Menschen mit hohen Einkommen werden von tiefen Steuern angelockt und von hohen Wohnkosten weniger abgeschreckt, bei Menschen mit tiefen Einkommen verhält es sich umgekehrt.

Zieht man jedoch die bessere öffentliche Infrastruktur in Betracht, so weicht sich auch dieser Effekt wieder auf. Zum Beispiel sind Haushalte mit hohen Einkommen tendenziell bildungsnaher und schätzen deshalb gute Schulen.

Welchen Einfluss nun ein schönes, neues Schulhaus und welchen eine geringfügige Steuererhöhung hat, ist also sehr schwer abzuschätzen. 

Auch bei den Unternehmen gibt es keine einfache Formel. Schmidheiny verweist auf Studien, die aufzeigen, dass die Wichtigkeit eines Standortes einen grossen Einfluss haben kann darauf, wie örtliche Unternehmen auf Steuerveränderungen reagieren. Olten ist als Standort für Firmen relativ wichtig. Es sei damit gut möglich, dass sich die Stadt auch etwas höhere Unternehmenssteuern im Vergleich zum Umland leisten kann, ohne sofort Firmen zu verlieren.

Fazit: Es ist kompliziert

Es wird wieder einmal klar: Geht es um Finanzen, sind die Fronten verhärtet in der Oltner Politik. Welche Investitionen tatsächlich notwendig sind und mit welchen Mitteln sie finanziert werden sollen, sind politische Fragen, die polarisieren. Und die deshalb oft nicht so einfach zu beantworten sind. 

Trotzdem bleibt festzuhalten: Der finanzielle Spielraum einer Kleinstadt ist begrenzt. Besonders wenn grössere Bauprojekte per Abstimmung bewilligt wurden. Viel mehr Geld auszugeben ist genauso schwierig, wie viel sparsamer zu sein. Schlussendlich geht es um Gewichtungen von einzelnen Projekten. 

Es wird sich zeigen, ob sich die Stimmbevölkerung darüber ebenso uneinig ist wie ihre Repräsentation im Gemeindeparlament. 


Was spricht für dich für oder gegen das Budget 2022? Braucht Olten die vorgeschlagene Steuererhöhung?

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