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Reflexion zur Region: Diese Themen beschäftigen die Kantischüler

Die Kantischülerinnen haben die Reifeprüfung hinter sich. Mit der Maturaarbeit geben sie Einblick in ihr Schaffen. Wir haben uns durch ein paar Arbeiten mit regionalem Bezug gelesen: von Lichtemissionen, Quartier-Anschlagkasten, erneuerbaren Autos und verunreinigter Dünnern – eine Übersicht.
8. April 2022
Text: Yann Schlegel, Fotografie: Timo Orubolo

Das Einmaleins der wissenschaftlichen Arbeit lernen die Kantischüler alljährlich bei der Maturaarbeit. Sie ist wortwörtlich genommen sowas wie die Reifeprüfung. Maturi und Maturae, die gereiften Menschen, wie mein Klassenlehrer uns gerne mantraartig aus dem Lateinischen übersetzte. (Vermutlich erhoffte er sich dadurch besseres Benehmen.)

Dann kam er, dieser Tag, an dem man ein erstes Mal dachte, so fühle sich Erwachsensein an. Im März bei den Präsentationen der Maturaarbeiten. Vor Familie und wildfremden Menschen stehen die Schülerinnen hin und erzählen, womit sie sich im letzten halben Jahr eingehend beschäftigt haben. Wie sie einer Frage nachgingen. Zittrige, schweissfeuchte Hände, mal eine kratzende Stimme. Nach zwanzig Minuten ist der Adrenalinschub vorüber. Ein Schritt raus in die weite Welt getan, denkt man sich.

Auch wenn das Bild sich im Zeitspiegel verändern mag: Was fürs Leben bleibt, ist das Thema dieser einen Arbeit, die du als junger Mensch geschrieben hattest. Es bleibt eingebrannt, wie bei den Jungs die Rekrutenschule. Noch Jahre danach erzählt man von der Maturaarbeit. «Damals …», und so.

Wir haben dieses Jahr das Programmbüechli durchforstet. Die Übersicht gibt jedes Jahr aufs Neue ein Panorama, was die Kanti-Generation so umtreibt. Als Lokalmedium richten wir unseren Fokus auf Arbeiten zu regionalen Themen.

Die Palette ist breit. Die Idee für die erste wissenschaftliche Antwortsuche liegt oft vor der eigenen Nase:

Die helle Nacht

Denis Dietschi beschäftigte sich mit den Lichtemissionen seiner Wohngemeinde Neuendorf. Er liess die Drohne steigen, fotografierte das Gäuer Dorf bei Nacht und fragte sich, wie sich das Licht auf Menschen, Tiere und Natur auswirkt. Nach vielen Stunden im Feld mit Luxmeter, vor Fachliteratur zur Lichttemperatur und allem, was zu den Lichtemissionen und den Unwegsamkeiten einer Recherche dazugehört, schreibt der Maturus:

«Die Emissionen sind über ganz Neuendorf hinweg gesehen sehr konstant geblieben. Es gilt aber zu erwähnen, dass Neuendorf eine der schlechtesten Entwicklungen im Gäu durchgemacht hat. Ursache dafür ist die Industrie, da dort die Lichtemissionen zugenommen haben. Dafür verantwortlich ist hauptsächlich das Wachstum der Logistik-Branche.»

Leben im Quartier

Einen anderen Ansatz wählte Moira Künzli, die mit ihrer Arbeit eine gesellschaftliche Wirkung erzielen wollte. Dahinter stand die konkrete Projektidee, die Menschen in ihrem Oltner Wohnquartier Schöngrund mit einem Anschlagkasten zu vernetzen. Einen Ort des schriftlichen Austauschs zu ermöglichen. Die Kantischülerin führte das Projekt vom Konzept über die Schreinerarbeit bis zur Umsetzung selbständig durch. Sie versteht ihre Arbeit als Kontrapunkt zur gesellschaftlichen Entwicklung: Sie wolle «in einer Welt, in welcher alles digitalisiert wird, noch einen analogen Anschlagkasten bauen, damit alle Personen Zugang dazu haben.»

Benziner, Diesel, Hybride – und irgendwann Elektroautos

Die Arbeit von Marc Kempter lautete «Die Personenwagenflotte im Gäu und ihre zukünftige Entwicklung». In seinem Vorwort beschreibt der Kantischüler seine Faszination für die motorisierte Mobilität und wie sie das Leben im Gäu prägt: In diesem Bezirk fallen 14’293 immatrikulierte Personenwagen auf 22’136 Einwohner.

Marc Kempter zeigt in seiner Arbeit auf, wie die CO2-Emissionen im gesamtschweizerischen Kontext zu bewerten sind. «In Anbetracht des inländischen Gesamtausstosses von über 37 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenz macht der Strassenverkehr somit stolze 40 % aus.»

Kempter analysiert die Zunahme an Automobilen im Gäu zwischen 2010 und 2020. In diesem Zeitraum steigerte sich die Zahl der Personenwagen um 27 Prozent, was mit dem Bevölkerungswachstum korreliere, so der Kantischüler. Er zeigt anhand der statistischen Daten, dass aber bei dieser Zunahme nur eine moderate Verlagerung hin zu alternativ angetriebenen Hybrid- und insbesondere Elektroautos geschah. Von Letzteren war im Jahr 2010 erst ein einziges registriert – innerhalb von zehn Jahren stieg die Zahl auf deren 105 an. Anhand verschiedener Daten modelliert er in seiner Arbeit, wie sich die Personenwagenflotte nach Antriebsart bis 2030 entwickeln könnte. Und kommt zum Schluss:

«Ergebnis der Untersuchung ist, dass im Jahr 2030 immer noch 84 % der im Gäu immatrikulierten Personenwagen fossilbetrieben sein werden. Mit 16 % Anteil stellen alternativ angetriebene Personenwagen keine Nischenrolle mehr dar. Jedoch werden sich Wasserstoffautos nicht durchsetzen und über zwei Drittel der alternativ angetriebenen Personenwagen werden Hybride sein. Diese verbrennen fossile Primärenergieträger. So werden 2030 also gerade Mal 5 % der im Gäu immatrikulierten Personenwagen unabhängig von fossiler Energie betrieben. Dies unterbietet die politischen Ziele klar. In der Politik bietet sich nun die Möglichkeit, die Verkehrsstrategie von Grund auf zu revidieren. Oder möchte sie es mit ihrem halbherzigen Engagement bewusst auf dieses Resultat herauslaufen lassen?»

Marc Kempter bilanziert, dass der Kanton sich in der Verkehrspolitik nur halbherzig engagiert. Er verwies den Schüler nach Anfrage auf die nationale Strategie in dieser Angelegenheit und verlässt sich gemäss Kempter auf den Markt, auf welchem sich die Elektromobilität durchsetzen werde. Der Maturus bringt die Arbeit mit einer kritischen Einschätzung auf den Punkt:

«Für die Politik stellt sich die Grundsatzfrage, ob eine umfängliche Elektrifizierung der Fahrzeugflotte überhaupt umsetzbar ist. Falls dieses Ziel weiterhin verfolgt werden will, müssen eine ehrgeizigere Strategie und effektivere Massnahmen entwickelt werden. Falls nicht, muss man sich überlegen, inwiefern die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors trotzdem zu reduzieren sind und in welchen Bereichen man sie kompensieren kann.»

Der aussterbende Fluss

Auch Cyril Senn hat sich in seiner Arbeit mit dem Gäu auseinandergesetzt. Konkret mit dem Gewässer, das den Bezirk durchfliesst: der Dünnern. Vom Thal gelangt sie durch das Gäu nach Olten, wo sie in die Aare mündet. In einer chemischen Arbeit untersuchte Senn die Mikroverunreinigungen und deren Einfluss auf die Fischpopulation. Der leidenschaftliche Fischer schreibt in seiner Arbeit:

«Diese Untersuchung hat gezeigt, dass trotz weitreichenden Innovationen und anerkannten Problemen durch die Mikroverunreinigung in Gewässern der Gewässerschutz unzureichend ist und die Artenvielfalt dadurch zunehmend beeinträchtigt wird.»

Vom Nitrit, Chlorid über das Nitrat zum Phosphat schlüsselt Cyril Senn auf, welchen Einfluss die Ionenverbindungen auf das Gewässersystem haben und welche Quellen die Verunreinigungen im Fluss verursachen. Er entnahm Wasserproben an sechs Standorten entlang der Dünnern und konnte so die Werte am Flusslauf vergleichen. Anhand der erhobenen Daten schliesst Cyril Senn wie folgt:

«Der zentrale Aspekt dieser Arbeit ist für mich, dass einerseits der Ertrag an Mikroverunreinigung in die Gewässer gesenkt werden muss und andererseits ein zunehmender Gewässerschutz notwendig ist, um die chemische Wasserqualität zu verbessern.»

Nur so sei es möglich, die bestehenden Lebensgemeinschaften zu schützen und aufrechtzuerhalten.

Abruptes Ende? Erzähl uns unten in den Kommentaren deine Maturaarbeit-Geschichte.


Was hast du für Erinnerungen an die Maturaarbeit?

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