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Stägeli uf, Stägeli ab

Das Tuusigerstägli ist bei Sportlern sehr beliebt, die Parkplatzsituation vor Ort weniger. Bräuchte es mehr Platz zum Parkieren? Oder ist das der falsche Ansatz? Ein Augenschein.
24. Juni 2021
Text: Isabel Hempen, Fotografie: Timo Orubolo

Es ist ein heisser Nachmittag und luftig bekleidet überquert man die Brücke, die vom Städtli Aarburg hinüber auf die andere Aareseite führt. Andere scheinen dieselbe Idee gehabt zu haben: Unter der Eisenbahnbrücke stehen Autos, am Strassenrand sind Fahrzeuge abgestellt und wenn man beim Parkplatz nahe der Autobahn ankommt, so ist dieser ebenfalls bereits vollgestellt. Nicht wenige Wagen stehen schon im Parkverbot. Eine Situation, die sich so oder ähnlich des Öfteren zeigt. Denn das Tuusigerstägli, das sich im nahen Wald versteckt, ist bei Sportlern beliebt. Es ist weitherum bekannt, und gerade während der Lockdowns in der Corona-Pandemie wollten viele den eigenen vier Wänden entkommen und sich hier die Beine vertreten.

Es ist wohl jedenfalls eine Situation wie diese, die einen Kolt-Leser zur Frage veranlasste, wieso die Parkplatzsituation beim Tuusigerstägli so prekär sei: «Wie steht es um die Sicherheit der Benutzer*innen? Warum werden nicht einige gut gesicherte Parkplätze bereitgestellt? Muss es zuerst einen Unfall geben?» Wir haben bei den zuständigen Stellen nachgefragt.

Eine Treppe entlang der Druckleitung

Werfen wir aber erst einen Blick auf das «Stägli» selbst. Wer es nicht kennt, und das werden in der Region nicht so viele sein, sei gewarnt: Die verniedlichende «-li»-Endung ist irreführend. Wer die Stufen im Wald hochgeht, sollte fit sein. Nicht 1000 sind es, sondern deren 1149, und sie führen schnurgerade in die Höhe, vom Fusse des Born hinauf auf 664 Meter über Meer. Auf einem guten halben Kilometer überwindet man 244 Meter Höhendifferenz, was einer nicht zu verachtenden Steigung von 47,3 Prozent entspricht. Während von fern der Verkehr zu hören ist, der unten über die A1 rauscht, gerät man oben ins Keuchen.

Das Tuusigerstägli wird aufgrund seiner Lage zwar mit dem nahen Aarburg in Verbindung gebracht, tatsächlich befindet es sich aber auf Oltner Gemeindegebiet am Hausberg Born. Die Aare trennt an dieser Stelle den Kanton Solothurn auf der einen vom Kanton Aargau auf der anderen Seite. Die meisten Sportlerinnen und Spaziergänger gelangen zum Tuusigerstägli auf der Zufahrt durch Aarburg. Vom Restaurant Alte Post herkommend queren sie die Aarebrücke hinüber auf die solothurnische Seite.

Die Treppe, die 1896 gebaut und 1904 in Betrieb genommen wurde, war ursprünglich nicht für sportliche Zwecke geplant. Neben ihr führte die Druckleitung des Speicherkraftwerks Ruppoldingen-Born durch, welches als schweizweit erstes Pumpspeicher-Kraftwerk gilt. Die Treppe diente zur Kontrolle der Leitung. Als diese im Jahr 1960 rückgebaut wurde, weil das Kraftwerk nicht mehr gebraucht wurde, wartete man auch die Treppe nicht weiter und sie zerfiel. Die Speicherteiche oben auf dem Born existieren heute noch.

Ein neues Leben wurde der Treppe im Jahr 1986 geschenkt. Der Aarburger Herbert Scheidegger hatte die Idee, das Tuusigerstägli, von dem er zufällig erfahren hatte, zu erneuern. Nach einer Operation hatte ihm der Arzt nämlich geraten, sich viel an der frischen Luft aufzuhalten. Und so erstellten «Born-Hörbi» und seine Helfer in über einjähriger Arbeit mit Holz und Winkeleisen neue Tritte am Berg, denn die alten war längst nicht mehr brauchbar. 1149 Tritte später konnte das restaurierte Tuusigerstägli am 1. Mai 1987 schliesslich eingeweiht werden.

Das «Himmelsleiterli», wie es auch genannt wird, wird rege genutzt und ist bei Sportlern als Trainingsroute sehr beliebt. Fast von Beginn weg, nämlich ab 1989, führte der Turnverein Aarburg bis 1999 den jährlichen Tuusigerstägli-Lauf durch. Seit der Swiss Olympic Gigathlon im Jahr 2012 über das Stägli führte, ist die Route auch schweizweit bekannt. Die Sportbegeisterten kommen nicht selten aus Nachbarkantonen und sogar von weiter her. Im Jahr 2015 nahm der Verein «Sportivo Aarau» den jährlichen Tuusigerstägli-Lauf wieder auf. Er findet jeweils vor den Sommerferien statt und zählt rund 250 Teilnehmende aus der ganzen Schweiz. Die bisherige Bestzeit bei den Herren lief Friedrich Dähler im Jahr 2017 mit 6 Minuten und 37 Sekunden, bei den Frauen erreichte Simeï Wipf das Ziel im Jahr 2018 nach 7 Minuten und 50 Sekunden. Wegen der Corona-Pandemie wurde der Lauf 2020 und 2021 abgesagt, er soll aber 2022 wieder stattfinden.

Restriktive Waldgesetzgebung

Der Wald, der sich von Olten bis nach Aarburg erstreckt, gehört zu einem grossen Teil der Bürgergemeinde Olten. Das Tuusigerstägli liegt ungefähr in den oberen zwei Dritteln auf ihrem Land. Darunter ist ein Streifen des Waldes im Besitz der Bürgergemeinde Aarburg, weitere Flecken entlang der zum Stägli führenden Kantonsstrasse sind im Besitz des Kantons Solothurn und von Privaten.

Wieso nun ist die Parkplatzsituation beim Tuusigerstägli so schwierig? Felix Frey, Präsident der Bürgergemeinde Olten, äussert sich dazu so: «Wir haben nirgends eine Möglichkeit, Parkplätze zu erstellen.» Denn im Wald sind Parkplätze gemäss der eidgenössischen Waldgesetzgebung in der Regel nicht zulässig. Die nächsten Parkplätze, fügt Frey an, seien beim Restaurant Aareblick an der Autobahn zu finden und Restaurantgästen vorbehalten. Seine persönliche Meinung: «Wenn man von der Stadt Olten zum Tuusigerstägli wandert, ist man in einer knappen Stunde da. Es macht doch keinen Sinn, mit dem Auto hinzufahren, um dann Fitness zu betreiben.»

Familie Rossi.

Ähnlich sieht es Georg Nussbaumer, der als Förster des Forstbetriebs Unterer Hauenstein den Wald der Bürgergemeinde Olten bewirtschaftet. «Die eidgenössische Waldgesetzgebung ist sehr restriktiv. Man müsste nachweisen, dass Parkplätze auf dem Waldgebiet zwingend nötig sind», sagt er. Dies sei nicht der Fall. Parkplätze auf dem Waldareal beim Tuusigerstägli seien daher «unvorstellbar».

Auch Georg Nussbaumer hat Mühe mit der Situation: «Nicht damit, dass das Tuusigerstägli als Fitnessgerät genutzt wird. Damit habe ich absolut kein Problem. Aber es gibt Leute, die wöchentlich von Sissach hier rüberfahren und sich beschweren, dass sie keinen Parkplatz für ihr Auto finden. Ich fände es in diesem Fall völlig daneben, dem Wunsch nach mehr Parkplätzen nachzukommen.» Die Bevölkerung stelle mit Recht Ansprüche an den öffentlichen Raum, meint er. «Aber nicht jeder Anspruch ist sinnvoll.»

Tad.

Der Förster ist überzeugt, dass auch der Kanton auf dem ihm gehörigen Teilstück zur Verbesserung der Parkplatzsituation nicht Hand bieten würde. «Man erreicht das Tuusigerstägli problemlos mit dem ÖV oder dem Velo, Parkplätze sind also nicht nötig.» Vonseiten des Kantons ist hierzu nichts Definitives zu erfahren: Wer Parkplätze schaffen wolle, heisst es, könne ein Baugesuch zur Erstellung von Parkplätzen eingeben. Der Kanton selbst werde in dieser Angelegenheit von sich aus jedoch nicht tätig. «Und Organisationen wie BirdLife oder Pro Natura würden gegen ein solches Bauprojekt garantiert Einspruch einlegen», ist Georg Nussbaumer überzeugt.

Sperrung und Einbahnstrasse wegen Corona

Auch das Tuusigerstägli wurde von der Corona-Pandemie nicht verschont. Als das BAG vor gut einem Jahr die Corona-Massnahmen einführte, wurde es auf dem Stägli nämlich plötzlich eng. Bei seiner Breite von etwa einem Meter lässt sich schlecht ein Abstand von zwei oder auch eineinhalb Metern einhalten, wenn Menschen sich beim Hinauf- und Hinuntergehen kreuzen. Das führte dazu, dass die Bürgergemeinde Olten das Tuusigerstägli sperren liess.

Das nützte allerdings nur bedingt. «Die Sperrung wurde häufig missachtet», erzählt Bürgerpräsident Felix Frey. «Wir erhielten deswegen viele Reklamationen.» In den Medien war die Rede von Menschenaufläufen auf dem Born, die es während des Lockdowns zu Hause wohl nicht mehr aushielten. Die Absperrung sei regelmässig weggerissen worden. Im vergangenen Sommer wurde sie mit der damaligen Lockerung der Corona-Massnahmen dann wieder aufgehoben. Ab da galt allerdings «Einbahnverkehr» auf dem Stägli, der bis heute andauert. «Seit Anfang des Jahres haben wir nichts mehr Negatives gehört», sagt Frey. Die Bürgergemeinde selbst habe nie Kontrollen durchgeführt, da sie dafür nicht das nötige Personal habe.

Ob das Stägli im Corona-Jahr mehr abgenutzt wurde, kann Frey nicht sagen. «Alle unsere stadtnahen Wälder wurden in dieser Zeit von Erholungssuchenden sehr viel intensiver genutzt als in normalen Zeiten. Aber wir überprüfen das Stägli nicht so häufig, dass wir aktuell sagen könnten, dass es eine grössere Abnutzung erfahren habe.» Es werde alle paar Jahre kontrolliert und gewartet.

Unterhalten wird das Stägli durch die Arbeitsgruppe «Unterhalt 1000er-Stägli», ein Trupp von freiwilligen Senioren aus dem Raum Aarburg und Rothrist. Die Stufen sind einer enormen Belastung ausgesetzt und wären ohne ihren Einsatz in einem traurigen Zustand. Jede Woche gehen die Senioren hoch, kontrollieren die Stufen und wechseln bei Bedarf Balken aus, befestigen Armierungseisen und füllen Juramergel auf.

Shaipe und Ajnisha.
Sonja mit ihrem Hund.

«Solange sie nichts allzu Gefährliches tun, lassen wir sie machen», sagt Felix Frey, der sich allerdings nicht dafür begeistern kann, dass die Unterhaltstruppe für das Tuusigerstägli wirbt. «Das wirkt sich negativ aus. Leute fahren von weit weg hierher und nehmen anderen den Platz weg. Und natürlich kommen sie mit dem Auto, obwohl sie auch den ÖV nehmen könnten.» Solange der Verein für das Stägli Werbung mache, «liegt es an ihm, dafür zu schauen.» Die Absprache sei schwierig. «Er scheint fast zu denken, dass das Stägli ihm gehört.»

Besucher von nah und fern


Ein weiterer Besuch des Tuusigerstäglis, es ist Montagmorgen. Trotz der frühen Stunde sind bereits einige Menschen am Fuss des Born anzutreffen, sie scheinen alle bester Laune zu sein. Jetzt am Vormittag gibt es noch genügend Parkplätze, das Gerangel um Parkiermöglichkeiten geht, abhängig vom Wetter, erst am Nachmittag los.

Lio.


Familie Rossi ist bereits um 8 Uhr mit dem Auto angereist. Mutter und Tochter sind häufig unter der Woche beim Stägli, heute ist ausnahmsweise auch der Vater mit dabei. Lio ist von Rothrist auf dem Velo hergefahren. Er macht die Treppen täglich mehrmals nacheinander. Seit Corona, sagt er, habe es einen regelrechten Run auf das Stägli gegeben. «Die Situation hat sich aber etwas gebessert, seit die Fitnesszentren wieder geöffnet sind.»

Sonja hat noch einen schattigen Parkplatz gefunden, sie ist mit ihrem Hund aus Fulenbach hergefahren. Tad aus Olten kommt von Montag bis Freitag täglich – mit dem Auto. Von hinten holt Ogi auf. 8 Minuten hatte er für die fast 1150 Tritte. Er sei bereits hierher gejoggt und starte so seinen Trainingstag. Sonja und Köbi sind mit Wanderstöcken und viel Motivation im Auto aus dem luzernischen Gunzwil angereist. Sie sind zum ersten Mal hier und strahlen, als sie oben ankommen: Geschafft!

Ogi.
Köbi und Sonja.


Shaipe und Ajnisha kommen gerne und oft zusammen direkt von Kappel her rüber zum Training – wenn es die Kinder zulassen gut dreimal pro Woche. Sie haben ihr Auto bei der Kapelle in Kappel abgestellt und sind von da hergejoggt. Wie sie machen es auch einige andere: Fahrräder und Autos lassen sie bei der Kapelle und kommen dann zu Fuss zum Stägli.


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