Vorzeigebeispiele für Olten: Drei geglückte Velotunnel
Könnte der stillgelegte Posttunnel am Bahnhof Olten künftig als Veloverbindung dienen? Mit dieser Frage hat sich das Parlament beschäftigt. Eine durch Bahn und Strassen zertrennte Stadt – das Problem kennen auch andere Städte der Schweiz. Wir blicken hinaus: Unterführungen für Velos liegen im Trend, brauchen aber meist viel Anlaufzeit. Drei Beispiele:
WIL (SG)
«Gebaut ist noch nichts», sagt Beatrice Aebi, «was wir haben, ist ein Vertrag mit der SBB.» Es klingt so, als glaube sie erst an den neuen Velotunnel, wenn er auch wahrhaftig sein wird. Aber Wils Stadtplanerin hat das Projekt auf den besten Weg gebracht: Der stillgelegte Posttunnel unter den Bahnhofsgeleisen soll künftig die Stadtseiten für den Veloverkehr verbinden.
Vier intensive Verhandlungsjahre hat Aebi hinter sich. Gewiss, der Prozess sei sehr kompliziert gewesen, sagt sie. Nur schon weil viele Akteure (Post, SBB, Anstösser) involviert sind. Aber sie sagt: «Das Zusammenspiel hat sehr gut funktioniert.» Die SBB hätte sich stets kooperativ gezeigt. Im vergangenen Jahr konnte die Stadt sich mit allen Beteiligten einigen.
Nachdem die SBB den Bahnhof Wil für 40 Millionen saniert haben wird, kann Wil den Tunnel für 150’000 Franken erwerben. Damit gelang der Stadt ein Superdeal, bezahlt sie doch für einen gebauten Tunnel pro Laufmeter bloss 5000 Franken. Der Wiler Posttunnel ist wegen des kleineren Bahnhofs nur 30 Meter lang; die Stadt wird ihn noch mit Rampen erschliessen und aufwerten müssen.
Was Wil kann, kann Olten auch?
Vom Verhandlungsgeschick der sankt-gallischen Kleinstadt sollte sich Olten inspirieren lassen. Abgesehen davon sind die Unterschiede zur Oltner Posttunnel-Idee aber gross. Die Oltner Lösung wäre komplexer – vor allem weil der Velotunnel um ein Vielfaches grösser würde. Die Stadt müsste den Posttunnel zur Aare hin verlängern.
Beatrice Aebi spricht aus Wiler Optik, wenn sie sagt: «Es wäre eine Unterlassungssünde, den Posttunnel nicht zu nutzen.» Die Alternative wäre gewesen, den Tunnel aufzufüllen und somit unbrauchbar zu machen. «Alle müssen wollen. Wenn die Politik nicht mitmacht, hat das beste Projekt keine Chance», sagt die Stadtplanerin. Die Stadt rechnet mit 600 bis 1000 Fahrrädern, die täglich die Verbindung nutzen werden.
WINTERTHUR
Die zweitgrösste Zürcher Stadt weihte ihren neuen Velotunnel im vergangenen Dezember ein. Wie in vielen Schweizer Städten ist der Bahnhof mitten im Herzen der urbanen Region situiert. Auf eine Veloquerung wartet Winterthur indes schon lange. So sagte die örtliche Stadträtin und Bauvorsteherin Christa Meier zur Eröffnung gegenüber dem Landboten: «Schon vor 40 Jahren, als ich jung war, war diese fehlende Veloverbindung ein Dauerthema.»
Im Zuge des grossen Bahnhofsumbaus konnte die Stadt die langersehnte Unterführung realisieren. Die SBB verbreiterte eine 90-jährige Personenunterführung massiv. Dadurch bot sich Platz für eine 4 bis 5,5 Meter breite Velospur, die parallel aber abgetrennt zur Personenverbindung verläuft.
Auf eine Variante wie jene in Winterthur hoffte bisher auch Olten. Zumindest ist im Entwurf des räumlichen Leitbilds vorgesehen, dass ein Velotrassee in die Martin-Disteli-Unterführung integriert wird. Jedoch könnte dies erst im nächsten Ausbauschritt der SBB geschehen, der für das Jahr 2035 anberaumt wäre.
ZÜRICH
Die Metropole denkt immer ein wenig grösser als andere Schweizer Städte. Auch in Zürich steht ein brachliegender Tunnel für eine Veloverbindung bereit. Im letzten Sommer sagte das Stimmvolk klar Ja zum Bauprojekt, das insgesamt rund 28 Millionen Franken kosten wird.
Anders als in Wil oder Olten handelt es sich in Zürich nicht um einen Posttunnel, sondern um einen ursprünglich als Strassenverbindung zwischen den Autobahnen gedachten Tunnel. Nun wird die 200 Meter lange unterirdische Betonröhre aus den späten 80er-Jahren für die Velos umgenutzt. Der Velotunnel wird entlang der Sihl den Bahnhof unterirdisch durchqueren.
Auch hier gingen komplexe Verhandlungen voraus. Pro Velo Kanton Zürich wollte die Betonröhre schon vor über zehn Jahren mit einer Petition zum Velotunnel umnutzen. Ein langer Prozess begann. Erst als nichts mehr darauf hindeutete, dass die Verbindung jemals für den ursprünglich gedachten Zweck als Autostrasse benutzt wird, gab der Kanton Zürich als Eigentümer den Tunnel zur Zwischennutzung frei. Trotzdem: Ein Drittel des Kredits ist für einen allfälligen Rückbau reserviert.
Richard Wolff, Tiefbauvorsteher der Stadt, hatte nach dem Ja an der Urne zu den Medien gesagt, dieser Entscheid bedeute eine Zäsur: «Weg von einer Stadt, die für Autos gebaut wurde, hin zu einer Stadt, in der die nachhaltige Mobilität im Zentrum steht.»
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Ich halte nicht viel von der Idee dieses Velotunnels. Zum einen verstehe ich nicht, warum ausgerechnet der umweltfreundliche und emissionsfreie Langsamverkehr unter den Boden verbannt werden soll und nicht die lärmenden und stinkenden Motorfahrzeuge (natürlich nicht im Posttunnel, schon klar). Und zum anderen befindet sich der Posttunnel schlicht am falschen Ort. Die Hauptverkehrsachse für den Langsamverkehr von der rechten auf die linke Stadtseite befindet sich nun mal im Bereich alte Aarauerstrasse – Holzbrücke – Altstadt. Wenn ich heute mit dem Velo von meinem Wohnort im Fustligquartier in die Altstadt fahre, so mache ich das entweder via Postplatz oder Winkel und über die alte Holzbrücke. Würde es die Posttunnelvariante geben, so müsste ich von der alten Aarauerstrasse zuerst nach Norden via Tannwaldstrasse durch den Posttunnel, am Ende des Posttunnels die neue Velostation und die Fussgängerachse beim Ländiweg queren (das heisst dann sehr wahrscheinlich absteigen und schieben), über den neuen Fuss- und Velosteg zum Amthausquai und dann dort wieder Richtung Süden zur Altstadt fahren. Das macht schlicht keinen Sinn. Ich würde wohl den Posttunnel rechts liegen lassen und die bisherigen Routen wählen. Kommt hinzu, dass der Posttunnel das Problem der unattraktiven Fussgängerverbindung durch den Winkel auch nicht löst.
Für die Verbindung der beiden Stadtseiten gibt es definitiv eine bessere Lösung, es braucht dazu allerdings etwas visionäres Denkvermögen: Dort, wo die alte Aarauerstrasse in die Tannwaldstrasse übergeht, wird eine breite Velo- und Fussgängerunterführung unter den Gleisen gebaut. Das Gleisfeld ist an dieser Stelle lediglich 30 m breit. Wie so was ohne Behinderung des Bahnverkehrs geht, kann man aktuell beim Bahnhof in Freiburg (im Üechtland, nicht im Breisgau) besichtigen, dort werden übrigens rund 90 m Gleis untertunnelt. Vom Ende dieser Unterführung gelangt man zwischen Restaurant Zollhüsli und Hotel Olten auf den Postplatz. Dieser könnte in einen verkehrsfreien, grosszügigen und schön gestalteten Platz verwandelt werden, indem die Kreuzung für die Motorfahrzeuge unter den Boden verlegt wird. Und selbst die leidigen Diskussionen über den Standort des Wochenmarkts könnte man beenden, denn dieser würde sowohl am Donnerstag wie auch am Samstag auf dem neuen Postplatz stattfinden, schön in der Mitte der beiden Stadtseiten.
Das Geld, ich weiss. Aber auch das wäre lösbar. Da es sich bei der Postplatzkreuzung um eine Kantonsstrasse handelt, müsste der Kanton ins Boot geholt werden. Und dann gibt es ja noch das Programm Agglomerationsverkehr des Bundes. Im Übrigen könnte das ganze Projekt problemlos in Etappen gebaut werden: zuerst die Untertunnelung der Gleise und eine oberirdische Querung der Aarburgerstrasse Richtung Holzbrücke. Dazu müsste lediglich die aktuelle Veloquerung um rund 40 m nach Süden verschoben werden. In einer zweiten Etappe könnte man dann die Postplatzkreuzung versenken.
Bekanntlich haben wir keine Hemmungen, für Projekte, welche dem motorisierten Verkehr dienen, Hunderte von Millionen Franken auszugeben. Ich erinnere nur an die gut 300 Mio. für die ERO, welche unserer Stadt ausser Mehrverkehr nicht wirklich etwas gebracht hat. Geht es aber um Anliegen des Langsamverkehrs, dann muss man manchmal froh sein, wenn das Budget für ein paar Kübel Farbe am Boden reicht. Hier müsste halt auch mal ein Umdenken stattfinden: Die Farbkübel für die Autos und die Millionen für die Menschen.