Ofen der Emotion: Erlebt Oltens Krematorium seine Auferstehung?
Just aufs Osterfest hin flatterten die Wahlunterlagen ins Haus. Oder vielleicht sollte man es doch eher ein «Plumpsen» im Briefkasten nennen: Ein Umschlag dick wie ein Buch lag darin. Schuld an der sprichwörtlich dicken Post sind die Gemeinderatswahlen – Olten wählt Ende April sein 40-köpfiges Stadtparlament. Bei den Lokalparteien steigt die Nervosität.
Selbst die FDP ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht und hat nach der Schlappe an den Wahlen im März alle Hebel gezogen. FDP-Stadtrat Benvenuto Savoldelli mischte sich am Osterwochenende am Wochenmarkt unter die Menschen. Im März hatte er gelinde gesagt noch einen dezenten Wahlkampf geführt. Auf die Wahlen wollen wir an dieser Stelle Ende dieser Woche vertieft eingehen.
Ist der Tod politisch rechts oder links? Was für eine absurde Frage. Aber wenn’s ums Sterben geht, steht die politische Welt schon mal Kopf. Festgefahrene Haltungen werden beiseitegeschoben, die Emotion obsiegt. Das zeigt sich derzeit auch in der Debatte um die Frage, ob Olten sein Krematorium schliessen soll oder nicht. Just auf die Feste Karfreitag und Ostern, an welchen die Christen der Leiden Jesu Christi am Kreuz und seiner Auferstehung am Ostersonntag gedenken, lancierten das SRF-Regionaljournal und das Oltner Tagblatt den Abstimmungskampf. Eine Auferstehung könnte nun auch das Krematorium erfahren. Möglich macht dies ein Referendum. Es will die vom Parlament gutgeheissene Schliessung rückgängig machen.
Die verkehrte Welt
Vater des Referendums ist – wieder einmal – Stadtratskandidat Rolf Sommer. Und um die Auferstehung zu strapazieren: Beflügelt durch die emotionale Debatte, erhofft sich der SVP-Kantonsrat für die Stadtratswahlen eine ebensolche. Im ersten Wahlgang war er chancenlos geblieben. Anders als bei seinen bisherigen Referenden, will Rolf Sommer in diesem Fall für einmal nicht die Stadtausgaben drosseln. Im Gegenteil, die Stadt soll Geld investieren (zwischen zwei bis drei Millionen Franken), um den Krematorium-Ofen zu erneuern.
Und für einmal sind der SVP auch die Gebühren recht. So sagt Sommer im Regionaljournal, die Anlage liesse sich sehr wohl «wirtschaftlich» betreiben. Dazu müsse die Stadt die Preise der Einäscherung entsprechend festlegen. Aarau und Langenthal lieferten den Beleg dafür. In Olten ist das Krematorium momentan nicht selbsttragend, wie das OT aufzeigt.
«Nur Wohnen und Schlafen in Olten reicht nicht. Wo sind die Kreativität und die Investitionen geblieben?», schreibt Rolf Sommer im OT. Man reibt sich die Augen. Im Stadtratswahlkampf sagte der selbsternannte «Realist» Sommer gegenüber Kolt: «Wenn wir bei 2000 Franken nicht sparen lernen, müssen wir aufhören.» Aber zwei bis drei Milliönchen für einen neuen Ofen und ein nicht kostendeckender Betrieb: Das passt schon.
Rationalität versus Emotion?
Ist in der Frage um’s Krematorium alles spiegelverkehrt? Man könnte es denken. Denn die Linke – und mit ihr die CVP und die GLP – sieht beim Krematorium für einmal Sparpotenzial. Die Linke und die Mitte sind zwar in zwei Lager gespalten. Jedoch haben die Befürworter der Stilllegung die Oberhand. GLP-Gemeinparlamentarier Christian Ginsig machte im letzten Herbst in seinem Blog transparent, welche Überlegungen ihn dazu bewogen, gegen das Krematorium zu stimmen: Es sei ein rationaler Entscheid.
Dass lokale Bestattungsunternehmen künftig vermehrt die Leichname in die Nachbarstädte fahren müssten, sticht bei der Linken nicht als Argument. Die ökologisch besseren, weil modernen Öfen in den umliegenden Städten schon eher. Und wohl erst recht, dass in Aarau und Langenthal noch grosse Kapazitäten bestehen. Sie könnten die rund 1000 Einäscherungen übernehmen, die Oltens Krematorium jährlich durchführt.
Aber eben, da ist unsere Emotion. Doch geht’s überhaupt um sie? «Die wenigsten wissen, wo der Papa kremiert wurde», sagt Baudirektor Thomas Marbet im Regionaljournal. Essentiell ist, dass es bei der Abstimmung nicht um das historische Gebäude auf dem Friedhof Meisenhard geht. Sondern «nur» um den Ofen, der darin ist. Die Abdankungshalle bleibt bestehen. Das Abschiednehmen in Olten wird ohne Ofen nicht weniger emotional.
Nochmal: Wildwest in Olten?
Anwohnerinnen fordern auf Oltens Trottermatte ein Aufenthaltsverbot für die Nacht, wie das Oltner Tagblatt berichtet. Die Schussabgabe auf der Trottermatte hat offensichtlich das Sicherheitsgefühl mancher Menschen erschüttert. Das OT schreibt: «Der Ort verwandelt sich zunehmend in einen Drogenumschlagplatz. Im vergangenen Monat kam es im Gebiet gar zu einer Schussabgabe, bei der eine Person verletzt wurde.»
Das klingt mal wieder nach Wildwest in Olten. Oder hat das OT sich hier mit einer Prise Boulevardjournalismus übernommen? Die Fakten, warum die Trottermatte «zunehmend» zu einem Drogenumschlagplatz werde, fehlen nämlich gänzlich. Das OT suggeriert, die Schussabgabe und Littering seien ein Beleg dafür.
Der Rest des Artikels ist differenzierter: Der Stadtrat spricht sich gegen das Verbot aus. Und Stadtschreiber Markus Dietler wie auch die Polizei ordnen die Schussabgabe fernab der Polemik als «höchst seltenen» Vorfall ein.
Und zum Schluss noch dies
Wie würde es aussehen, wenn die Ever Given– das gigantische Frachtschiff, das den Suez-Kanal blockierte – auf der Oltner Aare feststecken würde? So!