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Da lang zum Parkplatz, grüne Absichten, zwei druckreife Dorfpossen und: Land unter

Freie Fahrt ins Parkhaus. Aber auch für den Verwaltungsrat der städtischen Betriebe. Davon und von einem Kleinkrieg zwischen Lokalblatt und Parlamentspräsident handelt dieses Lokalrauschen. Als Zückerchen zum Schluss: Ein kapitalistischer Aufstand der Bauern in der Agglo. Und: Was das Jahr 1889 mit dem Monat Juli 2021 zu tun hat.
15. Juli 2021

Wer sucht, der findet. Dies gilt für Oltner Parkplätze eigentlich seit längerer Zeit. Suchen sollen die Automobilistinnen nun nicht mehr. Nur noch finden. Dank dem Parkleitsystem. Wegen der Beschriftung fürchteten einzelne Oltner aber, die Parkplatzfindung würde doch noch immer zur grossen Suche werden. Denn wo ist «Olten Ost» und welche Parkplätze fallen unter den Term «Zentrum»? Nun denn, so schwer kanns nicht sein. Der abtretende Stapi Martin Wey deutschte es im OT nochmal für alle aus, die es mit den Himmelsrichtungen nicht so haben. Mit Olten Ost ist die rechte Aareseite gemeint. Im Norden geht’s gen Jura und Nachbardorf Trimbach zu, im Süden liegt Aarburg.

Mit einem kleinen Fest weihte der vollzählig anwesende Stadtrat das Parkleitsystem ein. Es war das letzte Mal in dieser Konstellation. «Mal schauen, was das Hochwasser noch bringt», meinte Martin Wey auf die Frage, ob es bereits sowas wie die letzte Amtshandlung sei. Er und die langjährige Stadtratskollegin Iris Schelbert treten ab.

Quelle: Stadtkanzlei Olten

Ein dickes «Danke Martin & Iris» leuchtete für die beiden von der Parkleittafel. Für die Grüne Schelbert schloss sich ein Kreis: 2008 hatte sie in einem ersten Vorstoss als Parlamentarierin ein Parkleitsystem gefordert. Die politischen Mühlen mahlten langsam – dreizehn Jahre später ist das Parkleitsystem doch noch Realität geworden. Die Stadt erhofft sich weniger Verkehr und für das Gewerbe im Idealfall mehr Kundschaft, weil Olten wieder angenehmer erreichbar wird. Das Leitsystem kostet 1,4 Millionen Franken. Finanziert werden sie über einen Fonds aus Parkplatzgebühren, womit die Stadtkasse unbelastet bleibt.

Die kleine, vertraute Welt

Vom Parkleitsystem abgesehen, setzte der Stadtrat eine weitere Leitplanke bei einer seiner letzten Sitzungen. Er bestimmte den neuen Verwaltungsrat der städtischen Betriebe Olten (sbo), der Energie- und Wasserversorgerin der Stadt. Konkret ging’s darum, zwei neue Stellen zu besetzen. Die neuen Exponenten sollen den städtischen Betrieben mehr Kompetenz in Fragen zu erneuerbaren Energien und im Bereich der Kommunikation bringen. Auf die Ausschreibung hin waren Bewerbungen aus der ganzen Schweiz und dem nahen Ausland zusammengekommen.

Sowohl die Grünen wie auch SVP und FDP forderten in den letzten Jahren stets vehement mehr Transparenz und weniger mutmassliche Vetternwirtschaft. Am Ende ist die Welt eben doch klein, oder der Stadtrat hat sie klein gemacht. Dies zumindest wirft ihm die SVP vor. Wohl nicht ganz zu Unrecht: Mit Christina Meier wählte der Stadtrat eine bestens vernetzte ehemalige FDP-Kantonsrätin. Martin Mühlebach ist in einer Zürcher Beratungsfirma für Energiefragen einer der Chefs des künftigen Stadtrats Raphael Schär-Sommer.

Der Stadt gilt es zugutezuhalten, dass sie dies transparent machte. Sie schrieb, dieser Fakt sei nach «eingehenden Abklärungen» in den Hintergrund gestellt worden. Die städtische SVP kommentierte entsprechend: «Somit sind Corporate Governance Konflikte programmiert. Man kennt sich und es fragt sich, ob man sich eine europaweite Ausschreibung hätte sparen können. Nichts Neues in Olten …» Nun denn: Lassen wir den neuen Verwaltungsrat, der im Übrigen neu durch den FDP-Kantonsrat Daniel Probst geführt wird, erst wirken. Wegen der neuen Bestimmungen ist der Verwaltungsrat nur noch für ein Jahr gewählt.

Quelle: Facebook

Inwiefern der neue Verwaltungsrat auf den Kurs Richtung erneuerbare Energie zusteuert, wird sich weisen. Alles wird nicht auf den Kopf gestellt: Fünf bisherige Verwaltungsräte bleiben wie bis anhin. Die Stadtregierung ist neu nur noch mit einem Vertreter (Benvenuto Savoldelli) dabei. Einen kompromisslosen Kurs zu den erneuerbaren Energien sah der Stadtrat als Gefahr, wie er an der Junisitzung dem Parlament offenbarte. Er zog die Notbremse und nahm die Statutenrevision kurzerhand von der Traktandenliste. Wie Tobias Oetiker von Olten jetzt! im Parteiblog beschreibt, wollte die Geschäftsprüfungskommission den städtischen Betrieben in einem Zweckartikel straffe Nachhaltigkeitsziele (Netto-Null-CO2-Ziel bis 2030 und Ausstieg aus dem Handel mit nichterneuerbaren Energieträgern) auferlegen. Martin Wey wählte drastische Worte und warnte, der Antrag «hat das Potenzial, das Überleben der sbo zu gefährden».

Das Ende der Geheimnisse?

An anderer Front machte die Stadt endlich reinen Tisch: Sie legte erstmals auch die Verwaltungshonorare der Aare Energie AG offen. Seit Jahren schon war dies ein Politikum. Denn die Führung der Tochtergesellschaft war bisher identisch wie jene der städtischen Betriebe. Wieso kassieren die Verwaltungsräte doppelt und wie viel kassieren sie? Letztere Frage ist beantwortet: Der Verwaltungsratspräsident erhält über die sbo 24’800 Franken und über die Aare Energie AG 28’600 Franken. Die Vizepräsidentin wird mit 18’000 beziehungsweise 19’600 Franken entschädigt. Die übrigen Mitglieder erhalten jährlich 16’800 respektive 17’600 Franken. Das Honorar des sbo-Präsidenten wurde nahezu halbiert (bisher 48’000 Franken). Die Stadt begründete dies in ihrer Mitteilung mit der abgeschlossenen Entflechtung des vormaligen Unternehmens, der Alpiq Versorgungs AG.

Die neue Transparenz wird wohl dennoch nicht alle Fragen auflösen. Denn nun steht schwarz auf weiss: Im Vergleich zu anderen städtischen Betrieben verdienen Verwaltungsräte in Olten besonders gut, wie das OT vor zwei Jahren bereits vermutete. Warum es überhaupt zwei Verwaltungsräte benötigt, wo doch die städtischen Betriebe keine Angestellten haben, dürfte auch weiter im Raum bleiben.

Kritik an der Kritik

Bevor die Legislatur endgültig endete und die Politik in den Sommerschlaf ging, gab’s in Olten nochmal einen letzten Aufreger. Mit salbenden Worten hatte Parlamentspräsident Philippe Ruf Ende Juni das Parlament verdankt und die vielen abtretenden Milizpolitikerinnen mit Lobeshymnen bedeckt. Nur eine Woche darauf wählte der SVP-Präsident der Ortspartei in einer Kolumne der Neuen Oltner Zeitung wieder härtere Worte. Er strich darin vier Oltner Bürger heraus, die Olten besonders voranbringen würden. Und schoss in einem Nebensatz gegen den aktuellen Stadtrat. Fürs Oltner Tagblatt war dies Anlass genug, eine klassische Reaktionen-Geschichte auf einer Zweidrittelseite aufzublasen.

Und, wen wundert’s: «das politische Olten» hatte keine Freude am Seitenhieb des scheidenden Parlamentspräsidenten. Selbst den NOZ-Redaktionsleiter befragte das OT, warum denn die Kolumne so abgedruckt worden sei. Dabei müsste die Lokalzeitung wissen: Kolumnen sind Meinungsbeiträge. Und diffamierend waren die Worte Rufs keineswegs. So bleibt der Verdacht: War der Beitrag gegen Ruf eine Retourkutsche? Parlamentspräsident Ruf hatte nämlich in der laufenden Sitzung gesagt, die Oltner Facebookgruppe sei die Primärquelle des Oltner Tagblatts. Zugegeben: keineswegs die feine Art von Ruf in dieser Position. Aber letztlich nur sowas wie eine Dorfposse. Eine solche schrieb auch die Gemeinde Winznau:

Der Bauernaufstand

Steil führt die Lostorferstrasse hinauf durchs Winznauer Dorf, bevor links das Schulhaus steht, rechts die letzten Siedlungen und die Mehrzweckhalle. Dann öffnet sich das grüne Feld. Die Wiese, über die das Dorf debattiert: der Büelacker. Um ihn ist ein kleiner Bauernaufstand ausgebrochen.

Am Büelacker (gelb) scheiden sich in Winznau die Meinungen. (Quelle: Google Maps)

In einem langen Prozess hatte das Oltner Nachbardorf mit seinen Einwohnerinnen ein räumliches Leitbild entworfen. Vom Kanton kriegte Winznau Blumen für seine Arbeit und die Resonanz im Dorf war weitgehend positiv. Doch dann marschierten die Landwirte zur Gemeindeversammlung und kippten das Papier. Das Oltner Tagblatt rapportierte, wie Bauer Patrick Grob an der Gemeindeversammlung erfolgreich beantragte, das Leitbild zurückzuweisen. Der Grund: Er und eine Mehrheit der Anwesenden wollen partout nicht, dass auf dem Büelacker dereinst eine Überbauung entstehen könnte. Dies gefährde die landwirtschaftliche Existenz, habe er argumentiert, schrieb das OT. Zwei Tage später korrigierte Grob in einem Leserbrief im Lokalblatt gleich selbst: Von existenziellen Ängsten sei sein Antrag nicht getrieben gewesen und er schlug versöhnliche Töne an.

Von Eigeninteressen getrieben

Warum also lehnt sich der Bauer und mit ihm ein Teil der Bevölkerung gegen eine Überbauung auf dem Büelacker? Der Gemeindepräsident Daniel Gubler kennt das Innenleben des Dorfes und weiss; drei Interessensgruppen möchten den Büelacker nicht überbaut sehen. Einige Eltern fürchten sich vor dem Mehrverkehr, wenn dreissig Wohnungen neben der Schule entstehen. Der Schulweg würde unsicher für die Kinder, argumentierten sie. Dann sind da die Nachbarn, die keine neuen Nachbarn wollen. «Das ist zwar verständlich, aber kein Grund», sagt Gubler.

Und eben, die Landwirte.

Momentan ist der Büelacker noch landwirtschaftlich genutzt. Die Bauern hätten gern, dass die Gemeinde das Land kauft und für öffentliche Bauten behält. Dies gaben sie neulich zu dritt gegenüber dem Oltner Tagblatt kund. Ob dafür Bedarf besteht, hatte der Gemeinderat geprüft und dabei kam er zum Schluss: Wenn das Schulhaus erweitert würde, dann oberhalb vom heutigen Schulhaus am Platz des heutigen Parkplatzes. «Wir möchten das Schulhaus nicht auf zwei Strassenseiten aufteilen», sagt der Gemeindepräsident. Zudem müsste die Gemeinde tief in die Tasche greifen: «Ein Kauf würde für die Gemeinde Kosten von rund zwei Millionen verursachen.»

Die Landwirte sähen so eine andere Lösung: Dann könne das Land eben ausgezont und über den Mehrwertabgabefonds entschädigt werden, lässt sich Patrick Grob im OT zitieren. Die Leserin wird hellhörig. Der Winznauer Bauer hatte neulich an der Gemeindeversammlung die Mehrwertabgabe streichen wollen. Denn zont eine Gemeinde Landwirtschaftsland zu Bauland um, kann sie über den Planungsausgleich bis zu 20 Prozent des aufgewerteten Landpreises einfordern (20 Prozent gehen fix an den Kanton). Dass die Landwirtinnen die Abgabe nicht so toll finden, erklärt sich von allein: Würden sie ihr Bauland veräussern, müssten sie 40 Prozent abgeben und würden nicht so viel Geld einstreichen. So ganz uneigennützig sind die Bauern also wohl nicht unterwegs. Wäre doch schön, würde irgendwann mal auf ihrem Land gebaut. Aber bitte nicht auf dem Büelacker.

Wie 1889 oder doch 2007?

Was der 15. Juli 2021 mit 1889 zu tun hat? Damals war die Aare auf einem ähnlichen Höchststand wie in diesem Sommer. Dies verrät die Tafel am Eingang zur Oltner Altstadt. Das übertretende Wasser der Aare und Dünnern sorgt für eine Bilderflut auf den sozialen Medien. Auf der Holzbrücke und am «Schützisee» blieben die Passantinnen zu Dutzenden stehen, um das Naturschauspiel zu bestaunen. Die rauschende Aare dürfte noch über Wochen zum Oltner Stadtbild gehören. Denn die Seen sind alle bis zum Rand oder leicht darüber hinaus gefüllt.


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