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«Im Herbst wollen wir etwas Neues wagen»

Einkaufszentren haben an einstigem Glanz eingebüsst. Das veränderte Einkaufsverhalten bereitet den Betreibern jedoch nicht nur Sorgen, sondern ist gleichzeitig Motivation, neue Wege zu gehen. So auch beim Sälipark.
16. März 2021
Text: Adrian Portmann, Fotografie: Timo Orubolo
Vera Graf, Geschäftsführerin bei Giroud Olma, verrät im Interview, wie sich der Sälipark vom reinen Onlinehandel abheben will.

Im Jahr 2003 eröffnet, behauptet sich der Sälipark seit 18 Jahren als grösstes Einkaufszentrum auf dem Stadtgebiet. Das einstige Industrieareal, auf dem Maschinen und Apparaturen für Giessereien gebaut wurden, entwickelte sich zu einem Einkaufs- und Dienstleistungszentrum. Der Sälipark entstand zu einer Zeit, in welcher der Onlinehandel für viele noch Neuland bedeutete.

Durch das sich verändernde Einkaufsverhalten in den letzten Jahren gerieten Einkaufszentren zunehmend unter Druck. Die Umsatzzahlen sind seit einigen Jahren rückläufig, manche Zentren wie das Centro Ovale bei Chiasso sind einen leisen Tod gestorben und gelten heute als «Dead Mall». Andere kämpfen seit ihrer Eröffnung mit dem Überleben, zum Beispiel The Mall of Switzerland in Ebikon vor den Toren Luzerns oder das Stücki in Basel nahe an der Grenze zu Deutschland. Letzteres wird zurzeit zu einem «Wirtschaftspark» umgebaut, der Arbeitsplätze für 4000 Menschen bieten sowie ein Grosskino und ein Bowlingcenter beherbergen soll. Wie aber steht es um den Sälipark in Olten? Was hat sich in den letzten Jahren verändert und welche Trends zeichnen sich für die Zukunft ab? Das haben wir bei Vera Graf, Geschäftsführerin bei Giroud Olma, der Betreiberin des Säliparks, in Erfahrung gebracht.

Frau Graf, es heisst, in Sachen Umsatz pro Quadratmeter zähle der Sälipark zu den erfolgreichsten Einkaufszentren der Schweiz. Mythos oder Realität?

Zunächst müssen wir die Relationen klären. Von einem Einkaufszentrum spricht man ab einer Verkaufsfläche von 5000 Quadratmetern. Beim Sälipark sind es 13’000 Quadratmeter. Das mag im ersten Moment nach viel klingen. Im Vergleich mit anderen Zentren in der Schweiz gehören wir aber zu den Kleinen. Das Glattzentrum beispielsweise zählt 45’000, das Shoppi Tivoli gar 76’000 Quadratmeter. Die relativ hohen Umsatzzahlen erklären sich dadurch, dass der Sälipark mit der Migros und dem Denner über einen vergleichsweise hohen Lebensmittelanteil verfügt. Dies trägt dazu bei, dass die Umsatzzahlen auf das Ganze gesehen vergleichsweise hoch sind. Feststeht aber auch, dass der ganze Non-Food-Bereich im stationären Handel grundsätzlich unter Druck ist und das nicht erst seit der Pandemie. Experten gehen jedoch davon aus, dass durch den Lockdown die seit längerem zu beobachtende Entwicklung in Richtung Onlinehandel um fünf Jahre beschleunigt wurde.

«Als im September im Kanton Solothurn die Maskenpflicht in Läden eingeführt wurde, haben wir das massiv zu spüren bekommen.»

Wenn wir beim Thema sind: Wie hat sich die gesetzlich verordnete Ladenschliessung bei Ihnen im Zentrum ausgewirkt?

Der erste Lockdown im vergangenen Frühling kam für uns, wie für alle, überraschend. Nach dem ersten Schock hat man sich mit der Situation arrangiert, jedoch gab es zu diesem Zeitpunkt keine rechtliche Handhabe beispielsweise bei der Frage, ob der Vermieter dem Mieter mit dem Mietzins entgegenkommen muss. Wir haben uns deshalb so rasch wie möglich mit unseren Mietern zusammengesetzt und beschlossen, sämtlichen Betrieben, welche von der verordneten Schliessung betroffen waren, einen Mieterlass für den Monat April zu gewähren. Nach der Wiedereröffnung lagen die Besucherzahlen sofort wieder auf Normalniveau. Wie zu normalen Zeiten üblich liefen die Geschäfte über die Sommermonate eher lau. Die Leute verreisten wohl weniger ins Ausland, verbrachten ihre Ferien aber trotzdem nicht zu Hause, sondern irgendwo in der Schweiz. Als im September im Kanton Solothurn die Maskenpflicht in Läden eingeführt wurde, haben wir den «Kantönligeist» am eigenen Leib zu spüren bekommen, da die Kundschaft in den benachbarten Kanton Aargau ausgewichen ist. Alles in allem haben wir für das vergangene Jahr einen Umsatzrückgang von 20 Prozent zu verzeichnen.

Unabhängig von Corona: Wie hat sich der Sälipark in der Zeit seit seiner Eröffnung verändert?

Früher war es die Regel, langjährige Verträge abzuschliessen. Das gab einerseits dem Eigentümer eine Planungssicherheit, andererseits bedeutete es für den Mieter, dass er seine Investitionen über einen gewissen Zeitraum amortisieren konnte. Beim Grossteil unserer Verträge ist die Mietdauer auf zwanzig Jahre festgesetzt. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass die Diversität im Sälipark in der Vergangenheit gelitten hat. Das Angebot hat sich über die Jahre nur wenig verändert. Einerseits ist es für uns als Eigentümerin erfreulich, wenn die Mieter treu sind, andererseits verfügen wir dadurch über wenig Spielraum, das Angebot im Zentrum mit neuen Geschäften aufzufrischen. Für die Kundenseite ist es verständlicherweise eher langweilig. In der heutigen Zeit, in der das Retailgeschäft schnelllebiger geworden ist, gehören langjährige Verträge eher zur Ausnahme als zur Regel. Die vertraglich vereinbarte Mietdauer ist aber von Fall zu Fall verschieden. Einfach gesagt: Je grösser die Investitionen eines Mieters in sein Lokal, umso länger die Vertragsdauer. Für zwanzig Jahre unterschreibt aber heute niemand mehr. Dafür ist der Wandel zu tiefgreifend und zu rasant. Niemand weiss, was in zehn Jahren sein wird.

Eine einfache Rechnung: In zwei Jahren werden zahlreiche Verträge auslaufen. Werden wir 2023 einen leeren Sälipark vorfinden?

Die Verhandlungen mit den einzelnen Geschäftsinhaberinnen sind ein laufender Prozess und beginnen lange vor Vertragsende. Einige unserer Mieter konnten wir in den letzten Jahren dazu motivieren, ihre Räumlichkeiten durch Umbauarbeiten aufzufrischen. Eine solche Investition zieht normalerweise eine Vertragsverlängerung oder einen neuen Vertrag mit sich. Ich kann also beruhigen, es gibt keine Anzeichen, dass der Sälipark sich leeren wird.  

«Als stationäres Geschäft nebenbei einen Onlineshop zu betreiben, reicht nicht mehr.»

Sie haben zu Beginn das veränderte Einkaufsverhalten erwähnt. Wie spüren Sie dieses konkret?

Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Omnichannel. Dabei geht es um die Verzahnung des Onlinegeschäfts mit dem stationären Handel. Als stationäres Geschäft nebenbei einen Onlineshop zu betreiben, reicht nicht mehr. Ein Konzept, das sich bewährt, heisst Click and Collect, bei dem der Kunde seinen Kauf zwar online tätigt, die Ware aber später im Laden abholt. Oder die Möglichkeit für die Kundin, die im Laden ein Produkt sieht und sich beim jeweiligen Geschäft online über weitere Farben und Variationen informieren kann. Solche Kombinationen aus online und stationär werden künftig noch viel wichtiger werden. Diese Entwicklung wirkt sich auch auf die Nachfrage nach Verkaufsflächen aus. Während früher grosse Flächen gefragt waren, um das gesamte Sortiment präsentieren zu können, sind heute durch die Verknüpfung mit dem Internet die Möglichkeiten auf kleiner Fläche viel grösser. Der stationäre Handel ist gefordert, sich neue Konzepte zu überlegen. Dabei geht es immer um dieselbe Frage: Was kann ich meiner Kundschaft bieten, das sie im Internet nicht geboten bekommt?

Welche Massnahmen können Sie als Betreiberin eines Einkaufszentrums hinsichtlich neuer Konzepte ergreifen?

Im Herbst wollen wir etwas Neues wagen. Auf einer freiwerdenden Fläche möchten wir die Möglichkeit für Geschäfte und Marken bieten, Pop-up-Stores einzurichten. Bei der Vermarktung dieser Fläche arbeiten wir mit einem jungen Schweizer Start-up zusammen. Die Ausschreibung erfolgt über die Plattform popupshops.com, auf der Pop-up-Mietflächen auf der ganzen Welt ausgeschrieben sind. Als Eigentümerin bauen wir die Fläche komplett aus, je nach Bedarf stellen wir auch das Mobiliar zur Verfügung. Der Mieter wählt die benötigte Quadratmeterzahl und muss nur noch mit seiner Ware kommen. Die Mietdauer kann ebenso flexibel gewählt werden wie der Platzbedarf.

Welche Mieterschaft stellen Sie sich vor für diese Pop-up-Flächen? 

Da sind wir grundsätzlich offen. Ich kann mir vorstellen, dass wir einen Brand für uns gewinnen können, der testen will, ob in Olten ein Zielpublikum für seine Marke vorhanden ist. Es ist aber auch denkbar, dass ein Ladenbetreiber aus der Altstadt einen Versuch wagt, um auf sich aufmerksam zu machen und zu sehen, wie sein Sortiment oder einzelne Produkte daraus beim Publikum auf der rechten Seite ankommt. Eine weitere Möglichkeit ist es, dass ein bestehender Mieter die Fläche für eine besondere Promotion nutzt. Der Vorteil des Pop-up-Konzepts ist es, dass es beiden Seiten, Vermieter wie Mieter, die Chance gibt, etwas Neues auszuprobieren. Unser Ziel ist es, das Angebot im Sälipark vielfältiger zu gestalten. Ein spannendes Wagnis, weil es von unserer Seite Investitionen erfordert und nur schwer vorauszusagen ist, wie sich das Projekt entwickeln wird.

Eine weitere Entwicklung, die sich vermehrt beobachten lässt, ist die Schaffung von Co-Working-Arbeitsplätzen. Ein interessantes Konzept für den Sälipark?

Das Co-Working-Konzept hat sich global vor allem in grossen Zentren durchgesetzt. Auch in Olten gibt es bereits solche Formen von temporärem Arbeitsraum. Wir planen aktuell auf dem Sälipark-Areal keine solchen Co-Working-Arbeitsplätze, da das derzeitige Angebot sicherlich grösser ist als die Nachfrage. Wir werden das aber hinsichtlich der veränderten Arbeitsweise durch Corona im Auge behalten.

Wie würden Sie den Beziehungsstatus zwischen den Geschäftsbetreibern auf der linken und jener auf der rechten Stadtseite beschreiben?

Für mich sind die beiden Stadtseiten ebenbürtig. Es ist anzunehmen, dass viele unserer Kundinnen auch in der Altstadt Einkäufe tätigen. Da ich selbst nicht in Olten aufgewachsen bin, kann ich diese vermeintliche Rivalität zwischen den beiden Seiten nicht wirklich nachvollziehen. Nicht zuletzt durch unsere Mitgliedschaft im Gewerbeverband pflegen wir gute Kontakte mit den Gewerbetreibenden in der Altstadt. Man trifft sich regelmässig und tauscht sich aus. Auch wenn es vereinzelt Befürchtungen gegeben hat, dass die rechte Seite mit dem Sälipark zu dominant wird, gibt es genügend Geschäfte, die sich bewusst für die Altstadt entscheiden und sich nicht vorstellen können, ihren Standort in einem Einkaufszentrum zu haben. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Im Einkaufszentrum profitieren die Geschäfte von den Besucherfrequenzen der anderen Unternehmen, hingegen fallen die Kosten für die Infrastruktur meist höher aus. Mit Besorgnis beobachten wir die einzelnen politischen Vorstösse in der Altstadt, noch mehr Parkplätze zu streichen. Damit macht sich die Politik zur Sterbehelferin des Einzelhandels und wird – wahrscheinlich ungewollt – den Trend zum Einkaufen im Internet noch beschleunigen.

Einen Co-Working-Bereich wird es voraussichtlich auch im neu gestalteten Sälipark nicht geben.

Wie wichtig ist der Standort beziehungsweise die Erreichbarkeit für Velofahrer und Fussgängerinnen?

Die zentrale Lage sowie die direkte Nachbarschaft zur Fachhochschule und dem Bildungszentrum sorgen dafür, dass viele unserer Kunden zu Fuss, auf dem Velo oder mit dem Bus zu uns gelangen. Die 400 Parkplätze im Parking und vor dem Do-it sind aber nach wie vor äusserst wichtig für uns. Die ländliche Lage von Olten spielt da sicherlich eine Rolle. Dies wird sich in absehbarer Zeit nicht ändern. Was wir eingerichtet haben, sind zwei Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Diese werden bisher aber noch relativ selten genutzt.

Welchen Stellenwert hat der Mietermix innerhalb des Einkaufszentrums?

Diesen erachten wir als sehr wichtig. Abwechslung macht es spannender für die Kundschaft. Als kleines Zentrum gelangt man jedoch schnell an Grenzen. Ein gesunder Mix zwischen Fashion, Dienstleistungsangeboten und Gastronomie ist aber entscheidend. In vielen Einkaufszentren ist der Fashion-Anteil noch immer sehr hoch, vielleicht zu hoch. Ein Risiko, weil dieser Bereich extrem unter Druck ist durch die Konkurrenz im Internet. Der Trend geht mehr in Richtung Dienstleistungen, unter anderem im Gesundheitsbereich, und Gastronomie. Gerade mit Cafés und Restaurants lässt sich die Aufenthaltsqualität in einem Zentrum erhöhen. Unser Ziel ist es, dass die Kundschaft möglichst viel unter einem Dach erledigen kann. Neben dem Lebensmitteleinkauf sollen die Menschen die wichtigsten Besorgungen bei uns machen können.

«Es gibt Stimmen, die längere Öffnungszeiten für den stationären Handel fordern. Doch dies löst das Problem nicht.»

Welche weiteren Trends für die Zukunft sehen Sie für Einkaufszentren?

Der Unterhaltungsfaktor gewinnt an Relevanz. Die Kundschaft ist anspruchsvoller geworden. Studien zeigen, dass heute mehr als Zweidrittel der Kundinnen sich vorab im Internet informieren, bevor sie in den Laden kommen. Der Mensch will nicht mehr einfach nur einkaufen. Das sieht man vor allem bei den jüngeren Generationen. Ein Mix aus angesagten Brands und guter Gastronomie, wo man sich gerne trifft, wird künftig sicherlich wichtiger sein. Das Thema Gesundheit ist auch ein solcher Trend. Grössere Einkaufszentren versuchen es mit Kino, Schwimmbad und Wellness. Damit versucht man wegzukommen vom reinen Einkaufen. Zuhause auf dem Sofa kann ich während 24 Stunden Ware bestellen. Es gibt Stimmen, die längere Öffnungszeiten für den stationären Handel fordern. Doch dies löst das Problem nicht. Wir sehen das beim Abendverkauf, der bei den Leuten nicht mehr gefragt ist. Auch die Sonntagsverkäufe sind weitaus weniger wichtig als früher. Viel entscheidender ist die bereits erwähnte Verzahnung von Internet und stationärem Handel, gerade auch um die jüngere Kundschaft zu motivieren, ins Einkaufszentrum zu kommen. Das Zentrum der Zukunft bietet lustvolles Einkaufen, Treffpunkte, um Gemeinschaft zu erleben, sowie persönliche Beratung durch fachkundiges Personal. Dinge, mit dem das Internet nicht aufwarten kann.

Was können Sie zum Stand der Dinge beim nicht mehr ganz so neuen Neubauprojekt Sälipark 2020 sagen?

Wir befinden uns nach wie vor in einem schwierigen Bewilligungsverfahren. Zuletzt lag das Projekt eineinhalb Jahre beim Kanton, der in der Zwischenzeit einen Formfehler der Stadt festgestellt hat. Deshalb musste ein Teil des Gestaltungsplans jüngst noch einmal neu aufgelegt werden. Dieser Gestaltungsplan ist für die Arealentwicklung entscheidend. Woran wir auch sieben Jahre nach der ersten Idee noch immer festhalten: Mit dem Sälipark 2020 wollen wir das Wohnen aufs Areal bringen. Zentrales Wohnen, Arbeiten und Einkaufen mit möglichst kurzen Wegen ist die Zukunft. Darin sehen wir das grösste Potenzial und da bleiben wir dran, auch wenn derzeit nicht absehbar ist, wann wir mit der Umsetzung unserer Pläne beginnen dürfen.

Wird es das verflixte siebte Jahr richten? Das Projekt Sälipark 2020, mit dem unter anderem siebzig Wohnungen auf dem Areal entstehen sollen, steckt seit 2014 noch immer in den Startlöchern.


Welche Geschäfte gehören für dich unbedingt in ein Einkaufszentrum?

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