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Zu Möchtegern-Epidemiologen mutiert

Zuletzt stiegen die in Olten registrierten Fallzahlen tendenziell. Womöglich lag dies am mutierten Virus, das an Schulen ausbrach. Zu diesem Anlass gibt’s im Lokalrauschen eine kleine persönliche Revue auf ein Jahr Corona. Und sonst so? Gentrifizierung, Ladenleben und SIP.
7. März 2021
Text: Yann Schlegel, Illustration: Roger Lehner

Das Coronavirus hat uns alle zu kleinen Epidemiologen gemacht. Oder zumindest glauben wir das manchmal. (Vor einem Jahr wusste ich nicht mal genau, was ein Epidemiologe ist.) Damals, als vor gut einem Jahr im Februar zu meinem runden Geburtstag jede Ecke meiner Wohnung mit Freunden vollgestopft war, da sprachen wir noch von dieser Lungenkrankheit, die womöglich gerade in Italien ausbrach. Wir sprachen vom Unterschied zwischen Viren und Bakterien. Und davon, ob dieses Virus wohl den Weg durch den Gotthard finden würde.

Gut zwei Wochen später gingen wir in den harten Lockdown. Das Wort Quarantäne hatte ich vorhin nur aus dem Orientierungslauf gekannt. Als jenen Ort, wo sich die Läuferinnen vor einem Wettkampf isolieren. Aus einer Epidemie wurde eine Pandemie. Wir lernten, was die Inkubationszeit ist, und bald danach sprach alle Welt von Aerosolen. Und wir lernten, welchen Effekt die gefühlt hundert verschiedenen Maskentypen haben. Dann begannen die Medien Ende Jahr mehrheitlich von den mutierten Viren zu schreiben. Die britische, die südafrikanische – wenig später die brasilianische Variante. Manchmal las sich dies wie eine Anschuldigung. Ach je, die Briten wieder! Sie haben’s verbockt und uns eine Variante eingeschleppt.

Spätestens seit dieser Woche wissen wir: Das mutierte Covid-19-Virus ist auch in Olten angekommen. Schlimmer noch: es ist «im Angriff», wie das Oltner Tagblatt schrieb. Dieses fiese Miststück greift also nun auch unsere Schulen an. Für die Liebhaber von Science-Fiction wird das unsichtbare Ding mit diesem Titel ein wenig greifbarer. (Ja, die Pandemie-Thriller sind zugegeben ein Stück weit real geworden.) Aber am Ende des Tages können wir uns glücklich schätzen, dass wir nicht wie die Menschen in der Ostukraine oder im Jemen militärischen Angriffen ausgesetzt sind. Verglichen dazu ist ein mutierter Virusangriff weniger existenzbedrohend.

Denn als mittlerweile gereifte Möchtegern-Epidemiologen haben wir gelernt: Dass Viren mutieren, ist natürlich und völlig normal. Warum wir uns also vor den mutierten Viren fürchten? Weil sie sich offenbar (im Fall der britischen Variante) wesentlich schneller ausbreiten. Wird also der Term «dritte Welle» zu unserem neuen Stammvokabular? Es gibt Hoffnung, dass dem nicht so ist. Wie der Bundesrat gestern ankündigte, werden wir ab Mitte März alle mit Covid-19-Tests eingedeckt. Wer fleissig die verschiedenen Testsorten auswendig lernen will, kann schon mal loslegen.

Was Olten die vergangenen Tage sonst noch bewegte:

  • Auf der rechten Aareseite gehören die vergilbten Fassaden mancherorts zum Ortsbild. Sie geben der Stadt charmant ausgedrückt jene Eigenheit, die Olten mitunter unvergleichbar macht. Doch nun kommt zusehends Bewegung ins Stadtbild. Neben den weit fortgeschrittenen Projekten am Bahnhof Nord, dem Turuvani-Areal und dem Sälipark erhielten diese Woche zwei weitere Projekte grünes Licht vom Stadtrat: ein Blockbau an der alten Aarauerstrasse und eine geplante Erweiterung des Arkadis-Gebäudes. Hoppla – die rechte Aareseite ist im Begriff, sich im Kleinen zu gentrifizieren. Was Gentrifikation bedeutet? Das ist auch immer eine Frage der Wortwahl: Sagen wir, sich selbst überlassene Stadtquartiere werden baulich aufgewertet, was zu steigenden Mietpreisen führt. Die wohlhabenderen Menschen verdrängen die ärmeren Leute. Wo Räume für alternative Subkulturen entstanden waren, bilden sich hippe Stadtteile.

  • Laden öffne dich: Das galt letzte Woche nach gut zwei Monaten Lockdown. Und da wollen wir doch mal das Positive hervorheben. Soll noch jemand behaupten, in Olten gäbe es nur das Lädelisterben. Dem ist nicht so: Gleich drei neue Geschäfte wagten sich in die Innenstadt und bringen (hoffentlich) neues Leben. Ein Wollladen (ja, auch ich habe im Lockdown das Stricken wieder neu erlernt), ein Computergeschäft und der Pop-up-Store mit Tee und Kunst. Schon im Oktober mischte sich ein Weinladen ins Oltner Gewerbe. Zudem belebt ein temporäres Outlet in einem der sonst leeren Lokale die Altstadt. Ein saftiges Lebenszeichen würd ich meinen. Wenn diese positive Energie mutiert, dann wird’s heiter im Städtchen. Also hopp, kauft fleissig im Städtchen ein.

  • Zum Schluss noch ein Hörtipp: Das Regionaljournal SRF war mit der neuen SIP in der Stadt unterwegs und gibt einen interessanten Einblick in deren Arbeit.

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