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Wer mit wem? Das grosse Taktieren

Wer bringt die Stadt in den kommenden vier Jahren voran? Darüber befinden die Oltnerinnen in sechs Monaten. Das Gedränge um die fünf Plätze im Stadtrat wird gross sein. Wir schauen vor den Wahlen genau hin. Die Ausgangslage.
12. Oktober 2020
Text: Yann Schlegel, Illustration: Roger Lehner

Geschichten haben die Stadtratswahlen schon viele geschrieben. Zwei werden im Frühling enden. Jene von Martin Wey, der nach acht Jahren als Stadtpräsident die Politbühne verlässt. Dreissig Jahre lang ging er im Oltner Betonhochhaus ein und aus. Erst als Rechtskonsulent, danach als Stadtschreiber und mittlerweile während bald zwanzig Jahren als Politiker. Wie kurz die Wege in Olten sind, veranschaulicht eine kleine Geschichte: Als Wey 2001 für den Stadtrat kandidierte und den direkten Wechsel von der Verwaltung zu den Behörden vollzog, da interviewte ihn zwei Monate vor seiner Wahl Markus Dietler. Als Wey gemachter Stadtrat war, übernahm der damalige OT-Redaktor Dietler die Stelle als Stadtschreiber. In dieser Funktion ist Dietler bis heute an der Seite von Wey geblieben.

Die Übriggebliebenen vom «farbigen Olten»

Als Stadtratskollegin ist auch Iris Schelbert eine langjährige Weggefährtin von Martin Wey. Nach drei Legislaturperioden tritt sie im Frühling zurück. Schelbert hatte 2009 als erste Grüne überhaupt die Wahl in die Stadtregierung geschafft. Für Aufruhr sorgte in jenem Jahr eine durch FDP-Exponenten lancierte «Aktion für ein farbiges Olten». Ohne Schelberts und Peter Schafers Einwilligung hatte die Aktion aus dem Hinterhalt sich für fünf Köpfe eingesetzt. Dieses Quintett schaffte letztlich die Wahl und sorgte für ein «farbiges Olten». Von Gelb (für Ernst Zingg) über Hellgelb (Mario Clematide) und Schwarz (Martin Wey) bis hin zu Rot (Peter Schafer) und Grün (Iris Schelbert). Die Aktion hatte das Dreierticket der SP gesprengt; Doris Rauber war abgewählt.

«Es gibt in SP-Kreisen Stimmen, die sich wünschen, dass der Stadtrat links-grüner wird.»

Ruedi Moor, Co-Präsident der SP und Gemeinderat

Längst hat sich das Gesicht des Stadtrats verändert. Einzig Wey und Schelbert blieben übrig. Mit ihrem Rücktritt endet eine über zwei Jahrzehnte währende Ära, die von den beiden Stadtpräsidenten Zingg und eben Wey geprägt war. Seit 2013 und der Abwahl von Mario Clematide hat in Oltens Exekutive Links-Grün die Überhand. Zwischen 2005 und 2009, als der Stadtrat sich nicht mehr aus sieben, sondern bloss fünf Mitgliedern zusammensetzte, besetzte die SP gar drei Sitze. Nur: Das Stadtpräsidium blieb stets dem Freisinn vorbehalten. Und danach stand CVP-Mann Martin Wey der Stadt vor. Holen sich die Sozialdemokraten im kommenden Jahr nun erstmals überhaupt das Stadtpräsidium?

SP liebäugelt mit Dreierticket

«Wir haben zwei Ziele», sagt Ruedi Moor, Co-Präsident der SP. «Wir möchten die linke Mehrheit im Stadtrat behalten. Und wir möchten das Stadtpräsidium besetzen.» Mit welcher Konstellation die SP dies anstrebt, ist derzeit noch offen. Klar ist, dass beide Bisherigen – Marion Rauber und Thomas Marbet – sich wieder zur Wahl stellen wollen. Der 53-jährige Marbet bewarb sich zudem Ende Juni parteiintern für das Stadtpräsidium. In welcher Konstellation die SP antritt, wird sich an der Parteiversammlung anfangs November weisen. «Es gibt in SP-Kreisen Stimmen, die sich wünschen, dass der Stadtrat links-grüner wird», sagt Moor.

Hinter vorgehaltener Hand ist ab und wann zu hören, von der gegenwärtigen Mehrheit sei im Stadtrat wenig zu spüren. Es ist nicht das erste Mal, dass die Sozialdemokraten den eigenen Leuten kritisch gegenüberstehen. 2017 hatten sie den amtierenden Stadtrat Peter Schafer aus dem Rennen genommen. Diesmal scheint dieses Szenario weniger wahrscheinlich – ein Dreierticket und somit Konkurrenz für die eigenen Bisherigen jedoch schon. «Eine Liste mit zwei Frauen und einem Mann wäre für mich persönlich unter den aktuellen Randbedingungen eine gute Variante», sagt Co-Präsident Moor. Noch sei man aber völlig im Unklaren darüber, wie die Bürgerlichen oder auch Olten jetzt! taktieren werden.

Erinnerungen an die Wahlen 2001

Erst Mitte Oktober gab der FDP-Vorstand bekannt, mit einem Zweierticket antreten zu wollen. Neben dem aktuellen Stadtrat Benvenuto Savoldelli wollen die Freisinnigen mit ihrem Präsidenten David Plüss einen zweiten Sitz in der Exekutive gewinnen. Wie die SP überlegte sich die FDP zunächst, gar ein Dreierticket zu stellen. Mit diesem hätte die Partei nicht den Anspruch an die Mehrheit gehabt, sondern eine breite Auswahl präsentiert, sagt David Plüss. Dazu kommt es nun nicht – eine freisinnige Frau wird nicht zur Wahl stehen. «Wir sehen uns nicht stärker in der Pflicht als die anderen Parteien, eine Frau zu bringen», sagt Plüss mit Blick auf die bisherigen Nominationen. SP-Stadträtin Marion Rauber bleibt die einzige Frau im bisher bekannten Kandidatenkreis.

«Wir sehen uns nicht stärker in der Pflicht als die anderen Parteien, eine Frau zu bringen.»

David Plüss, FDP-Präsident

Mit Gemeinderat und FDP-Präsident Plüss reiht sich ein weiterer junger Mann ins Feld der Anwärter für den Stadtrat ein. Der 35-Jährige wuchs in Olten in einer freisinnigen Familie auf. Plüss ist verheiratet und als promovierter Chemiker ist er Leiter Kommunikation beim Verband der Schweizerischen Zementindustrie. Seine Nomination dürfte Ende Oktober Formsache sein. Letztmals hatte die FDP bei den Wahlen 2001 – als der Stadtrat noch ein 7-köpfiges Gremium war – mit drei Sitzen mehr als bloss einen Vertreter gestellt (2009 war Mario Clematide als wilder FDP-Kandidat gewählt).

Offen für alles: die SVP

Abwarten ist bei der SVP die Devise. Ihre Ausgangsposition ist historisch bedingt anders. Während die FDP seit jeher zu den Wortführern im Rat zählte, scheiterte die SVP mit ihren Kandidatinnen bei den Stadtratswahlen stets. Entsprechend macht sich die Partei keinen grossen Druck.

«Es müssen die richtigen Menschen in diesen Stadtrat. Welche Farben sie tragen, ist für uns sekundär.»

Philippe Ruf, SVP-Präsident und Gemeinderat

«Für uns ist es wichtig, die Wahlen ganzheitlich zu betrachten», sagt Philippe Ruf auf Anfrage. Er hofft für die Parlamentswahlen auf die von den bürgerlichen Parteien angestrebte Listenverbindung. Kommt der bürgerliche Schulterschluss – der bis zu den Grünliberalen reichen soll – zustande, würde die SVP wahrscheinlich auch bei den Stadtratswahlen auf eine Kooperation setzen. Auf lokaler Ebene funktioniere dies gut, so Ruf. «Es müssen die richtigen Menschen in diesen Stadtrat. Welche Farben sie tragen, ist für uns sekundär.» Womöglich erst im Dezember wird die SVP endgültig festlegen, wie sie auf die Wahlen im Frühjahr zugeht.

Die Exekutive aufmischen

Für zusätzlichen Pfeffer im Stadtratswahlkampf will Olten jetzt! sorgen. «Wir haben in den letzten vier Jahren gelernt: Wer in der Stadt etwas gestalten will, muss auch in der Exekutive vertreten sein», sagt Parteipräsident Nils Loeffel. Neuen Schwung und neue Lösungen hatte Olten jetzt! bei den Wahlen 2017 versprochen. Dass dies mit vier Sitzen im Parlament nicht einfach ist, bekam Olten jetzt! bald zu spüren.

In vielen Fragen öffnet sich eine Kluft zwischen bürgerlich und links – eine Pattsituation ist Tatsache. Die bürgerliche Mehrheit ist im Parlament seit dem Erfolg von Olten jetzt! passé. Mit der Blockadesituation kam von rechts bald der Vorwurf, Olten jetzt! habe eine klare politische Linie. SVP-Fraktionspräsident Matthias Borner sagte im Kolt vom Mai 2019: «Olten jetzt! hat sich nach den Wahlen als eine weitere linke Bewegung entpuppt – ja, mit Olten jetzt! sitzt eigentlich eine zweite SP im Parlament.»

«Wer in der Stadt etwas gestalten will, muss auch in der Exekutive vertreten sein.»

Nils Loeffel, Präsident von Olten jetzt!

Ob Olten jetzt! bei den zweiten Wahlen den grossen Coup der Parlamentswahlen vor vier Jahren bestätigen kann und in den Stadtrat einzieht? «Wir wollen Verantwortung übernehmen», sagt Nils Loeffel.

Wer die städtischen Volksabstimmungen als Gradmesser nimmt, könnte erwarten, dass die Bürgerlichen wiedererstarkt sind: Mit ihren drei Referenden waren sie erfolgreich und verhinderten so etwa das Budget 2019. Ein progressiveres Gesicht hatte das politische Olten in den letzten Jahren bei nationalen Wahlen und Abstimmungen. Im Sog der Klimadebatte avancierten die Grünen in Olten bei den Parlamentswahlen 2019 hinter der SP zur zweitstärksten Kraft. Profitieren könnte davon auch Olten jetzt!, das daran beteiligt war, als das Oltner Parlament den Klimanotstand ausrief. Voraussichtlich bis Ende Oktober will Olten jetzt! seine Kandidatinnen präsentieren. Denkbar sei etwa auch ein Zweierticket, um eine Auswahl zu bieten, sagt Nils Loeffel.

CVP und Grüne legen die Karten auf den Tisch

Im Hinblick auf die Stadtratswahlen vom 7. März haben somit erst zwei Parteien Klarheit geschaffen. Mit der CVP und den Grünen sind es jene, die ihre bisherigen Kräfte ersetzen müssen. Beide setzen dabei auf junge Politiker, die zurzeit dem Gemeindeparlament angehören. Für die CVP geht der 40-jährige Architekt Beat Felber ins Rennen. Die Grünen schenken Raphael Schär-Sommer das Vertrauen. Der 33-jährige Maschinenbauingenieur machte sich in der Stadt unter anderem als Mitgründer von «Olten im Wandel» einen Namen.

Viele Karten bleiben sechs Monate vor den Wahlen noch verdeckt. Eines zeichnet sich aber ab: Die Oltner Stimmberechtigten werden wie schon in den letzten Jahren eine breite Auswahl haben. Die Zukunft der Stadt liegt in ihren Händen.


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