Und schon neigt sich mein Austauschjahr in Trondheim dem Ende zu. Momentan gilt es, sich fleissig auf die abschliessenden Semesterprüfungen vorzubereiten. Wobei «fleissig» vielleicht nicht ganz das passendste Wort ist. Denn so eine Lernphase hier in Norwegen läuft so ganz anders ab, als ich es mir von der Schweiz her gewohnt bin. Während in der Schweiz das studentische Sozialleben vor den Prüfungen auf ein Minimum heruntergefahren wird, scheint es in Norwegen richtiggehend aufzublühen. Hier ein kleiner Auszug aus den Geschehnissen der vergangenen Wochen.
Freitag, der 6. Mai, war der letzte Schultag des Semesters. Zur abschliessenden Fragestunde erschienen aber nur drei von rund 65 eingeschriebenen Studenten. So zumindest entnahm ich es dem Mail eines etwas enttäuschten Professors. Ich gehörte nämlich auch nicht zu jenen drei anwesenden Musterschülern. Zu jenem Zeitpunkt weilte ich bereits seit drei Tagen im schwedischen Örebro. Es galt, sich mit dem Trondheimer Studenten-OL-Klub NTNUI auf die 10Mila vorzubereiten, einen der grössten OL-Staffelwettkämpfe überhaupt. Man rennt sie in Mannschaften von zehn Läufern die ganze Nacht hindurch. Massenstart ist um 21:30 Uhr und das Siegerteam läuft ungefähr um 7 Uhr ein. Für den OL-Klub NTNUI ist es jeweils das Highlight des Jahres. Dementsprechend gab es etliche Studierende, die mündliche Prüfungen und Abgaben auf unbestimmt verschoben oder sie völlig verkatert montagmorgens wahrnahmen. Denn nach einer schlaflosen Wettkampfnacht durfte man sich die rund elfstündige Heimfahrt im traditionellen Bankettbus nicht entgehen lassen.
So bestand die erste Prüfungswoche hauptsächlich darin, sich von den Strapazen des Wochenendes zu erholen. Alle konnten sich so erfolgreich ausruhen, dass man am Freitag in aller Frische mit denselben OL-Läufern noch ein zweites Mal auf die 10Mila anstossen konnte. Diesmal auf festem Boden. Spätestens am Folgetag meldete sich zum ersten Mal das schlechte Gewissen. Wie viele Seiten hätte ich zur selben Zeit in der Schweiz schon gelesen und zusammengefasst? Wie viele Aufgaben hätte ich schon gelöst? Auf jeden Fall deutlich mehr als mein norwegisches Ich.
Wahrscheinlich war es nur ein blöder Zufall, dass es sich beim darauffolgenden Dienstag um den 17. Mai handelte. Der norwegische Nationalfeiertag wird derart gross gefeiert, dass es gleichbedeutend mit drei lernfreien Tagen ist. Den ganzen Montag galt es, sich für das grosse Fest am Abend vorzubereiten, wo es dann auch richtig zur Sache ging. Polizeieinsatz mit Hunden inklusive. Am 17. Mai selbst wurde zunächst gediegen gebruncht, bevor man sich in die Innenstadt begab, um dem grossen Umzug beizuwohnen. Die ganze Stadt schien auf den Beinen zu sein und alle hatten ihre schönste Sonntagskleidung aus dem Schrank geholt. Noch nie zuvor hatte ich mehr Männer in Anzügen gesehen. Und die Frauen in ihren traditionellen Trachten liessen jede mir bis dahin bekannte Trachtenschau wie einen Kindergeburtstag aussehen. Kaiserwetter sei Dank endete auch dieser Tag erst spät in der Nacht.
Wie aber kann es sein, dass kaum jemand vor den sich nähernden Prüfungen in Panik verfiel, sondern einfach munter weiter vor sich her prokrastiniert wurde? Womöglich könnte es ein etwas anderes Verhältnis gegenüber Arbeiten sein. In meiner Wahrnehmung definiert man sich in der Schweiz sehr stark über seine Arbeit. Man ist, was man schafft. Der Job steht an erster Stelle und alles andere kommt erst danach. In Norwegen hingegen scheint es mir, dass Arbeiten eher als Mittel zum Zweck angesehen wird, um sich das Leben nach dem Feierabend zu finanzieren. Kaum je drehen sich Gespräche um den nervigen Chef oder die grosse Projektarbeit. Viel lieber thematisiert man Erlebnisse und Vorhaben in der Freizeit. Ich kann diese gewagte Theorie mit keinerlei Studien oder dergleichen belegen. Allerdings haben auch andere Austauschstudenten, mit denen ich darüber diskutiert habe, ähnliche Beobachtungen gemacht.
Ob meine Theorie wissenschaftlich erklärbar ist oder nicht, auf jeden Fall fielen in den weiteren Verlauf der Prüfungsphase noch die inoffiziellen norwegischen Bier-OL-Meisterschaften sowie das Auffahrtswochenende mit vier OL-Wettkämpfen und das Pfingstwochenende mit deren drei. Klar, niemand hat mich gezwungen, das ganze Mammutprogramm mitzumachen. Aber das Angebot war einfach zu verlockend und die Versuchung schlichtweg zu gross.
Nun endet nach Pfingsten die «stressige» Prüfungszeit. Danach darf man die Semesterferien geniessen, auch ganz ohne schlechtes Gewissen. Bleibt einzig abzuwarten, ob ich alle Prüfungen bestanden habe.
*Marius Kaiser (22) kommt aus Starrkirch-Wil und lebt seit vergangenem Sommer für ein Jahr in Norwegen, wo er Bauingenieurswesen studiert.
In Oltens Wäldern sind viele Tiere heimisch: Eichhörnchen, Rehe, Vögel aller Art und unzählige Insekten, die durchs Unterholz kreuchen und fleuchen. Elefanten aber gehören nicht dazu. Warum also gibt es in Olten zwei Elefantenplätze – einer im Säliwald und einer im Bannwald?
In der Schweiz sind die Gemeinden für die Benennung von Strassen und Plätzen zuständig. Also richtete ich meine erste Anfrage an den Stadtplaner Lorenz Schmid. Wie, fragte ich ihn, kamen die Elefantenplätze zu ihrem Namen? «Beide Elefantenplätze», schrieb er mir umgehend zurück, «liegen im Wald und die Bewirtschafterin sei die Bürgergemeinde Olten.» Diese Antwort war zugegebenermassen nicht sonderlich ergiebig. Aber noch war ich guten Mutes.
Die zweite Mailanfrage ging also raus an die Bürgergemeinde Olten. Die Reaktion erfolgte prompt. Die Bürgerschreiberin Arlette Maurer wies mich darauf hin, dass ich mit meinen Fragen bei ihnen an der falschen Adresse sei und ich doch bitte im Stadtarchiv nachfragen solle.
Gesagt, getan. Auch hier musste ich nicht lange auf eine Antwort warten. Der Stadtarchivar Dr. Marc Hofer konnte mir aber ebenfalls nicht weiterhelfen. Immerhin erklärte er mir, wieso diese Frage so knifflig war. Die Bezeichnung Elefantenplatz sei nämlich keine offizielle Strassenbezeichnung und folglich gebe es keine entsprechenden Beschlüsse des Stadtrats oder einer Kommission. Er vermute, dass es sich um eine volkstümliche Bezeichnung handle, die sich irgendwann einmal eingebürgert habe. Auch das Solothurner Ortsnamenbuch helfe leider nicht weiter. Beim Elefantenplatz im Säliwald sei jedoch ein Bezug zum nahegelegenen Tierpark denkbar.
Ich war verwirrt. Gefühlte drölfzillionen Stunden habe ich bereits im Wildpark Mühletäli verbracht. Meist am Wochenende vor acht Uhr morgens. Die Hälfte meines Einkommens habe ich in Tierfutter investiert und ich bin mir trotz Stilldemenz und latenter Müdigkeit sicher, dem Kind kein einziges Mal dabei zugesehen zu haben, wie es einen Elefanten gefüttert hat. Damhirsche und Zwerggeissen: Ja; Elefanten: Nein. Dieser Hinweis schien mir eine Sackgasse.
Die nächsten beiden, bereits leicht verzweifelten Anfragen gingen raus an den Förster Georg Nussbaumer und die Stadtführerin Emma Anna Studer. Beide hatten keine Ahnung, wie die beiden Elefantenplätze zu ihrem Namen gekommen sind. Studer hatte aber einen Tipp für mich: Einer, der immer und auf alles eine Antwort wisse, sei der Alt-Stadtarchivar Martin Eduard Fischer. Ich solle ihn fragen. Und tatsächlich: Hier wurde mir geholfen.
«Der Elefantenplatz hat im Grunde nichts mit Elefanten zu tun», erklärte mir Fischer. Der Name sei vielmehr ein Verweis auf die Pfadfinder. Bei den «Wölfli» – einer Vorstufe der Pfadfinder – spielte das Dschungelbuch mit der Geschichte von Mogli dem Menschenkind, Balu dem Bären und Hathi dem Elefantenoberst eine wichtige Rolle. Samstags seien er und die anderen Pfadi-Kinder in den Wald gezogen, um auf dem Elefantenplatz im Bannwald zu spielen und zu bräteln. Dabei haben sie oft einen Tanz aufgeführt, bei dem jeweils ein Kind den Anfang machte.
«Es bewegte sich wie ein Elefant vor den Kameraden hin und her. Auf ein bestimmtes Wort hin fasste es ein anderes Kind an den Schultern. Und schon tanzten sie zu zweit. Dies ging so weiter, bis alle Kinder bei der Elefanten-Polonaise dabei waren.» Fischers Ehefrau erinnerte sich an den Text des Liedes:
Ei Elefant, dä tanzt e so Imene Spinnefädeli noche. Är findet das halt däwäg nätt, Will är so gärn es Gspänli hätt!
Elefanten sind Herdentiere, die grossen Wert auf Gemeinschaft und Zusammenhalt legen. Dasselbe gilt auch für die Pfadfinder. So scheint es, als bestehe hier tatsächlich ein Zusammenhang. Dies bestätigt auch ein Eintrag auf der Webseite www.ortsnamen.ch: Der Begriff Elefant werde im Schweizerdeutschen ab und an als «Helfant» verballhornt, was wiederum zu «helfen» umgedeutet und in Olten mit der Pfadi in Verbindung gebracht wurde.
Somit scheinen Elefantenplätze schlicht und einfach Plätze im Wald zu sein, an denen sich die Pfadi in der Vergangenheit oft und gerne aufhielt. Ob dem Dschungelbuch und somit den Elefanten von den Pfadfindern heute noch immer eine so zentrale Rolle zugesprochen wird, kann ich nicht sagen. Ginge es allerdings darum, welches Tier die Pfadi-Mamis jeden Samstag am meisten beschäftigt, dann müssten die Elefantenplätze definitiv umbenannt werden – in Zeckenplätze.
*Rebekka Salm (42) wohnt seit einigen Jahren in Olten, arbeitet in Zürich im Asyl- und Flüchtlingsbereich, ist Autorin und Mutter einer Tochter.
Wein auf Bier, das rat’ ich dir; Bier auf Wein, das lasse sein.
Meine Recherchen im Alkoholbusiness zeigen sofort: Dieses Sprichwort ist kein gut gemeinter Ratschlag, um den Kater am nächsten Morgen abzuschwächen.
Das erste Mal aufgeschrieben tauchte es im 18. Jahrhundert auf. Der Spruch selbst wurde schon lange Zeit vorher verwendet und verwies damals auf den sozialen Stand. «Im Mittelalter konnte das Wasser in den Städten aufgrund von Verseuchungen nicht immer getrunken werden», sagt Weinhändlerin Corinne Frauenfelder vom Fläschehals in Olten. In diesen Fällen tranken die gut Betuchten Wein und die weniger gut Betuchten Bier. Ergo kam der Wechsel von Wein auf Bier einem sozialen Abstieg gleich.
Mehr ist nicht dran? «Ein nachweislicher Unterschied beim Kater gibt es nicht», sagt unser Arzt des Vertrauens aus Lostorf. «Entscheidend ist die Menge Alkohol im Blut, die der Körper abbauen muss.» Forschende haben das sogar in einer Studie wissenschaftlich belegt: Die eine Gruppe trank Bier und erst dann Wein, die andere vice versa. Denn auch im Englischen gibt es dieselbe Phrase: «Beer before wine and you’ll feel fine; wine before beer and you’ll feel queer.» Unterschiede beim Kater? Fehlanzeige. Um diesen vorzubeugen, nennt unser Arzt andere Tipps: nicht auf leeren Magen trinken und immer wieder zum Wasser greifen.
Also gut. Aber kann man heute dem Getränk noch den sozialen Stand ablesen?
Nein, sagen Luc Nünlist und Simon Gomm der Oltner Bierbrauerei Drei Tannen entschieden. Gegründet haben sie die Brauerei, weil die Stadt aus ihrer Sicht ein eigenes regionales Bier braucht. Mit Hopfen aus Wolfwil und aus Oltner Leitungswasser.
Doch das Bier hat in der Schweiz gegenüber dem Wein einen schweren Stand: «Das vielseitige, bewusste Biertrinken ist erst im Aufschwung», sagt Luc Nünlist und verweist damit auf das stetig wachsende Bierangebot. «Ausserdem ist die Schweiz in weiten Teilen ein Weinland. Und damit ist die gehobene Weinkultur in der Gastronomie fest verankert», ergänzt Simon Gomm.
Auf den Restaurantkarten fehlt deshalb neben dem meist grossen Weinsortiment oft die spannende Bierauswahl. Doch Bier hat viel Potential. «Beim Bierbrauen gibt es keine Grenzen», sagen die beiden Brauer, fasziniert von dessen Entstehungsprozess. «Man mischt vier Zutaten: Hopfen, Wasser, Malz und Hefe, die einzeln nicht so spannend sind. Einen Monat später hat man ein facettenreiches Getränk in der Hand.»
Wie Bier für die Brauer Kunst ist, ist es für Corinne Frauenfelder der Wein. «Es ist schlussendlich ein Naturprodukt», sagt sie, «und viele Faktoren haben Einfluss auf die Qualität des Weines: die Trauben, das Klima, der Boden und das Handwerk.» Zudem sei Wein weit mehr als nur ein Getränk: ein Prestigeobjekt.
Sie erzählt von Weinkellern mit 800 Flaschen und von Menschen, die ihn nicht trinken, sondern als Wertanlage aufbewahren. «Wein ist ein Beziehungsgeschäft», sagt Corinne Frauenfelder. «Ganz besondere Flaschen gibt es nur zu kaufen, wenn man die richtigen Leute kennt.»
Wein ist für die Händlerin ein reines Genussmittel, das sie gern in Gesellschaft mit der Familie und im Freundeskreis trinkt. Doch Alkohol kann vom Genussmittel auch zum Suchtmittel werden. «Wenn man mit Alkohol arbeitet, muss man sich dessen bewusst sein», sagt Corinne Frauenfelder. «Bei Degustationen trinken wir den Wein nicht, sondern probieren ihn nur.»
Auch der Brauerei Drei Tannen ist ein gesunder Umgang mit Gewohnheiten und ihrem Produkt wichtig. «In Zusammenarbeit mit der Stadtküche brauen wir ein Leichtbier, das verantwortungsvollen Konsum und vollen Geschmack vereint», sagt Luc Nünlist. Abstinenz scheint keine massentaugliche Lösung zu sein, aber ein bewusster Umgang schon.
Deshalb fragt auch unser Arzt bei Kontrolluntersuchungen standardisiert nach dem Trinkverhalten und fördert damit das Bewusstsein im Umgang mit Alkohol. Denn bereits der Konsum von kleinen Mengen Alkohol birgt grundsätzlich ein gesundheitliches Risiko, sagt er.
Ob Bier, Wein oder beides, es ist längst keine Frage des sozialen Standes mehr, sondern des Geschmacks und des gesunden Umgangs. In diesem Sinne, es lebe der Prosecco!
*Livia Stalder hat früher in Olten Ballett getanzt und ihr erstes Geld – äs Füfzger-Nötli – als Journalistin bei Kolt verdient. Heute tanzt sie in Zürich zu Techno, kommuniziert für eine NGO in Bern und schreibt Kolumnen für Kolt.
Mit 190 Kubikmeter Wasser pro Sekunde zieht die Aare gemächlich am Oltner Freibad vorüber. Es regnet. Es ist kalt. Nicht gerade verlockend für einen Besuch im Strandbad. Strandbad? Woher kommt der Strand im Bad? Die Antwort liegt direkt an der Aare.
«Es heisst so, weil es auch einen Uferbereich zum Baden hat», erklärt Urs Kissling, Leiter Tiefbau der Stadt Olten. «Früher war das Bad nur in der Aare und es war offensichtlich ein Strand vorhanden. Mit den Becken ist der Strand weniger wichtig geworden.» Heute werde aber der Strand wieder vermehrt genutzt, weil die Leute in der Aare schwimmen.
Die Strandbadfrage ist somit geklärt und ich starte in die zweite Mission: Die neue Rutschbahn – produziert in der Schweiz nach Schweizer Qualitätsstandard – wird einem ordentlichen Test unterzogen. Die alte Rutsche hat der Badi einen guten Dienst geleistet und wurde im vergangenen Jahr abgebaut. Sie sei bei den Badegästen sehr begehrt gewesen, weiss der Tiefbauleiter. Nun musste eine Neue her. Eine, die zu den zwei Übriggebliebenen passt.
Vor der Badi ist es gespenstisch ruhig. Niemand da? Doch, drei Frauen sitzen am Empfang und warten auf Kundschaft. Ob sie die Neuheit bereits getestet haben? «Nein, noch nicht.»
Auf dem Weg in die Umkleide denke ich über die Faszination des Rutschens nach. Schliesslich gibt es ganze Parks voll solcher Bahnen und auch auf jedem Spielplatz steht eine. Um den Sprung ins Wasser noch etwas hinauszuzögern, lege ich eine Kurzrecherche auf dem Smartphone ein. Das Thema bewegt im Internet insbesondere Lehrpersonen und Eltern. Anscheinend nutzen Kinder jede Gelegenheit zum Rutschen. Neben Spass und Selbstvertrauen fördere diese Betätigung eine aktive Körperhaltung bei den Kids, weil sie dabei einen dynamischen Umgang mit dem Gleichgewicht üben. Und es führe zu intensiven Sporterlebnissen, kann man in einem Datenblatt des St. Gallischen Gesundheitsdepartements lesen. Also gönne ich mir ebendieses Sporterlebnis.
In Bademontur und auf extrem kalten Füssen begebe ich mich zum Mini-Wasserpark. In frischem Grün erstrahlt die fünf Meter hohe und dreizehn Meter lange Rutschbahn mit dem abschreckenden Namen «Freefall». Aber ich starte natürlich nicht unvorbereitet in dieses Abenteuer. In Deutschland wird Rutschen als Sportart betrieben – das sogenannte Rennrutschen. Es gibt sogar nationale Meisterschaften, wo sich die Sportlerinnen notabene an regionalen Meisterschaften dafür qualifizieren müssen. Ich wollte von den Besten lernen und habe mir zuvor die Rutschtechnik des ehemaligen Rennrutschers Jens Scherer, Deutscher Meister und Weltrekordhalter im Highspeed-Rutschen, via Youtube angeeignet. So ist eine gute Körperspannung wichtig, lerne ich. Arme und Beine überkreuzen – und sobald das grüne Licht aufleuchtet, geht es los.
Pfeilschnell düse ich durch die Röhre. So flott er begonnen hat, endet der Rutsch auch schon im Wasser.
Die ersten Rückmeldungen zur neuen Rutsche seien positiv, sagt Urs Kissling und fügt an: «Die neue Rutschbahn passt in die Badi Olten.» Finde ich auch. Sie ergänzt die beiden anderen, die ich selbstverständlich auch getestet habe, optimal. Die sind zwar etwas länger, dafür weniger steil und dadurch langsamer. Denn das Tempo einer Rutsche wird von ihrem Gefälle, der Länge und dem Belag bestimmt. Die Neigung der neuen Oltner Rutsche lässt keine Zweifel übrig, woher der Name «Freefall» rührt. Auch der neue Belag macht der Tempogenerierung keinen Abbruch. Aber die Kürze, die sorgt dafür, dass auch diese Rutsche kindergerecht bleibt.
Mein endgültiges Verdikt: Das Rutscherlebnis ist rasant, aber kurz. Jens Scherer wird aus diesem Grund bestimmt nicht in Olten vorbeischauen, nur um die Rutsche zu testen. Lustig war es allemal. Trotzdem gehe ich lieber wieder ins Schwimmbecken. Crawlen liegt mir besser.
*Livia Stalder hat früher in Olten Ballett getanzt und ihr erstes Geld – äs Füfzger-Nötli – als Journalistin bei Kolt verdient. Heute tanzt sie in Zürich zu Techno, kommuniziert für eine NGO in Bern und schreibt Kolumnen für Kolt.
Heute ziehe ich mit meiner Frau nach Belp, näher an die geliebten Berge. Mit dabei unsere Holzbank, die bereits in den Bergen gebaut wurde. Bei unserer Hochzeitsfeier auf der Alp Morgeten war das Bänkli auch anwesend, nur hoch zum Gantrischseeli wollten es unsere Trauzeugen dann doch nicht tragen. Diese Geschichte kennt die eine oder der andere bereits.
Es ist ein grosses und lang ersehntes Projekt für die Stadt Olten: Im Kleinholz entsteht ein neues Schulhaus. Mit progressiven Lernräumen, Dreifachturnhalle und attraktiver Parklandschaft. Eine «grüne Oase» soll es auch werden, ein «Generationenprojekt», ein «Raum für kreatives Lernen», wie Thomas Marbet, Marion Rauber und Nils Löffel betonen.
Die Freude des Stadtpräsidenten, der Stadträtin Direktion Bau und des Stadtrats Direktion Bildung und Sport wirkt echt und vor allem berechtigt, als sie an diesem sonnigen Dienstagmorgen auf dem noch unversehrten Rasen hinter der Stadthalle beherzt in ein Mikrofon sprechen.
Im August 2024 soll hier bereits zum ersten Mal die Schulglocke klingeln. 16 Klassen von Kindergarten bis Primarschule werden dann im nigelnagelneuen Schulhaus ins Schuljahr starten, wenn alles gut kommt.
Heute sind die Schüler des Hübeli-Schulhauses schonmal hier, zum Schnuppern sozusagen. Einen Parkour haben sie gemacht auf dem frisch gemähten Rasen, wo sie etwa mit Büchsen ein neues Schulhaus bauen und ein altes abreissen konnten. Jetzt hat ihnen die Stadt ein Znüni spendiert.
«Hallooooooo», antwortet ein Chor aus Kinderstimmen, der ohne Weggli im Mund vielleicht noch etwas lauter gewesen wäre, als der Stadtpräsident höchstpersönlich per Mikrofon ein gut gelauntes «Hoi zäme!» an die zukünftigen Nutzniesserinnen des Grossprojekts richtet. Derweilen wird auf weiss gedeckten Festbänken das Apéro für die Gäste vorbereitet, die ihre Schulzeit schon hinter sich haben.
Wer sich damit auskennt, hat es bereits erahnt: Heute ist der Spatenstich.
Bald fahren im Kleinholz die Bagger auf, um innert nur zwei Jahren einen Gebäudekomplex mit dem Volumen von 65 Einfamilienhäusern entstehen zu lassen.
Bald muss der gepflegte Rasen also weichen. Zwar aus einem durch und durch erfreulichen Grund, da sind sich alle einig. Trotzdem weist der Bildungsdirektor Nils Löffel darauf hin, dass, wenn jetzt der eigentliche Spatenstich folge, beachtet werden soll, auf dem Fussballfeld den Spaten nicht zu tief in die Erde zu stecken, also nicht wirklich ein Loch auszuheben – damit der Rasen unversehrt bleibt.
Und dann folgt, wie angekündigt, der Spatenstich.
Zehn robuste Spaten und zehn gelbe Bauhelme werden verteilt an Vertreterinnen aus Stadtverwaltung, Architektur und Schulwesen. Sie posieren damit vor einem kleinen Bagger.
Den meisten ist es sichtlich unwohl.
Der Fotograf des Oltner Tagblatts hat die rettende Idee: Er ruft die Schulkinder herbei, sie sollen auch aufs Foto. Sofort wirkt die kindliche Magie. Sie löst jede noch so peinliche Spannung, die Erwachsene unter sich so seltsam kultivieren können, in Luft auf.
Cringe: Jugendwort des Jahres 2021. Bedeutet so etwas wie Fremdscham oder eben peinliche Spannung. Kinder kennen keinen Cringe. Ganz im Gegensatz zu Teenager – ein Glück für alle Anwesenden, dass im Kleinholz keine Oberstufe gebaut wird.
Es wird unter gelben Bauhelmen auf einmal echt gelächelt und hochgezogene Schultern entspannen sich, als eine immer grösser werdende Traube von turnsäcklibehängten Kindern in die Lokalmedienkameras grinst und sich ein Junge einen Spaten sogar trophäenartig über den Kopf hält.
Spatenstich: warum?
Woher kommt dieses Ritual? Seit wann wird es gemacht? Wie viele Spatenstiche erlebt der durchschnittliche Lokaljournalist bis zu seiner Pensionierung? Wie viele die durchschnittliche Bürgermeisterin?
Es ist gar nicht so einfach, an fundierte Informationen zu diesem Thema zu gelangen. Sicher ist: Der Spatenstich ist ein alter Brauch. «Seit langer Zeit ein unerlässliches Bauritual bei jedem Neubau», steht etwa in einem Online-Architektur-Ratgeber, wo unter allerlei Tipps und Tricks zum Bau eines Eigenheims auch dem Spatenstich eine ganze Seite gewidmet wird.
Wie lange der Brauch schon existiert, ist ungewiss. Er muss aber mindestens in die Zeit zurückreichen, in der man Baugruben noch mit Spaten, Hacken und Schaufeln aushob.
Und obwohl der erste dampfbetriebene Bagger bereits 1796 in Betrieb genommen wurde, hat sich der symbolische Spatenstich bis heute weitgehend durchgesetzt. Die Werkzeuge werden dabei oft hübsch hergerichtet. Der oben genannte Ratgeber empfiehlt es so: «Häufig wird ein schönes Band um den Griff des am besten noch sauberen Spatens gebunden».
Wikipedia ist allerdings zu entnehmen, dass die Industrialisierung auch an der Symbolik nicht spurlos vorbeigegangen ist: Es gebe mittlerweile anstelle von traditionellen Spatenstichen durchaus auch «erste Rammschläge», «erste Baggerbisse» und Ähnliches, steht da.
Und in fernöstlichen Kulturkreisen ist das Ritual ebenfalls verankert: Den Spatenstich kennt auch die aus China stammende Harmonielehre Feng-Shui, als ersten Eingriff in ein bisher unberührtes Grundstück. Da die Erde in dieser Lehre als lebendiger Organismus gilt und jeder Eingriff im Grunde eine Verletzung darstellt, wird als Ausgleich dazu oft ein Baum gepflanzt.
Eine Feng-Shui-Beraterin aus Biel informiert in einem weiteren Online-Architektur-Ratgeber unter dem Titel «Bauen Sie ein Haus mit Seele» auch über den geeigneten Zeitpunkt für das Ritual: «Früher machte man den ersten Spatenstich nach Möglichkeit an einem Samstag. Baut man nach den Regeln des Feng-Shui, berechnet man einen günstigen Tag für das Spatenstichfest nach den Mondhäusern. Auch eine schöne Möglichkeit ist es, einen Tag auszusuchen, an dem der Mond zunimmt. So können Fülle und Wachstum Einzug halten.»
Ausserdem empfiehlt die Beraterin explizit, auch Kinder in den Akt einzubeziehen. Diese würden «solche Rituale freudig mitmachen», während sie «herumhüpfen und rennen dürfen». Zum Anstossen solle man ihnen danach Traubensaft oder alkoholfreien Champagner anbieten.
Und überhaupt, anstossen solle man unbedingt nach dem Spatenstich, «denn das Klingen der Gläser verbindet alle miteinander und vertreibt gleichzeitig die negativen Energien.»
In diesem Sinne: Prost, aufs Kleinholz und die kindliche Magie!
Einen Anhänger voll mit Glasflaschen haben wir soeben entsorgt. Ich und mein Hund Piero sind nun auf dem Rückweg zur Suchthilfe, um weitere recycelbare Wertstoffe für das Projekt «Umweltfreunde» zu sortieren. Ich weiss noch nicht, ob es heute nochmals für einen vollen Anhänger reicht. Seit zwei Jahren mache ich das schon. Immer vormittags ab 8 Uhr bis zum Mittag. Heute Nachmittag habe ich frei.
Weisst du, woher der Ausdruck «ins Gras beissen» kommt? Diese Redewendung taucht schon in der Bibel auf. Jemand, der «ins Gras beisst», stirbt unfreiwillig. Auf den Feldern grosser Kriege kam es immer schon vor, dass Verwundete am Boden liegend zurückgelassen wurden. Während sie ihren Schmerzen erlagen, bissen sie wortwörtlich ins Gras.
Ums Sterben soll es in dieser Kolumne aber nicht gehen. Im Gegenteil: Der Verzehr von Gras – beziehungsweise der für mich wie Gras aussehenden Wildkräuter – soll einem langen Leben zuträglich sein. Dies zumindest versichern mir Anna-Lena Holm und Celina Schärli vom Verein «Kraut & Wiese».
Gemeinsam mit den beiden kräuterkundigen Frauen stehe ich vor dem unscheinbaren Streifen Wiese, der sich zwischen der Rückseite der Oltner Badi und dem ein gutes Stück höher liegenden Hausmattrain entlangzieht. Was ich sehe, wenn ich auf die grüne Fläche blicke: Gras und Löwenzahn. Was Anna-Lena und Celina sehen: Wiesenschaumkraut, Löwenzahn, Brennnesseln, Gefleckte Taubnesseln, Spitzwegerich, Knoblauchsrauke, Giersch, Scharbockskraut, Ehrenpreis, Gundelrebe und Bärlauch. Und all das, versichern mir die beiden, kann man essen. Mehr noch: All das soll man essen. Es ist gratis, in grossen Mengen vorhanden und viel gesünder als handelsübliches Gemüse wie Grünkohl oder Karotten.
Wildkräuter wachsen überall auf Wiesen, an Waldrändern und in Gärten. Beim Sammeln sollte man darauf achten, dass man sich ein gutes Stück vom Weg entfernt (Achtung Hundepipi) und gedüngte Weiden meidet (Achtung Pipi aller Art). Was aber nun mit dem gesammelten Grünzeug anfangen? Drei Pflanzen – drei Rezeptvorschläge:
Nur schon beim Gedanken daran, mir Brennnesseln in den Mund zu schieben, wirft meine Zunge schmerzhafte Blasen. Tatsächlich aber ist das wehrhafte Kraut eine alte Gemüsepflanze, deren Blätter wie Spinat zubereitet gegessen wurden. Gekocht oder im Mixer verarbeitet verlieren sie ihre Brennhaare. Besonders empfehlenswert sind auch die Samen, die ab Sommer gesammelt werden können. Sie enthalten viel Eiweiss, gesunde Fettsäuren, Vitamin E und Mineralien wie Magnesium und Kieselsäure – ein heimischer Superfood also. Man kann sie frisch oder getrocknet als schmackhafte Beigabe für Salat und Müsli verwenden oder damit Suppen und Gemüsegerichte verfeinern. (Es gibt weibliche und männliche Brennnesseln. Als Superfood eignen sich eher die Samen der weiblichen Pflanzen. Das lässt sich ganz einfach googeln. Go for it!)
Als Nächstes macht mir Celina die Gundelrebe schmackhaft. Die kleine Pflanze mit den fingernagelgrossen, dunkelgrünen Blättern und den violetten Blüten wächst gefühlt überall. Zerreibt man die Blätter zwischen den Fingern, riecht man einen herb-würzigen Duft, der an Sommernachmittage in Grossmutters Garten erinnert. Die Gundelrebe kann man nicht «hampfelweise» essen, dafür hat sie einen zu starken Eigengeschmack. Sie macht sich aber prima als Dessert. Und das geht so: Gundelrebenblätter sammeln. Schokolade im Wasserbad schmelzen. Die Blätter einzeln durch die flüssige Schokolade ziehen und auf einem Backpapier im Kühlschrank auskühlen lassen. Fertig ist das sogenannte «Wiesen-After-Eight».
Die Gefühle gegenüber der dritten Pflanze sind kontrovers. Wildkräuterköchinnen lieben sie. Hobbygärtner hingegen beschimpfen sie als schlimmes Unkraut. Die Rede ist vom Giersch. Geschmacklich erinnert er an Möhren, Petersilie oder Sellerie. Der milde Giersch macht sich wunderbar in einer Gemüsepfanne oder auf einem Gemüsequiche. Oder man verarbeitet ihn zu Pesto. Dafür röstet man 60 Gramm Pinienkerne und wirft diese mit zwei Handvoll frisch gepflückten und gewaschenen Gierschblättern, 100 Gramm Parmesan und einer Knoblauchzehe in den Mixer. Anschliessend füllt man die Mischung mit etwa eineinhalb Deziliter Olivenöl auf. Mit Salz und Pfeffer abschmecken, fertig. Das Pesto hält sich im Kühlschrank eine gute Woche.
Aber Achtung, was für alle Wildkräuter gilt, gilt für den Giersch ganz besonders. Nur essen, was man wirklich kennt. Eine Bauernregel hilft, den Giersch sicher zu identifizieren: Drei, drei, drei – bist beim Giersch dabei. Soll bedeuten: Der Giersch hat einen dreieckigen Stängel und an jedem Stängel drei dreiteilige Blätter. Wer den Giersch dummerweise mit dem ihm verwandten (aber sehr seltenen) gefleckten Schierling verwechselt, ja, der könnte tatsächlich Gefahr laufen, ins Gras zu beissen.
*Rebekka Salm (42) wohnt seit einigen Jahren in Olten, arbeitet in Zürich im Asyl- und Flüchtlingsbereich, ist Autorin und Mutter einer Tochter.
Seit ich 20 Jahre alt bin, lebe ich in Trimbach. Wann immer es die Arbeit zulässt, gehe ich mit meiner Arbeitskollegin und ihrem Sohn Finley spazieren. Er ist fast wie ein Enkel für mich. Bei diesem tollen Frühlingswetter heute gab es die erste Glace an der Aare – Pistazie.
Stadttauben sind vielen Stadtmenschen ein Gräuel. Tauben sind gruusig, sagen sie. Tauben koten überall, sagen sie. Tauben verbreiten Krankheiten, sagen sie. Wenig schmeichelhaft werden sie die Ratten der Lüfte genannt. Doch eigentlich tun wir den oft mausgrauen Vögeln unrecht. Denn Stadttauben sind keine Wildtiere, sondern alleingelassene Haustiere.
Vor langer Zeit haben die Menschen Felstauben domestiziert. Für ihr Fleisch, für ihren Orientierungssinn, für ihren Kot. Als Dünger genutzt, war Taubenkot ein wertvolles Gut. Dank ihres Orientierungssinns konnten sie als Brieftauben eingesetzt werden. Der Mensch wollte damals noch möglichst viele Tauben auf engem Raum und züchtete sie entsprechend. Stadttauben sind deshalb sehr fruchtbar und ohne Dominanzverhalten.
Im Laufe der Zeit waren die Tauben nicht mehr nützlich und wurden sich selbst überlassen. Sie blieben den Städten treu, denn hier fanden sie Futter, Nistplätze und konnten bei den Menschen sein.
Doch diese Verwilderung hat mehrere Haken. Tauben, um die sich niemand kümmert, sind unterernährt, immungeschwächt und leben unter unhygienischen Bedingungen. In den Städten picken sie, was sie finden, und das ist nicht unbedingt das, was ihnen gut bekommt. Es führt zum Hungerkot, der flüssig ist und den öffentlichen Raum verschmutzt. Der Kot von gut genährten Tauben aber ist fest und klein.
In den Städten gibt es immer wieder grosse Ansammlungen von Tauben. Nämlich dort, wo sie nisten können. Ohne Dominanzverhalten wird es an diesen Orten immer enger und dreckiger. Die Tiere werden krank. Unkontrolliert vermehren sie sich rasend schnell, auch wenn sie unterernährt sind.
Ein Taubenpaar hat nicht selten bis zu zehn Taubenbabys pro Jahr. So wächst die Population stetig. Im Jahr 2006 lebten in Olten über 4’000 Tauben. Immer wieder hat die Stadt versucht, das Problem in den Griff zu kriegen. Doch Tötungsaktionen und Verhütungspillen für die Tauben blieben ohne Erfolg und waren aus tierrechtlicher Sicht problematisch.
Also initiierte die Stadt Olten 2007 eine Kampagne zur Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung und richtete zwei öffentliche Taubenschläge ein. Durch die gezielte Betreuung konnte die Taubenpopulation in kürzester Zeit kontrolliert werden und zählt mittlerweile rund 300 Tiere. Die Stadt ist zufrieden mit der Entwicklung. Reklamationen gäbe es nur noch wenige, sagt sie auf Anfrage. Die riesigen Schwärme sind verschwunden und die Tauben in Olten sind gesund und glücklich.
Rund die Hälfte der Population findet ein Zuhause in den zwei betreuten Taubenschlägen im Bifang- und Hübeli-Schulhaus und ist somit in den Händen des Taubenwarts Giuseppe Graziano. Seit 60 Jahren kümmert er sich leidenschaftlich um Tauben.
«Tauben haben mich schon immer fasziniert», sagt er. «Als kleiner Junge hatte ich meine ersten Tauben. Ich habe sie immer wieder freigelassen und versucht, vor ihnen zu Hause zu sein. Sie waren jedes Mal schneller.»
Der Oltner Taubenwart bringt ungeheuer viel Erfahrung mit. Im Taubenschlag im Dachstock des Hübeli-Schulhauses ist es geräumig, ordentlich und sauber. Bei seinen regelmässigen Besuchen versorgt er die Tiere mit Wasser und artgerechtem Futter. Rund 80 Prozent ihres Kotes scheiden sie im Taubenschlag aus, der regelmässig gereinigt wird. So bleibt die Stadt sauber.
In einer Ecke stehen die Tauben und schauen uns etwas scheu, aber interessiert an. «Tauben sind gesellige und gwundrige Tiere», sagt Giuseppe Graziano. In den kleinen Brutschalen liegen sorgfältig drapierte Zweige. Ab und zu begegnet man verschreckten Augen von Taubenbabys. Es sind immer zwei. Der Oltner Taubenwart tauscht viele der Eier mit Gipsattrappen aus. Dadurch kann er genau kontrollieren, wie viele Tauben pro Jahr schlüpfen, und hat die Population im Griff.
Ab und zu brauchen die Taubenpaare aber eine erfolgreiche Brut. «Sie realisieren sonst, dass etwas nicht stimmen kann, und suchen sich einen neuen Nistplatz», sagt Giuseppe Graziano. Dies gilt es zu verhindern, damit er sich um sie kümmern kann.
Tauben bleiben ihrem Nistplatz in der Regel ein Leben lang treu und auch ihr erwachsener Nachwuchs kehrt für die Brut zurück. Neben Nistplätzen finden sie hier auch einen Ruheort. Auf den an die Wand geschraubten Dreiecken schlafen sie. Dank dieser Konstruktion bleiben sie von fallendem Kot verschont.
Der Taubenschlag ist ihr Zuhause mit Giuseppe Graziano als Taubenvater. Dank seiner Erfahrung erkennt er, wenn eine Taube krank ist. Nicht selten nimmt er sie bei sich zu Hause auf und pflegt sie, bis sie genesen ist. Im vergangenen Winter grassierte die Vogelgrippe. Seine Schützlinge sind alle geimpft.
Weniger, dafür gesunde Tauben war und ist die Devise der Stadt Olten. Es scheint zu funktionieren und dies nicht nur zum Vorteil der Menschen, sondern vor allem zum Vorteil der Tiere.
Den Stadttauben gefällt es in Olten, weil sie ein Zuhause haben und weil sie gesund und munter sind.
*Livia Stalder hat früher in Olten Ballett getanzt und ihr erstes Geld – äs Füfzger-Nötli – als Journalistin bei Kolt verdient. Heute tanzt sie in Zürich zu Techno, kommuniziert für eine NGO in Bern und schreibt Kolumnen für Kolt.
Mentale Stärke hat, wer aktiv bleibt. Ich bin als Bergführer über 20 Mal aufs Matterhorn gestiegen, habe als Gipser gearbeitet und nun spiele ich schon seit zehn Jahren Pétanque – hier im Stadtpark und im Club in Trimbach, drei- bis viermal pro Woche. Bei der letzten Vereinsmeisterschaft wurde ich Meister. Ich bin jetzt 92 Jahre alt.
Um die Frage gleich zu beantworten: Die Wildsau «macht» – im eigentlichen Wortsinn – rein gar nichts. Sie ist ja aus Stein. Seit über sechzig Jahren steht sie an der Aare beim Eingang in die Winkelunterführung und lädt vor allem zwei Sorten Mensch ein, auf ihren Rücken zu klettern. Zur ersten Sorte gehören die Obernaaren. Jedes Jahr werden sie rittlings auf dem steinernen Tier sitzend fürs Fasnachtsarchiv abgelichtet. Vermutlich um ihren Willen zu verdeutlichen, während der fünften Jahreszeit so richtig die Sau rauszulassen.
Die zweite Sorte Mensch sind Kinder. Wer auf der rechten Aareseite wohnt und Nachwuchs hat, kennt folgende Rechnung: Von der Friedenskirche bis zur Stadtbibliothek braucht man zu Fuss 13 Minuten. Multipliziert mit dem Faktor Kinderbeine gibt das eine Wegzeit von gut 20 Minuten. Dazu addiere man zwingend und bei jedem Wetter mindestens 5 Minuten, wo das Kind auf der Wildsau rumturnt, bevor an ein Weitergehen überhaupt zu denken ist. Und voilà, schon ist man völlig entnervt in der Stadtbibliothek.
Aber zurück zum Kunstwerk und zu seinem Erschaffer: Jakob Probst. Der 1880 in Reigoldswil (BL) geborene und 1966 in Gambarone (TI) verstorbene Bildhauer ist mit gleich fünf Kunstwerken – darunter der zweieinhalb Meter hohe «Krieger» im Stadtpark – so prominent im öffentlichen Raum Oltens vertreten wie kein anderer Künstler. Dabei hat er nie hier gelebt. Er bezeichnete Olten jedoch stets als seine zweite Heimat. Grund dafür war unter anderem die enge Freundschaft zu den hiesigen Architekten Emil Frey und dessen Sohn Hermann. Letzterer war übrigens entscheidend am Bau der Kanti und der Badi beteiligt.
Für die Wildsau hat Probst einen vom Wallis ins Tessin geratenen Urgestein-Findling bearbeitet. Fünfzig Jahre lang war dieser Brocken aus vulkanischem Gestein im Besitz des Bildhauers Remo Rossi, der die Reliefplastik an der Fassade des Alpiq-Gebäudes am Bahnhofsquai schuf. Rossi wusste mit dem harten Stein nichts anzufangen und überliess ihn Probst. Dieser rang dem Findling mit viel Kraft die Wildsau ab. Probst, so verriet mir die Oltner Stadtführerin Emma Anna Studer, sei seinen Kunstwerken nicht unähnlich gewesen: kantig, kraftvoll, klobig.
1960 kaufte die Stadt Olten die Wildsau für CHF 30’000. Die Neuanschaffung gab in den Medien und an den Stammtischen viel zu reden. «Ganz bös entgleist» sei der Gemeinderat mit der Anschaffung der Wildsau, so der Leserbriefschreiber W. L. Das Kunstwerk sei zwar solide Bildhauerkunst, aber das Sujet eine Zumutung. Was bitte schön sei dessen tiefere Bedeutung? Auf wen spiele es an? Etwa auf die Oltner Bürger? Schöner wäre es gewesen, so W. L. weiter, man hätte sich für eine filigranere Figur entschieden, ein Reh oder einen Fischreiher.
Allen «Hatern» zum Trotz blieb die Steinplastik, was sie war – eine Wildsau. Stellte sich nun noch die Frage, wie diese platziert werden sollte. Jakob Probst hatte die Vorstellung, das Tier so auszurichten, als wolle es von der Aare her auf die Aarburgerstrasse hinaufpreschen. Der Wunsch des Künstlers war den Oltnern Befehl. Dann aber fiel den Stadtoberen auf, dass die Wildsau in dieser Position der Stadt Olten und in der Verlängerung auch der Kantonshauptstadt Solothurn den Hintern zuwandte. Ein No-Go.
Also liessen sie die Stadtarbeiter nochmals antreten und die Steinplastik um neunzig Grad drehen, so dass sie jetzt ihr Gesäss dem Bezirk Gösgen hinhält. Dies wiederum gefiel den Gösgerinnen ganz und gar nicht. Und vor allem gefiel es dem Künstler nicht. Er fand diese Neuausrichtung seines Werks wortwörtlich eine Sauerei und blieb der Einweihungsfeier 1961 fern. Diese Geschichte wäre vermutlich anders verlaufen, hätte Leserbriefschreiber W. L. Gehör gefunden. Niemand, so vermute ich, hätte sich an einem Reh- oder Fischreiherpopo gestört.
Die Gemüter haben sich längst beruhigt. Heute gehört die Wildsau zu Olten wie die Holzbrücke und der Stadtturm. Der Autor Franz Hohler hat ihr eine Geschichte gewidmet und Christian Schenker, der vor knapp einem Jahr verstorbene Liedermacher, hat ihr ein musikalisches Denkmal gesetzt. Nur einen Fehler machen alle, die über die Wildsau schreiben, singen oder sprechen: Die Wildsau heisst gar nicht Wildsau. Eine Sau ist nämlich ein Weibchen. Jakob Probst hat aber explizit ein männliches Tier geschaffen. Deshalb heisst das Kunstwerk korrekterweise «Eber». Das interessiert in Olten allerdings kein Schwein.
*Rebekka Salm (42) wohnt seit einigen Jahren in Olten, arbeitet in Zürich im Asyl- und Flüchtlingsbereich, ist Autorin und Mutter einer Tochter.
Die meiste Zeit meines Lebens verbrachte ich in einer lauten, lebendigen Grossstadt am Mittelmeer in der Türkei. Als ich nach Olten kam, fühlte es sich zuerst etwas speziell an in dieser so ruhigen Stadt mit wenig Verkehr. Aber jetzt lebe ich sehr gerne hier. Auch wegen dem Wetter: Ich mag es lieber kühl. Meine beiden erwachsenen Kinder leben in der Türkei. Meine Tochter ist Lehrerin und mein Sohn studiert in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin.
Aus verschiedenen Gründen verfolgen mich in letzter Zeit Fragen rund um die Altersvorsorge. Und dabei bin ich noch nicht einmal dreissig Jahre alt.
Da ist zum Beispiel der Finanzchef meines Arbeitgebers, der sich mit mir meinen Vorsorgeausweis der beruflichen Altersrente anschauen will – sollten Sie auch unbedingt einmal tun. Dann sind da noch zwei Anzugträger, die sich gerne um meine private Vorsorge kümmern möchten und mir jede Menge Zahlen um die Ohren hauen.
Gründe genug, mich mit der Thematik tiefer auseinanderzusetzen. Also habe ich mich durch Artikel, Dossiers und Studien gekämpft, bis mir der Kopf rauchte. Konklusion: Wir alle müssen uns zwingend und gründlich über die eigene Altersvorsorge informieren. Zum allgemeinen Verständnis erst ein Abriss über unsere Altersvorsorge. Wirklich nur kurz. Versprochen.
Das Schweizer Vorsorgesystem ist darauf ausgelegt, dass wir im Alter trotz Pension ein geruhsames und finanziell unabhängiges Leben leben können. Das System baut auf drei Säulen.
Die erste ist die AHV. Obligatorisch für alle deckt sie die Grundbedürfnisse im Alter. Die berufliche Vorsorge als zweite Säule soll den gewohnten Lebensstandard der Erwerbstätigen sichern. Zusammen entsprechen diese beiden Säulen aber gerade mal 60 % des Einkommens vor der Pension. Nun fehlt nur noch die freiwillige dritte Säule, die der individuellen Aufbesserung der Rente dient.
Nun klingt dies in der Theorie solide. Funktioniert jedoch nur, wenn man jahrzehntelang und hochprozentig arbeitet. Nur dann hat man gute Chancen auf eine hinreichende Rente aus erster und zweiter Säule. Wer einmal längere Zeit nicht arbeitet oder nicht arbeiten kann, hat im Alter das Nachsehen.
Und genau hier ziehen Frauen oft den Kürzeren. Es sind vor allem sie, die Teilzeitarbeit leisten. Es sind vor allem sie, die eine Auszeit für die Familie nehmen. Und es sind vor allem sie, die leider noch immer mit tieferen Löhnen zu kämpfen haben. Deshalb sind die Renten von Frauen rund ein Drittel niedriger als jene der Männer.
Neben diesen aufs Individuum bezogenen Faktoren beeinflussen noch andere Umstände die Altersvorsorge. Sie betreffen uns alle und davon können wir fast wöchentlich in den Medien lesen: Wir leben immer länger, der AHV-Topf hat zu wenig Geld und die monatlichen Renten der Pensionskasse werden laufend nach unten korrigiert. Zudem wächst aufgrund der volkswirtschaftlichen Situation das Kapital der Pensionskassen kaum.
Es müssen Lösungen her. Die Politik will die Hebel an verschiedenen Orten ansetzen. Lohn- und Steuerbeiträge sowie das Rentenalter erhöhen und Renten kürzen. Doch die Rentenreform wird im demokratischen Prozess ausgehandelt. Wie lange das dauert, steht in den Sternen. Wenn überhaupt.
So, nach diesem Exkurs konnte ich nun endlich den Schluss ziehen: Ja, wir brauchen eine dritte Säule, weil die staatliche Altersvorsorge unter Umständen nicht ausreichend ist.
Dies sagen mir auch die beiden adretten Männer, die da in meinem Wohnzimmer sitzen. Gekommen sind sie mit einem meiner Freunde, der mich vor Kurzem anrief, ob ich denn Interesse an einer Finanzberatung habe. War mir recht. Nun sitzen sie da in ihrem Anzug, ich in Trainerhose und Baseballcap. «Je früher Sie in die Altersvorsorge investieren, desto mehr profitieren Sie», sagen die zwei. Dies hat mit der Anlagedauer und den daraus resultierenden Zinseszinsen zu tun.
Zugegeben, im Angebotsdschungel der dritten Säule ist es schwierig, sich zurechtzufinden. Weil ich weder die Zeit noch die Musse habe, mich zur Hobbyfinanzexpertin weiterzubilden, bin ich froh um die Anzugträger. Sie machen mir einen Vorschlag, den ich ablehnen oder annehmen kann. In Trainerhosen und Baseballcap übernehme ich denn also Verantwortung für meine persönliche finanzielle Zukunft.
*Livia Stalder hat früher in Olten Ballett getanzt und ihr erstes Geld – äs Füfzger-Nötli – als Journalistin bei Kolt verdient. Heute tanzt sie in Zürich zu Techno, kommuniziert für eine NGO in Bern und schreibt Kolumnen für Kolt.
Ich führe eine Gartengestaltungsfirma und studiere Theologie. Immer wieder staune ich, wie viel ein Garten und die Glaubensprozesse eines Menschenlebens gemeinsam haben. Ein frisch gesäter Rasen braucht in der Anwachsphase viel Geduld, Wasser, Dünger, den richtigen Schnitt und dann eine langfristige Pflege. Bei uns Menschen ist es ähnlich: Lebens- und Glaubensprozesse brauchen Zeit, Begegnungen mit Gott, geistliche Nahrung, Sensibilität und menschliche Begleitung.
Alle zwei Wochen steht eine Gemüsekiste vor meiner Haustür. Je nach Saison finden sich darin Karotten, Krautstiele, Pastinaken oder Heidelbeeren – alles regional, alles bio. Ich liebe meine Gemüsekiste. Meine Tochter findet sie einen wiederkehrenden Gruss aus der Hölle (weil Gemüse halt). Unbestritten ist jedoch, dass der Inhalt der Kiste früher oder später Abfall produziert. Kerngehäuse von Äpfeln und Birnen, Rüstabfälle von Rüebli und Kohlrabi, schneckenzerfressene Salatblätter, keimende Kartoffeln.
Ich wohne seit Jahren in einem Mehrfamilienhaus ohne Garten und Kompost. Folglich werfe ich alle Grünabfälle in den Müll. Und habe dabei ein furchtbar schlechtes Gewissen. Zahlen zeigen aber, dass ich nicht die Einzige bin, die ihre Rüstabfälle auf diese Weise entsorgt:
2012 hat das Bundesamt für Umwelt die Mülltonnen der Schweizer Bevölkerung unter die Lupe genommen. Dabei stellte sich heraus, dass biogene Abfälle einen Drittel des gesamten Kehrichts ausmachen. Ich rechne nach: In Olten kostet ein 35-Liter-Abfallsack 1.90 Franken. Ein Drittel davon ist dreiundsechzig Rappen. Ich zahle also pro Jahr rund 33 Franken dafür, dass meine «Rüeblischinti» und «Öpfelbütschgi» allwöchentlich entsorgt werden. In den acht Jahren, in denen ich nun in Olten wohne, hätte ich über 260 Franken sparen können, gäbe es in meiner Umgebung einen Kompost. Was also tun? Diese Frage stelle ich René Wernli, Leiter des Werkhofs Olten.
«Natürlich kann man auch in einer Mietwohnung kompostieren», versichert mir Wernli. In Olten gäbe es beispielsweise die selbständig organisierten und von der Stadt unterstützten Kompostgruppen Hausmattrain, Höhenstrasse, Kleinholz, Mattenweg, Meierhof, Platanen, Theodor-Schweizer-Weg, Schärenmatte und Reiserstrasse.
Im letzten Jahr haben diese neun Gruppen zusammen 114 Tonnen Kompost produziert, also jede Menge nährstoffhaltigen Humus für Garten, Rabatten und Balkonpflanzen. Das finde ich sehr beeindruckend. Die Frage, die sich mir allerdings stellt, ist, was ich denn um Himmels willen mit diesem Humus anfangen soll?
Natürlich habe ich ein Töpfchen Basilikum vor dem Küchenfenster. Aber so rasch, wie der immer stirbt, kann ich gar keinen Humus darauf werfen. Dasselbe bei den balkontauglichen Kompostvarianten wie dem Bokashi-Eimer (Fermentation durch Effektive Mikroorganismen) oder der Wurmbox: Wohin mit der so produzierten Komposterde, wenn man keine oder kaum Zimmer- oder Balkonpflanzen besitzt? (Kommt hinzu, dass die auf Google wiederkehrende Frage «Warum flüchten Würmer aus der Kiste?» meine Lust auf einen Selbstversuch deutlich schmälert.)
«Eine weitere Möglichkeit, in einer Mietwohnung seine Obst- und Gemüsereste loszuwerden, sind die Grüngutcontainer», erklärt Wernli. Regelmässig werden diese geleert und die Grünabfälle nach Oensingen in den Kompogas-Fermenter gebracht. Der Begriff Grünabfälle wird hier deutlich grosszügiger ausgelegt als beim klassischen Kompost. Der Fermenter schluckt Gartenabfälle und Eierschalen genauso wie Haushaltpapier, übriggebliebene Spaghetti oder Kotelettknochen. Bei der zweiwöchigen Vergärung entsteht daraus methanhaltiges Biogas und Gärgut. Das Biogas wird zur Strom- und Wärmeproduktion genutzt, das flüssige und feste Gärgut in der Landwirtschaft als Dünger verwendet.
Zur Veranschaulichung: Im Jahr 2021 hat die Stadt Olten rund 1’742 Tonnen Bioabfälle nach Oensingen gekarrt. Daraus entstanden sind unter anderem Strom für 82 und Wärme für 24 Haushalte. Das, so dachte ich, sind Endprodukte, mit denen ich etwas anzufangen weiss, und war entschlossen, mir einen solchen Grüngutcontainer anzuschaffen. Einen Haken hat die Sache allerdings: Der kleinste Container umfasst 50 Liter.
So viel Krautstil und Jungspinat kann ich gar nicht verkochen, um auf die nötige Menge Bioabfälle zu kommen. Zumindest nicht, wenn ich verhindern will, dass meine Tochter ein Formular zur Adoptionsfreigabe ausfüllt. Alternative Lösung: Ich muss meine Verwaltung davon überzeugen, dass ein Grüngutcontainer für alle Wohnparteien im Mehrfamilienhaus eine gute Sache ist. «Nicht alle Verwaltungen unterstützen eine solche Anschaffung», gibt Wernli zu bedenken. «Gerade im Sommer können die Container unangenehm riechen.»
Zu guter Letzt bleibt noch die Möglichkeit, sein «Kompostkübeli» unter der Woche selbst in den Werkhof oder zur Firma Turuvani im Hasli zu tragen. Letztere hat auch am Samstag geöffnet. Beide Standorte sind einen mindestens 25-minütigen Fussweg von mir zu Hause entfernt. Das ist weit. Sehr weit sogar. Allerdings hat dies auch sein Gutes: Die Würmer, sollten sie denn tatsächlich aus dem Werkhof- oder Turuvani-Kompost fliehen, schaffen es niemals bis zu mir ins Quartier.
*Rebekka Salm (42) wohnt seit einigen Jahren in Olten, arbeitet in Zürich im Asyl- und Flüchtlingsbereich, ist Autorin und Mutter einer Tochter.
Und bereits sind die Olympischen Winterspiele in Peking wieder Geschichte. Sie mögen in vielerlei Hinsicht etwas speziellere Spiele gewesen sein. Lange standen vor allem das strenge Corona-Regime sowie die Menschenrechtslage (Unterdrückung der Uiguren) in der Volksrepublik im Vordergrund. Am Ende obsiegte der mächtige Sport, die Spiele fanden «normal» statt.
Wie sehr werden wir uns an die sportlichen Erfolge erinnern? Darauf haben wir noch keine Antwort. Zumindest war die Schweizer Delegation abermals überaus erfolgreich. Eines blieb ebenfalls unverändert: Die Norweger dominierten den Medaillenspiegel nach Belieben. Sie sahnten in fast allen Sportarten Medaillen ab. So resultierten am Schluss 37 Auszeichnungen, davon 16 goldene. Seit den Winterspielen 1992 in Albertville klassierte sich Norwegen nur einmal ausserhalb der Top 4 des Medaillenspiegels. Eine beeindruckende Serie für ein 5-Millionen-Menschen-Land.
Spät, aber er kam
Seit es um Weihnachten herum zum ersten Mal richtig geschneit hat in Trondheim, ist diese Dominanz für mich persönlich etwas verständlicher geworden. Trondheim ist die drittgrösste Stadt Norwegens und ich wohne zehn Velominuten vom Zentrum entfernt. Die Langlaufloipe wiederum ist gerade einmal hundert Meter von meiner WG entfernt. Diese erschliesst ein Loipennetz von ungefähr 60 bis 80 Kilometern Länge. Hinzu kommen nochmals rund 100 bis 150 Kilometer Langlaufloipe auf der anderen Stadtseite. Für Osloer wird dieses für Schweizer Verhältnisse immense Angebot an Loipen aber immer noch als «spärlich» bezeichnet. Und dass die Benützung sämtlicher Loipen in ganz Norwegen kostenfrei ist, wird als selbstverständlich angesehen.
Das Loipennetz um Trondheim ist nicht nur gross, es wird auch rege genutzt. Wenn ich an einem Mittwochnachmittag langlaufen gehe, muss ich mich nicht nur von Leistungssportlern überholen lassen (auch gegen Leistungssportlerinnen habe ich nicht den Hauch einer Chance …), sondern ich treffe auch auf Familien mit Klein- und Kleinstkindern, die gerade den Wald erkunden, sowie auf rüstige Senioren, bei denen man sich fast Sorgen machen muss, ob sie die Abfahrt auch heil überstehen.
Nebst Langlaufloipen sind auf dem ganzen Stadtgebiet Freilufteisflächen verteilt. Meist sind dies Flächen, die im Sommer als Parkplätze dienen. Bei genug kalten Temperaturen werden diese nicht gesalzen, wie sich dies Automobilistinnen wohl wünschen würden, sondern – im Gegenteil – gewässert. So kann sich ein Eisfeld bilden, das zum Eisskaten und Hockeyspielen einlädt. Auch hier gilt: Dass die Benutzung kostenlos ist, versteht sich von selbst.
Alles läuft
Sport scheint allgemein einen höheren Stellenwert zu haben als in der Schweiz. Schon im Sommer staunte ich nicht schlecht über grosse Laufgruppen bestehend aus Männern und Frauen mittleren Alters. Da rannten gerne mal rund vierzig zwischen 45 und 55 Jahren alte Sportbegeisterte knallharte Intervallsequenzen mit ansehnlicher Geschwindigkeit. In der Schweiz überhole ich Gruppen in Joggingschuhen normalerweise locker. Plump gesagt: In Norwegen gehen die Menschen nicht raus, um frische Luft zu schnappen, sondern vielmehr um zu schwitzen.
Schweissperlen braucht es viele, um der enormen Erwartungshaltung gerecht zu werden. Dass beim verkürzten 50-Kilometer-Langlaufrennen an Olympia nur eine Bronzemedaille herausschaute, war bereits eine leise Enttäuschung. Die regelmässigen Topplatzierungen in den Medaillenspiegeln werden beinahe als selbstverständlich angesehen. Verpatzte Medaillenchancen werden mehr diskutiert als Erfolge.
Wenn in vier Jahren wieder Norwegen am meisten Medaillen sammeln sollte, wird mich das nicht mehr verwundern. Ausgezeichnete Wintersportbedingungen, selbst in der Nähe der grossen Städte, und ein ausgeprägtes Bewusstsein für Sport sorgen dafür, dass kaum ein Talent unentdeckt bleibt. All diese Gegebenheiten erklären, warum Norwegen quasi zum Erfolg verdammt ist.
*Marius Kaiser (22) kommt aus Starrkirch-Wil und lebt seit vergangenem Sommer für ein Jahr in Norwegen, wo er Bauingenieurswesen studiert.
Vor zwei Jahren bin ich wegen der Liebe nach Olten gezogen – warum sollte man auch sonst nach Olten ziehen. Heute zügeln wir in eine etwas grössere Wohnung, deshalb bin ich hier auch gerade mit dem Staubsauger unterwegs.
Kürzlich war ich wieder mal in der Schweiz. In Bern, um genauer zu sein. Es ist eigenartig: Eigentlich kenne ich die Stadt nur aus den Liedern von «Züri West». Trotzdem hatte ich schnell das Gefühl, wieder zu Hause zu sein. Die grünen Altstadthäuser, die vielen Bankomaten, das Prix-Garantie-Thonsandwich. Alles schien mir so schön vertraut. Schweiz, ich habe Dich vermisst.
Nach ein paar Tagen war die Nostalgie allerdings wieder verflogen. An ihre Stelle trat eine gewisse Ratlosigkeit über die lieben Landsleute. Warum demonstrieren die jeden Donnerstag auf dem Bundesplatz gegen die «Corona-Diktatur»? Warum schauen die alle so grimmig drein? Und überhaupt: Was regen die sich eigentlich so auf, wenn der Nachbar das Altpapier ungebündelt an die Strasse stellt?
Wenn man lange genug im Ausland lebt, läuft man Gefahr, allmählich zu «entschweizern». Die Entwicklung kommt schleichend, aber man kann sich ihr kaum entziehen. Klar: Auch nach bald sechs Jahren in Belgien knurrt bei mir noch pünktlich um 18 Uhr der Magen. Und am Samstag wird das Klo geputzt.
Aber wenn ich aus der Schweiz wieder zurück nach Brüssel reise und den Schlüssel in das Schloss meiner Wohnung stecke, dann ist das jetzt ein Ankommen, Heimkehr. Die kaputten Rolltreppen in der Metro, der Hundedreck in den Strassen, das lärmige Gewusel der Grossstadt, der neu gewonnene Freundeskreis – das ist jetzt meine Lebenswirklichkeit.
Dazu gehört auch, dass ich als Ausländer, der ich ja jetzt bin, regelmässig auf meine Herkunft angesprochen werde. Ich muss dann mit ein paar Standardfragen rechnen, die über Schoggi, Käse, Alphorn hinausgehen. Eine, auf die ich in meinem beruflichen Alltag immer wieder treffe, lautet: «Ihr seid doch gar nicht in der EU – warum interessiert euch das alles überhaupt?» Ich antworte dann jeweils, dass uns das sehr wohl interessiert, weil wir eben gerade nicht dabei wären. Oder so. Eine leicht zugespitzte Version der Frage lautet: «Was ist genau euer Problem?»
Nicht einfach fiel mir auch die Antwort auf die Frage, die ich im Viertel Matongé gestellt bekam, wo viele afrikanischstämmige Menschen wohnen. Weshalb eigentlich jeder afrikanische Diktator seine Millionen in der Schweiz verstecke, fragte mich ein junger Herr mit ehrlichem Interesse. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Wahrscheinlich liegt es daran, dass es irgendwie «unschweizerisch» wäre, jemandem seine guten Dienste zu verwehren, wenn der mit einem Sack Geld vor der Türe steht? Ich meine: Wenn wir es nicht täten, täte es jemand anderes, und wenn schon, dann ist es doch besser, wenn wir es tun. Oder wie ist das?
Damit es keine Missverständnisse gibt: Ich mag unser Land. Ich würde sogar behaupten, dass ich ein guter Patriot wäre. Aber ein paar Dinge fallen einem erst richtig auf, wenn man mal eine Zeit lang weg ist.
*Remo Hess (35) lebt und arbeitet seit 2016 als Journalist in Brüssel.
Möglicherweise ist es gar nicht die Digitalisierung, die in den nächsten Jahrzehnten am disruptivsten auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einwirken wird. Es könnten nämlich nicht Kryptowährungen und intelligente Brillen sein, die unser Leben auf den Kopf stellen, sondern der demographische Wandel. Er bezeichnet die Tatsache, dass wir immer länger leben. Weil zudem weniger Kinder geboren werden, verändert sich das Verhältnis von jungen und alten Menschen.
Zahlreiche Bewohner der Mitte werden in den nächsten Jahrzehnten über 100 Jahre alt werden. Folglich wandert die politische und ökonomische Macht noch mehr zu den alten Menschen. Ein letzter Leuchtturm für die Mitte könnte es darum sein, sich früher als andere Regionen auf eine alternde Gesellschaft einzustellen und entsprechende Projekte medial geschickt zu inszenieren. Zugegeben, diese Idee steht im seltsamen Widerspruch zu jungen Influencern oder den Tatort-Kommissarinnen, die jedes Jahr jünger werden. Oder unterliege ich einer optischen Täuschung und werde einfach selbst immer älter, während alles einen normalen Verlauf nimmt?
Infrastruktur für alte Menschen
Innovation für die Gesellschaft der 100-Jährigen könnte für die Mitte bedeuten, ihre Laufwege, Kommunikationsformen und kulturellen Angebote zusammen mit älteren Menschen zu entwickeln. Sie haben andere Bedürfnisse als junge, was sich in ihren Erwartungen an Bahnhöfe, Supermärkte und soziale Medien spiegelt. Wichtig sind etwa grosse Schriften in der Signaletik oder Wege ohne Treppenstufen. Ältere Menschen bevorzugen weiter Verpackungen, die einfach zu öffnen und möglichst leicht sind. In Zügen könnte man über Abteile nachdenken, die speziell für reisende Rentner gestaltet sind. Auch beim Ladenmix, den Cafés und den kulturellen Angeboten der Innenstädte könnte man auf silbrige Co-Creation setzen. Damit ist nicht gemeint, dass es in der Oltner Hauptgasse nur noch Hörgeräte, Rollatoren und Brillen zu kaufen gibt. Ältere Menschen würden so eher diskriminiert als in ihrer Lust zur Entfaltung und zum Vergnügen unterstützt. Gefragt könnten Simulationen sein, in denen man in die 1960er Jahre zurückkehren kann, oder Cafés, die von 70- statt 20-Jährigen geführt werden.
Neue Wohnformen
Ein zweites Innovationsthema, das an den demographischen Wandel anschliesst, sind neue Wohnformen für ältere Menschen. Die Mitte könnte im Rahmen dieses Leuchtturms für Dulliken, Däniken und Schönenwerd Alters- und Pflegeheime der nächsten Generation erfinden. Alle Gemeinden eigenen sich als Standorte, sind sie doch von Luzern, Basel und Bern gut per ÖV erreichbar. Mit Wohngemeinschaften für Ältere könnte die Mitte ebenso auf sich aufmerksam machen wie mit architektonisch auffälligen Heimen, so sie ältere Menschen mit Studierenden zusammenführt.
Sie könnte mit Hotels zusammenarbeiten, die sich an silbrige Nomaden richten, die von Hotel zu Hotel ziehen, statt ständig an selben Ort zu leben. Oder die Mitte könnte Versuche mit Home-Treatment forcieren und an Wohnformen arbeiten, die es Menschen ermöglichen, ganz lange zu Hause zu bleiben. Das bedingte, an intelligenten Kameras, Toiletten und Fenster zu tüfteln, die rund um die Uhr das Wohl der Bewohnenden überprüfen. Genauso wichtig sind telemedizinische Apps, mit denen explizit ältere Menschen ihre Gesundheit überwachen, vermessen und die entsprechenden Daten an medizinisches Fachpersonal schicken können.
Neue Sterben, neues Erben
Am innovativsten wie provokativsten wäre eine Clusterbildung mit Start-ups für das zukünftige Sterben und Vererben. Dazu gehörten etwa Unternehmen, die an neuen Lösungen für das Begräbnis arbeiten. Vielleicht möchten mehr Menschen ihre Körper spenden, damit dieser im Sinne des Recyclings möglichst konsequent weiterverarbeitet wird. Weltraumbegeisterte möchten allenfalls nach ihrem Tod in einem Mini-Satelliten um die Erde kreisen. Ebenso viel Innovationspotenzial gibt es beim Vererben in einer digitalen Gesellschaft. Lenzburgerinnen könnten sich wünschen, ihre digitalen Überreste dem Stapferhaus zu vermachen. Das preisgekrönte Museum könnte das digitale Erbe dann für das Design von Zeitreisen aus dem Jahre 2050 in unsere Epoche verarbeiten. Genauso könnten sich Menschen dafür entscheiden, ihre digitalen Überreste einer künstlichen Intelligenz zu vererben, die aus all ihren Gedanken, Fotos und E-Mails lernen kann. Wieder andere möchten am liebsten ganz verschwinden und einen online tätigen Roboter beauftragen, alle ihre digitalen Spuren so konsequent wie möglich zu löschen.
Die Mitte – was meine ich damit? Meine ganz persönliche Mitte liegt in der Nähe meiner beiden schwarzen Katzen, meines Schlaf- und Schreibzimmers – und die befinden sich in Dulliken. Zu dieser Mitte gehört auch der Bahnhof Olten, der mich vom elften Gleis nach Bern, vom siebten nach Zürich, vom zwölften nach Luzern und vom zehnten nach Basel führt. Diese Mitte liegt in Zwischenräumen. Es ist ein Viereck mit den Ecken «Lenzburg», «Liestal», «Sursee» und dem Moment, wo ich auf der Neubahnstrecke Richtung Bern in den ersten Tunnel eintauche.
Wenn man so an die gängigen Klischees von Norwegern und Schweizerinnen denkt, merkt man: Die sind ja gar nicht so unterschiedlich! Zurückhaltend zu Beginn, aber nach einer Weile sich dem Gegenüber öffnend, sodass man durchaus eine gute Zeit zusammen verbringen kann. Ein Attribut der Norweger, von welchem wir uns – wie ich finde – eine Scheibe abschneiden könnten, ist ihre Gelassenheit und Geduld.
Seit August lebe ich im Rahmen meines Austauschjahres in Trondheim, Norwegen. Ja, ich wusste, worauf ich mich einlasse. Die Wintertage sind tatsächlich so kurz und das Wetter tatsächlich so schlecht, wie wir uns dies vorstellen. Dafür werde ich mit atemberaubender Natur und – eben – gelassenen, geduldigen Mitmenschen entschädigt.
Schon in der Schweiz war ich ein mehr oder weniger ambitionierter Orientierungsläufer. Deshalb war es naheliegend, dass ich mich, sobald angekommen, dem örtlichen OL-Klub anschloss. Trondheims Universität NTNU hat gar einen eigenen OL-Verein nur für Studenten. In einem der ersten Trainings, an denen ich teilnahm, wurde mir dann sogleich mitgeteilt, dass in zwei Wochen die norwegischen OL-Meisterschaften stattfänden. Ob ich nicht mitkommen wolle. Das werde bestimmt lustig. In Erwartung eines in der Schweiz typischen OL-Wochenendes mit je einem Wettkampf am Samstag und am Sonntag sagte ich kurzerhand zu.
P-o-r-s-g-r-u …
Als ich mich also noch am Abend dafür anmeldete, wurde ich zum ersten Mal überrascht. Das Wettkampfwochenende bestand nicht nur aus zwei Wettkämpfen, sondern umfasste zwischen Donnerstag und Sonntag gleich alle Walddisziplinen: Langdistanz, Mitteldistanz-Qualifikation und -Final und zum Abschluss die Staffel. Das wird anstrengend, aber aufregend, dachte ich mir in bemühter norwegischer Leichtigkeit. Und den verpassten Unterrichtsstoff werde ich schon irgendwie nachholen.
Die nächste Überraschung bot sich mir, als ich den Austragungsort googelte. Porsgrunn liegt etwas südlich von Oslo. Ich würde also das halbe Land durchqueren müssen. Gewöhnt an die Annehmlichkeiten der kleinräumigen Schweiz, musste ich mir eingestehen, dass die Anreise wohl etwas anspruchsvoller werden würde, als wenn ich am Bahnhof Olten einfach in den nächstbesten Zug steige.
Schliesslich vermittelte mir jemand eine Mitfahrgelegenheit in einem Auto. Als mich die freundliche Fahrerin am vereinbarten Treffpunkt abholte, fragte ich sie, wie man sich mental auf eine neuneinhalbstündige Autofahrt vorbereitet. «Wieso mental vorbereiten?», war ihre Antwort. «Wir fahren doch nur rund neun Stunden.» Überrumpelt ob der Selbstverständlichkeit, wie sie dies sagte, erklärte ich ihr, dass ich noch nie auch nur annähernd so lange in einem Auto gesessen sei. «Velkommen til Norge!» und ein verschmitztes Lächeln war alles, was sie mir erwiderte.
Das neue Nationalgericht für zwischendurch
Was mir nach der Abfahrt als Erstes auffiel, war der Fahrstil. Während in der Schweiz der Grossteil der Automobilisten gerne mal fünf Stundenkilometer auf die Höchstgeschwindigkeit drauflegt (ich persönlich zumindest handhabe das so …), werden hier eher fünf Stundenkilometer abgezogen. Kein Wunder also, dauert das alles so lange, dachte ich mir, als wir mit durchschnittlich 75 km/h durch die norwegische Pampa tuckerten.
Es verging nur wenig Zeit, da standen wir zum ersten Mal still. Als sich die Autokolonne auch nach einer halben Stunde nicht weiterbewegte, war selbst die Geduld der einheimischen Chauffeurin erschöpft. Sie entschied sich, umzukehren und die Stelle grossräumig zu umfahren. Aber das sei ja nicht so schlimm, die Fahrt dauere nur etwa eine Stunde länger. Langsam an die Gemächlichkeit der Reise gewöhnt, konnte ich die wunderschöne Fjelllandschaft geniessen und dachte nicht mehr bloss daran, wie wir wohl etwas schneller am Ziel ankommen könnten. Als sich später herausstellte, dass die Strasse nur zehn Minuten nach unserem Wendemanöver wieder geöffnet worden war, nervte ich mich auch nicht darüber.
Nach rund sechs Stunden machten wir eine Pause und assen etwas. Es gab das norwegische Nationalgericht des 21. Jahrhunderts: qualitativ minderwertige Pizza mit viel Cocktailsauce obendrauf, damit man sie auch runterbekommt. Gestärkt setzten wir unsere Reise fort, um letztlich gegen 23 Uhr in Porsgrunn anzukommen. Zwei Stunden später als geplant.
Wie also geht man am besten eine elfstündige Reise an? Ganz einfach: Lass dich nicht stressen und sei geduldig. Der Weg ist das Ziel!
*Marius Kaiser (22) kommt aus Starrkirch-Wil und lebt seit diesem Sommer für ein Jahr in Norwegen, wo er Bauingenieurswesen studiert.
Anders als Basel, Genf oder Zürich hat die Mitte heute keine «Innovationscluster», die in den nächsten Jahrzehnten selbstverständlich zu immer neuen Leuchttürmen führen würden. Gesucht sind deshalb Ideen, die wirklich neu sind und sich ohne bestehende IT-, Talent- und Finanzierungsinfrastruktur realisieren lassen. Als Gastgeberin könnte die Mitte künftig ihre geographische Lage besser ausspielen und in ihren Hotels, Co-Working-Büros, leerstehenden SBB-Lagern und Parks zukunftsgerichtete Denk-, Vernetzungs- und Programmierungsarbeit ermöglichen. Die Pandemiemonate zeigten, dass wir uns auch in einer digitalisierten Arbeitswelt nach analogen Denkräumen sehnen, wo wir auf spannende Köpfe und Gedanken treffen. Im zweiten Leuchtturm, der hier für die Mitte vorgeschlagen wird, kommen in den thematisch aufgeladenen Räumen der Mitte Menschen aus der ganzen Schweiz zusammen, um am Thema der Interoperabilität zu arbeiten.
Netzwerke miteinander verbinden
Warum aber sind solche Netzwerk-Brücken für unsere Zukunft überhaupt wichtig? Seit vielen Jahren hiess die Zukunft zu gestalten, Netzwerken zu bauen. Sie umspannen nun den gesamten Planeten und sind kaum noch aus unserem Alltag wegzudenken. Die Eisenbahnen, die Autobahnen, die Briefträgerinnen und natürlich alle unsere Plattformen im Digitalen – vom E-Banking bis zu den sozialen Medien. Viele dieser Netzwerke setzen auf Abgeschlossenheit. Wer nicht zahlt (Netflix) oder die persönlichen Daten nicht zur Verfügung stellt (Facebook), erhält keinen Zugang. Doch genau diese Abgeschlossenheit wird nun zum Problem. Erstens möchten wir digital umziehen können, wenn eine Plattform böse wird oder einem Datenskandal zum Opfer fällt. Wir möchten unsere Kontakte, Bilder und sogar Erinnerungen zu einem anderen Anbieter wechseln. Und zweitens scheint erst die Vernetzung der Netzwerke es zu ermöglichen, deren ökologischen und ökonomischen Potenziale für die Gesellschaft nutzbar zu machen.
Logistik
Ein für die Umwelt zentraler Anwendungsfall ist die Interoperabilität der Logistik. Konkret geht es um die Frage, wie wir als Gesellschaft die von Flugzeugen, Autos, Lastwagen und Velokurieren absolvierten Fahrten besser auslasten können. Hintergrund bilden die vielen Leerfahrten. Ein Lastwagen fährt vollgepackt von A nach B, aber ohne Last zurück. Im Kleinen zeigt sich das Problem, wenn wir für den Wochenendeinkauf mit leerem Auto zum Sälipark fahren. Im Grossen fahren je nach Expertin 20 bis 40 Prozent der Lastwagen leer herum. Interoperabilität verlangt, dass die Logistikanbieter kooperieren, um die Lastwagen zu füllen. Die Verbindung von Kapazitäten führt heute zwingend über ein IT-System. Für die Mitte könnte das bedeuten, an der Fachhochschule Nordwestschweiz ein entsprechendes Institut zu gründen. Oder die Mitte wird gar zu einem Umschlagplatz werden, um leere Container und Kofferräume zu füllen. Wir alle könnten unsere freien Sitzplätze und Kofferräume anderen zur Verfügung stellen.
Banken
Ein zweiter Bereich, wo wir mehr Brücken zwischen unseren Netzwerken möchten, ist unser Geld. Bis heute fehlt es auf dem Smartphone an einer Lösung, um alle unsere Bankkonten auf einer einzigen Plattform zusammenzuziehen. Immer mehr Bürgerinnen der Mitte haben nicht nur eine Bankbeziehung. Dazu kommen vermehrt Konten bei Kryptowährungsbörsen, um mit Bitcoins und Co. zu handeln. Bei dieser Vielfalt an Finanzanbietern geht der Überblick über unsere Ersparnisse und Finanzrisiken verloren. Dasselbe gilt für unsere Vorsorge. Wir haben kaum eine Ahnung, was wir auf unseren zweiten und dritten Säulen gespart haben und mit welchen Renten wir rechnen können, wenn wir einmal nicht mehr arbeiten. Für die Mitte hiesse der Bau einer Metabank in ihren Laboren, Fachhochschulen und Think-Tanks, eine Art digitaler Staubsauger zu errichten, der die Daten auf unseren unterschiedlichsten Konten zusammenzieht. Mit der Alternativen Bank gibt es in Olten bereits ein Institut mit viel Finanzwissen.
Die Mitte – was meine ich damit? Meine ganz persönliche Mitte liegt in der Nähe meiner beiden schwarzen Katzen, meines Schlaf- und Schreibzimmers – und die befinden sich in Dulliken. Zu dieser Mitte gehört auch der Bahnhof Olten, der mich vom elften Gleis nach Bern, vom siebten nach Zürich, vom zwölften nach Luzern und vom zehnten nach Basel führt. Diese Mitte liegt in Zwischenräumen. Es ist ein Viereck mit den Ecken «Lenzburg», «Liestal», «Sursee» und dem Moment, wo ich auf der Neubahnstrecke Richtung Bern in den ersten Tunnel eintauche.
Ausflugstipp für die Herbstferien gefällig? Lust auf mediterrane Stimmung? Unsere Kollegen vom Oltner Tagblatt wissen, wo sie zu finden ist. Nämlich in unmittelbarer Nachbarschaft. Die Reise muss nicht in die Toskana gehen, auch das Niederamt hat lauschige Plätzchen.
Dennoch: Auch wenn nun gerade dieses Bild es nicht erahnen lässt, ist es doch so, dass das Mediterrane näher zu uns rückt. Neulich las ich, die Schweizer Bevölkerung entwickle zunehmend einen mediterranen Charakter, sie sei weniger verschlossen. Das mediterrane Lebensbedürfnis geht womöglich mit dem Klimawandel einher. Schon 2017 schrieb die NZZ: «Die Sommer in der Schweiz werden mediterraner.» Und 20 Minuten schrieb im gleichen Jahr, der mediterrane Lebensstil bringe die Städte an ihre Grenzen. Weil alle wollen raus.
Flanieren ist das Gebot der Stunde
Auch in Olten ist die Mediterranisierung – das Wort gibt’s tatsächlich – in vollem Gang. Daran hat auch das Regenjahr 2021 nichts geändert. Stadt im Fluss und am Fluss. Das Regierungsprogramm des Oltner Stadtrats spricht für sich. Wenn im Sommer das Barometer die 25-Grad-Marke übersteigt, wird die Aare zum Schauplatz einer Parade. Wie Stecknadelnköpfe ziehen die Menschen im Wasser flussabwärts.
Olten will an die Aare. Will noch mehr Piazze, noch mehr Grünraum. Corona hat dieses Bedürfnis zusätzlich gestärkt, schreibt der Stadtrat in seinem Regierungsprogramm. Er geht mit der Zeit, mit einer Mehrheit der Volksvertreterinnen im Parlament. Auch im räumlichen Leitbild ist der mediterrane Kurs vorgegeben. Den Munzingerplatz wollen die Parlamentarier von den Autoparkplätzen befreien. Einen Teil der Schützi zum Park machen. Den Ländiweg zur Strandpromenade. Olten am Mittelmeer.
Aber ganz so lau wird die Mittelmeerbrise nicht sein, die dem Stadtrat auf den neu geschaffenen Oltner Piazzen entgegenweht. Mit den beiden neu gewählten Nils Loeffel und Raphael Schär rückte er nochmals nach links – Benvenuto Savoldelli ist als einziger Bürgerlicher geblieben. Im Parlament aber bleibt eine Pattsituation bestehen. Die Ratsmitte und -rechte machten gleich in der ersten Sachsitzung klar, dass sie die Rolle der Opposition gerne einnimmt. Nachdem der neue Stadtpräsident Thomas Marbet den Umfang des Regierungsprogramms im Vergleich zu den zwei vorherigen hervorstrich, um dann gleich selbst zu entgegnen, dass die Quantität nicht massgebend sei – aber eben, 20 Seiten – kamen die ersten harschen Töne.
«Das Regierungsprogramm ist aus unserer Sicht sehr einseitig, es hat gewisse Ansätze eines Parteiprogramms», sagte Marc Winistörfer (SVP). Für ihn war ebenso wie für die FDP klar, dass die wirtschaftlichen Aspekte im Programm zu kurz kämen. «Olten hat mehr Arbeitsplätze als Einwohner, ein Phänomen das nicht so häufig vorkommt in der Schweiz. Arbeitsplätze als Teil der Wohnqualität unserer Stadt, sind zu wenig gewichtet», sagte Nico Zila (FDP). Darauf entgegnete Daniel Kissling (Olten jetzt!): «Wer glaubt, dass die Wirtschaft für sich selbst wirtschaftet, hat nicht viel von unserer Gesellschaft verstanden. Eine attraktive Stadt bringt Arbeitsplätze, führt zu Konsum, zu neuen Ideen und neuen Investitionen.»
Nach Logik der Linken heisst dies: Das mediterrane Olten wird die Wirtschaft ankurbeln. Die bessere Lebensqualität wird Menschen anziehen und die Steuereinnahmen stärken. Bloss linke Träumereien? «Als wir träumten» ist im Regierungsprogramm des Stadtrats Programm, angelehnt an die Leuchtschrift, die im Rahmen der Kunstausstellung entlang der Aare an der Alten Holzbrücke hing. Der Stadtrat habe sich sehr viel vorgenommen, empfand Thomas Kellerhals (CVP). «Wir hoffen nicht, dass es nur Träumereien sind.»
Die harte Realität
Der mediterrane Lebenswandel hat seinen Preis, wie die im Bau stehende Aarepromenade am Ländiweg veranschaulicht. Im Juni letzten Jahres hatte sich im Parlament gezeigt, zu welchem Grad die Legislative doch auch die Macht hat, etwas zu bewirken. Eine linke Mehrheit bestehend aus SP / Junge SP, Grüne und Olten jetzt! fand, die Stadt solle den Ländiweg gleich im Zuge der Strassenarbeiten des Kantons attraktiveren. Es war ein so unschweizerischer (man könnte sagen mit südländischem Temperament) gefällter Entscheid. Ohne ein ausgearbeitetes Projekt als Grundlage zu haben, sprach das Parlament drei Millionen Franken, die sich bloss auf eine Schätzung stützten. Denn das Projekt war zunächst für 2026 anberaumt gewesen. Ein Jahr nach der Kreditvergabe haben die Bauarbeiten nun, – oh Wunder – zu Tage gebracht, dass zusätzliche Kosten anfallen.
Salamitaktik!
Das Parlament musste im September über den Nachtragskredit von knapp 900’000 Franken befinden. Das Projekt erreicht somit nahezu die 4-Millionen-Marke, die eine Volksabstimmung bedingt hätte. Gefundenes Fressen für die Bürgerlichen, die Linke zu bezichtigen, dem Vetorecht des Volkes bewusst ausgewichen zu sein. Denny Sonderegger (FDP) brachte die Salamitaktik wieder auf den Tisch: Die Kredite würden in Scheiben zerstückelt, um den Urnengang zu umgehen.
Damit der Metaphern nicht genug. «Jetzt haben wir den Salat. Und zwar ein bunt gemischter. Mit ein wenig Gurken von den Grünen, Tomaten der Linken, Spitzkohl von Olten jetzt! und einer Prise Salz der Baukommission», benannte Sonderegger die Schuldigen fürs Ländiweg-Schlamassel. Heinz Eng (FDP) appellierte an das «Gewissen der politischen Verantwortung» und mahnte, dass Kostensteigerungen wie diese in der Privatwirtschaft harte Konsequenzen hätten. Auch Christian Ginsig (GLP) warnte, die Steuerlast solle nicht unnötig erhöht werden. «Ohne Not, nur wegen Ungeduld hat das Parlament potenzielle Fördergelder von über einer Million Franken verspielt», sagte Thomas Fürst (FDP) und meinte damit mögliche Unterstützungsgelder aus dem Agglomerationstopf.
Daniel Kissling sah stellvertretend für die Linke kein Politversagen vorliegen, wie dies die Bürgerlichen heraufbeschwören täten. Die Debatte widerspiegele vielmehr die Mentalität in der Kleinstadt, fand er. «Olten ist unglaublich gut darin, Sachen nicht fertig zu machen», habe ihm ein Bekannter einmal gesagt. «Ich wünsche mir, dass wir dies künftig anders machen.» Die grosse Mehrheit im Parlament sah im Fall vom Ländiweg von einer Blockade ab und gab den Nachtragskredit frei.
Während der Ländiweg noch im Bau ist, macht das Parlament bereits Druck, ein nächstes städtebauliches Projekt umzusetzen. Der Munzingerplatz soll nicht mehr einfach ein Parkplatz sein, sondern eine Piazza für die Menschen der Stadt. Die Forderung ist nicht neu: 2011 hatte das Stimmvolk eine Vorlage abgelehnt, in der die Parkplätze über ein unterirdisches Parkhaus kompensiert worden wären. Die Plätze will der Stadtrat auch diesmal kompensieren. Wo, liess er aber noch offen. Für die Bürgerlichen Grund genug, dem Vorstoss zu misstrauen und ihn als «gewerbefeindlich» zu taxieren, wie es Philipp Ruf (SVP) ausdrückte. Und Simone Sager stellte für die FDP klar, der Munzingerplatz stünde für sie nur zur Debatte, wenn ein unterirdisches Parkhaus wieder aufgewärmt werde. «Erst sollten wir die Kirchgasse nutzen, bevor der nächste Platz beansprucht wird». Allein: Mit dieser Haltung sind die Bürgerlichen im Parlament derzeit in der Minderheit. Erst recht, wenn die Mitte sich der Linken anschliesst.
An Ideen mangelts nicht
Nach der ersten Parlamentssitzung zeichnet sich ab, dass die drei progressiv-linken Parteien im Parlament den Ton angeben – und die konservativ-bürgerlichen zusehends in die Opposition gedrängt werden, obwohl die FDP die stärkste Kraft ist. Die gute Nachricht: Die ausgemachten zwei Blöcke scheinen weniger starr als in der letzten Legislatur. Die Debattenkultur war in der ersten Sitzung überaus lebendig – von rechts bis links sind neue starke Redner und Sprecherinnen im Parlament vertreten. Der junge, linksdominierte Stadtrat wird mit den beiden gemässigten SP-Vertretern in der Balance bleiben. Trotzdem: Mit Referenden wird auch in der neuen Legislatur zu rechnen sein. Ob das Stimmvolk dann die Meinung der Exekutive und Legislative stützt, wird sich weisen.
Dem neuen Parlament geht die Arbeit nicht aus. Die Traktandenliste verkommt zur Makulatur: 27 Vorstösse waren im September drauf. Von vornherein war illusorisch, dass alle behandelt werden können. Die FDP kündigte an, «kreative Mitglieder der FDP-Fraktion» würden mit Gleichgesinnten aus anderen Parteien Ideen aushecken, wie der Vorstossflut begegnet werden könne.
Blick in den Rückspiegel: Wohnliches Olten anno 1976
Heute hätten wir gern einen guten Ladenmix in der Stadt, obwohl viele Menschen nicht mehr in der Stadt einkaufen. Ein Paradox. Wir sehnen uns nach Leben, nach Begegnung in der Stadt. Die einen glauben, die Parkplätze würden dem Gewerbe die Existenz sichern. Die andern glauben, grüne Plätze und Alleen brächten Menschen und kurbelten den Konsum an. Das war schon damals nicht anders, als das Schweizer Fernsehen 1976 nach Olten kam und die Menschen fragte, wohin Olten sich entwickeln soll. Eine autofreie Altstadt, mehr Parkplätze wünschten sich die Passanten damals. Was unter einer lebendigen Stadt zu verstehen ist, war dazumal anders definiert. Die Sprecherstimme sagt: «Das Leben in den Gassen und Häusern aber hat sich verändert, im Lauf der Jahre. Restaurants wurden geschlossen, immer mehr Wohnungen werden zu Geschäftsraum umgewandelt. Dagegen wehrt sich die Gruppe Wohnliches Olten. Sie möchte verhindern, dass die Altstadt noch mehr zum Einkaufszentrum wird.»
Und zum Schluss noch dies …
Bald noch mehr Kakaoregen in der Stadt Olten? Eine defekte Lüftung sorgte vor einem Jahr weltweit für Schlagzeilen. Nun baut Lindt & Sprüngli den Standort in der Oltner Industrie neben den Bahngeleisen nochmals kräftig aus und investiert bis 2024 rund 74 Millionen Franken in seine Produktionsstätten. Hier deckt das Unternehmen seinen Bedarf an Kakaomasse für Europa. Die Kapazität wird verdoppelt, wie die Konzernleitung mitteilte. Ob somit auch der Kakaoduft, der die Stadt bei Nordwindlage und Nebel einhüllt, bald doppelt so intensiv wird?
Ostanatolien, das ist so etwas wie der Wilde Osten der Türkei. Fast 2000 Kilometer von der belebten Mittelmeerküste und der Metropole Istanbul entfernt, ist es die bevölkerungsärmste und wirtschaftlich schwächste Region des Landes.
Die politische Lage und Geschichte dieser Gegend stehen in seltsamem Gegensatz zu ihrer Geografie: Karg und schroff trotzen baumlose Hügel und steppenartige, unendlich scheinende Flächen den unwirtlichen klimatischen Bedingungen. Die Sommer sind heiss und trocken, die Winter bitterkalt und schneereich, der Wind ganzjährlich bissig in Ostanatolien. Ausser spärlichem Gras wächst hier so gut wie nichts, und Böen verzerren und verschleppen die Gebetsrufe der Muezzins von den Minaretten hinaus in endlose Weiten.
Kein Ort, an dem man sich niederlassen will, könnte man meinen. Keiner, um den es sich zu kämpfen lohnt.
Doch die Geschichte zeigt ein anderes Bild: Ostanatolien war und ist ein Schauplatz politischer Unruhen. Die Region war bis ins 19. Jahrhundert zu einem grossen Teil von Armenier*innen, aber auch von kurdischen und türkischen Menschen bevölkert und lange Zeit Teil des osmanischen Reiches. Mit dessen graduellem Zerfall beging die osmanische Regierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts das, was in Armenien als «Aghet» (armenisch: Katastrophe) bezeichnet wird und was in die Geschichte eingegangen ist als Völkermord an den Armenier*innen. Seit 1923 ist die Region offiziell Teil des in dieser Zeit gegründeten Nationalstaats Türkei. Armenier*innen leben heute kaum mehr hier, und der Streit um die Anerkennung der Geschehnisse als Völkermord belastet die Beziehung zwischen den beiden Staaten bis heute. Die türkisch-armenische Grenze jenseits des Bergs Ararat bleibt dauerhaft geschlossen.
Ruhe ist trotzdem nicht eingekehrt in den schroffen Hochebenen. Die Region ist heute mehrheitlich von Kurd*innen bewohnt, von denen manche die Gegend als Teil eines unabhängigen Kurdistans sehen möchten. Doch auch die kurdische Bevölkerung bekommt von der türkischen Regierung nicht, was sie will. Das führt zu immer wieder aufflammenden Konflikten, Armeepräsenz, Checkpoints an den Strassen. Hinzu kommt schliesslich die Grenznähe zu den Konfliktherden Irak und Syrien. Auch die bringt, zumindest im Süden, eher mehr Panzer als Stabilität mit sich.
Kurz: Es ist offensichtlich ein Ort, um den es sich zu kämpfen lohnt.
Über all dem thront seit Jahrtausenden ein einzelner Berg, majestätisch und scheinbar gleichmütig ob der vielen Konflikte: der ruhende Vulkan Ararat. Über 5000 Meter hoch, ragt er kegelförmig aus kargen Hügeln empor, der Gipfel abgeflacht und ganzjährig schneebedeckt – im Spätsommer ein weisses Leuchten inmitten brauner Steppe. Man kann und will ihn nicht übersehen.
Kühe, die nichts von ihrer Aussicht wissen
Am Fusse des Ararats, dort, wo er in seiner ganzen Pracht erscheint, steht die Eydin Süt Farm. Eine Ansammlung schmuckloser Gebäude und moderner Landmaschinen im östlichsten Zipfel der Türkei. In der Nähe liegt die Kleinstadt Doğubeyazıt, sowohl von der armenischen als auch von der iranischen Grenze nur einige Dutzend Kilometer entfernt. Nur ein klein wenig weiter östlich treibt die türkische Regierung gerade den Bau einer Grenzmauer voran, um weitere Fluchtbewegungen aus Afghanistan abzuhalten. Und hier, auf der Eydin Süt Farm, tummeln sich 300 österreichische Milchkühe der Rasse Holstein, liefern im Schnitt täglich 25 Liter Milch und bekommen von all den Wirren nichts mit.
Ja, die österreichischen Kühe bekommen im Allgemeinen sehr wenig mit von der Region, in der sie sich befinden. Nicht einmal von den Dingen, über die Kühe normalerweise Bescheid wissen, wie etwa Wiesen, nachbarschaftliche Kühe oder Wasserquellen. Denn die Eydin Süt Farm ist, um die Tiere vor Krankheiten zu schützen, mit soliden Mauern umgrenzt. Wer durch das eiserne Eingangstor der Farm fährt, muss die Autoräder in einem eigens angefertigten Becken desinfizieren. Und die Kühe wiederum sind hinter stabilen Gattern eingepfercht. Prächtig sehen sie aus, wie sie da in Laufställen liegen, stehen und wiederkäuen, mit ihren prallen Eutern, den braun-weissen Zeichnungen auf dem Fell, der kräftigen Statur.
Wie um Himmels Willen sind sie hier gelandet?
«Mit dem Lastwagen!», sagt Yasin Biçer, Manager der Eydin Süt, in seinem Büro auf der Farm. Auf dem Schreibtisch ist sein Name kunstvoll in eine Holzplakette eingraviert. Ansonsten ist der Raum so schnörkellos wie der Rest des Betriebs: weisses Licht, schlichte Stühle, helle Bodenplatten und in der Ecke ein Flipchart. «Grosse Viehtransporter haben insgesamt 300 Kühe aus Österreich hierhergebracht. 30 Stück pro Fahrzeug, und die Fahrt dauerte mehrere Tage», erklärt der Tierarzt, der 2014 aus seiner Heimat in der Nähe von Ankara in den fernen Osten gezogen ist, um sich fortan um die Farm und ihre Milchkühe zu kümmern. Die Stelle als Manager der Eydin Süt hat er angetreten, weil ihn die hochwertigen Standards der Farm bezüglich Hygiene, Infrastruktur und (natürlich) der Rasse der Kühe überzeugten. «Der Betrieb ist nach europäischen Standards zertifiziert und ist offiziell disease-free», so Yasin, der früher in einem Schlachtbetrieb der grössten türkischen Lebensmittelkette tätig gewesen war. So romantisch das auch wäre, aber eine emotionale Bindung zu den Tieren ist es nicht, die ihn in den wilden Osten gelockt hat. Trotzdem nahm er es den Vorzügen der Eydin Süt wegen auf sich, mit seiner Familie eine zweitägige Autofahrt entfernt wegzuziehen. In eine Region, die die meisten Menschen aus dem türkischen Westen nur aus Filmen kennen.
Kühe als Investition in die Heimat
«Vor allem in den ersten drei Jahren habe ich sehr viel gearbeitet. Zu Beginn war die Farm ein Chaos», erinnert er sich. Yasins Rolle ist dabei im wahrsten Sinne des Wortes die eines Managers, und nicht etwa die eines Bauern. Mit den Kühen hat er sehr viel weniger zu tun als mit der Leitung der Mitarbeitenden. Er führt täglich unzählige Telefonate, knüpft neue Geschäftskontakte oder begleicht Rechnungen.
Nun ist Yasin zwar der Manager der Eydin Süt, und er war es auch, der die edlen Holstein-Tiere in Österreich erstanden hat – einige davon auf einer Auktion ersteigert, wie er stolz erzählt – Besitzer und Gründer ist er aber nicht.
Die Idee, auf einigen Hektaren dürren ostanatolischen Bodens eine industrielle Milchproduktion mit Hochleistungskühen zu etablieren, kam von jemand anderem. Das Kapital dazu auch.
Yasin erklärt: «Mein Boss hat viel Geld, und ihre Familie denkt anders als die meisten hier. Es sind progressive Menschen, die sich Gedanken machen zur Entwicklung dieser Region.» Sein Boss, das ist Banu Konyar, und diese Region ist ihre Heimat. Heute lebt Konyar in Istanbul, wo sie an der Universität als Professorin für Kunstgeschichte lehrt. 2014 beschloss sie, die Eydin Süt Farm zu gründen und damit die Wirtschaft in ihrer Herkunftsregion anzukurbeln.
Warum wählt eine Professorin für Kunstgeschichte gerade Milchkühe?
Die Idee mit der Farm sei aus dem Gedanken entstanden, den Status der Region als historisches Viehzuchtzentrum wiederzubeleben. «In Ostanatolien gibt es die ersten Spuren von Tierhaltung in der Menschheitsgeschichte», sagt Yasin.
Und wenn schon, dann richtig, muss sich Frau Konyar gedacht und Yasin als Experten nach Österreich entsandt haben. Von der prähistorischen Viehhaltung zu den Holstein-Kühen am Ararat – da haben wir’s. Das ist die Geschichte der Eydin Süt.
Yasin rückt den ledernen Sessel zurecht, von dem aus er das Geschehen auf der Farm per Kameraübertragung auf einem Bildschirm verfolgen kann, und nippt an seinem Schwarztee. Er leckt den winzigen Löffel ab, mit dem er zwei Würfel Zucker im Tee aufgelöst hat, und erzählt weiter.
Heute ist die Eydin Süt die grösste Farm in der ganzen Osttürkei, und die einzige, die mit europäisch-standardisierten Zertifikaten ausgestattet ist. Ein Blick über die stacheldrahtgesäumten Mauern der Farm lässt erahnen, dass die Konkurrenz nicht allzu gross ist: Einige Hirten treiben dort im Abendlicht ihre Kuh-, Schaf- und Ziegenherden gemächlich über spärlich bewachsene Ebenen. Viele Kilometer legen sie so täglich zurück. Land hat es genug hier, nur die saftigen Wiesen fehlen, die die Rinder fett machen würden. «Nur mit unseren Zertifikaten dürfen wir Milch in den Einzelhandel bringen», erklärt Yasin, «ohne disease-free-Garantie darf man nicht legal an Supermärkte verkaufen.»
Kühe, die Arbeitsplätze schaffen
Elf Vollzeit-Mitarbeitende beschäftigt die Farm, um täglich drei Tonnen Frischmilch und seit kurzem auch Joghurt zu produzieren. Alle Angestellten kommen aus der Umgebung, manche aus der direkten Nachbarschaft. So etwa die Köchin Zehra, die für die ganze Crew täglich zwei warme Mahlzeiten hinzaubert und auch mal für ein regelrechtes Bankett einspringt, wenn wichtige Gäste kommen. Und Yasin hat häufig wichtige Gäste. Er hat sich in seinen Jahren im Osten ein breites Netzwerk in der Region aufgebaut und hat neben Tierärzten auch mal ranghohe Armeeoffiziere oder gar den Gouverneur von Doğubeyazıt zu Besuch. «Unsere Grillfeste sind legendär», sagt Yasin bei einem Mittagessen. «Nimm noch ein Stück Fleisch, du brauchst Vitamine», sagt Zehra und serviert Nachschub.
Die zierliche Frau bewegt sich flink und rasch, spült Berge schmutzigen Geschirrs, während auf dem Herd schon die nächste Mahlzeit köchelt. Nur die regelmässige Lust auf eine Zigarette bringt sie dazu, sich manchmal auf einen Plastikstuhl zu setzen und einen Moment innezuhalten. Die tiefen Lachfalten neben ihren grossen, wachen Augen deuten auf ein arbeitsames und freudvolles Leben hin. «So ist es», erzählt sie, «Ich bin als 16-Jährige mit meinem Mann durchgebrannt. Heute sind wir 32 Jahre verheiratet. Unser Leben war nicht immer einfach, aber bei Allah, ich liebe diesen Mann so sehr.»
Derweilen tauschen zwei Stallarbeiter nebenan ihre Gummistiefel gegen Badeschlappen, waschen sich die Hände, giessen Tee auf, setzen sich dazu und rauchen mit. Das abendliche Melken steht noch an, danach ist Feierabend. Dann werden sie durch eine Desinfektionslösung und das eiserne Eingangstor der Eydin Süt nach Hause spazieren, ins Dorf direkt neben der Farm. Yasin mit Frau und Tochter und eine Mitarbeiterin, die aus einer ferneren Stadt kommt, sind die einzigen, die auf der Farm wohnen. Yasin versucht seit Jahren, dem trostlosen Stück Land mehr Charme einzuhauchen, es zu einem richtigen Zuhause zu machen. Er hat zu diesem Zweck etwa unzählige Bäume und Blumen gepflanzt, die er gewissenhaft wässert, oder eine Schaukel und einen hölzernen Unterstand mit Esstisch gebaut. Dort sitzt er gerade und telefoniert mit zwei Smartphones. Die Stallarbeiter erzählen währenddessen von ihrem Tag. Es ist heute ein neues Kalb geboren, und einige weitere Kühe sind hochschwanger.
Ja, wie eigentlich, wenn doch nur Kühe aus Österreich angeliefert wurden?
Gelächter. Die Frage war naiv. Das Sperma wird, so ist das üblich in der Milchwirtschaft, aus dem Katalog bestellt, die Kühe werden künstlich befruchtet. Der Holstein-Stier kann bleiben, wo er hingehört. Zehra bringt eine nächste Runde Tee. Am Ararat glüht rot das letzte Abendlicht.
Irgendwann würde der Moment kommen. Irgendwann würde ich die letzten Schachteln noch aus dem Estrich meines Elternhauses runterholen müssen. Würde ich mich meinen Sammler-Genen stellen müssen. Mich der Frage stellen: Warum bewahre ich dies alles auf?
Der Karton roch eben wie Karton, der zwei Jahrzehnte lang im Winterhalbjahr etwas Feuchtigkeit abgekriegt und während einiger Hitzesommer wieder getrocknet wurde. Wie ich die Schachteln öffnete, da kam mir eine Flut an Erinnerungen entgegen.
Mit jedem Heft, das ich aus der Schachtel zog, hielt ich ein neues Puzzlestück meiner Kindheit in den Händen. Da war dieses Gefühl, das entsteht, wenn lose Bilder einen kleinen Film an Erinnerungen auslösen. Manchmal messerscharf. Manchmal ist der Verstand nicht mehr so ganz sicher, ob die Sinne die eine Geschichte mit einer anderen vermischen. Aber was mich beeindruckte, war, dass ich bei jedem Objekt eindeutigdas Gefühl in mir trug, etwas in den Händen zu halten, was ich geschaffen hatte. So muss sich eine Nahtoderfahrung anfühlen, dachte ich mir.
Da war ich, das Steinerschulkind. Ich war eines dieser Kinder gewesen, das in der Schule ein Bild malte und ein Lied dazu sang. So das Klischee, das ich mir über die Jahre hinweg immer wieder anhören musste. Wenn mich die Kollegen im Quartier fragten, in welches Schulhaus ich gehe, musste ich jeweils erklären, dass ich tagtäglich nach Langenthal pendle.
Meine Schulzeit war von Beginn weg nicht «normal». Angefangen bei der Einheitsklasse mit zwölf Schülerinnen im winzigen Solothurner Dorf Rohr. An den ersten Schultag mag ich mich nicht mehr erinnern. Meinen zwei Klassenkollegen im selben Alter dürfte es ähnlich ergehen. Wahrscheinlich weil der Schulstart für uns kein Meilenstein war, wie er gerne zelebriert wird. Der Bauernhof, unser Zuhause, hatte uns in den ersten Lebensjahren genug Aufgaben gestellt, die wir lösen und entdecken wollten. Wieso also würden wir den Unterricht und die Hausaufgaben brauchen?
Mit der Schule arrangierte ich mich schnell. Mein Wissensdurst war geweckt. Aber aus den ersten beiden Schuljahren ist mir vor allem der lange Schulweg geblieben. Die Schlittenfahrten runter ins Dorf im Winter. Der lange Weg hoch nach Schulschluss durch den Wald, in dem ich Geschichten spann und mit den Elfen und Zwergen hinter den Bäumen sprach.
Der Bruch kam mit dem Umzug in die Stadt. Achteinhalb Jahre alt war ich, als meine Eltern meine Schwester und mich an die Rudolf-Steiner-Schule in Langenthal schickten. Ein harter Schnitt wäre es auch bei einem Wechsel an die Staatsschule gewesen, wie ich heute weiss. An einem Septembertag nach den Herbstferien suchte ich verzweifelt nach meiner neuen Klasse. Die Schule feierte eines ihrer vielen Feste. Auf dem gesamten Schulareal zogen Klassen umher. Die Menschenmenge überforderte mich, der ich im abgelegenen Jura grossgeworden war. Als ich dann endlich meine Klasse gefunden hatte, begann eine lange Reise. Am Anfang war sie beschwerlich. Monate verstrichen, ehe die neuen Gspänli mich akzeptiert hatten. Einsam zog ich in den ersten Pausen meine Runden ums Schulhaus, um den Schikanen aus dem Weg zu gehen. Irgendwann gehörte ich zum Kern der Klasse.
Wie ich nun diese Schachteln vor mir hatte, mich hinsetze und wie im Zeitraffer durch die Jahre blätterte, fragte ich mich, was die Steiner-Schule aus mir gemacht hatte. Wo waren eigentlich die Absichten der Steiner-Pädagogik oder ihre Philosophie zu spüren? Kann ich sie nun besser verstehen? Muss ich? In Gesprächen hab ich verschiedenste Falschmeinungen widerlegen müssen, was die Steiner-Schule nun ist oder eben nicht. Es war keine Schule für Begabte und auch nicht eine Schule, die explizit als Auffangbecken für schwächere Schüler da war. Den kompetitiven Vergleich kannten wir kaum und erst in den letzten Jahren. Das ist, was sich mir vielleicht am stärksten eingeprägt hatte. Selbst in der Oberstufe waren wir eine sehr diverse Klasse gewesen, mit unterschiedlichen Leistungsniveaus. Und irgendwo hatte jede ihre Stärken zeigen können.
«Vom Anfang der Welt», steht auf dem Titelblatt eines meiner ersten Hefte geschrieben. Die Bibelgeschichte nimmt darin eine zentrale Rolle ein. Wir malten mit Kreiden das Geburtshaus von Noah und wie er daraufhin die Arche erbaute. Und wir malten den Untergang der alten Welt und wie sie in die neue Welt überging. Heute würde ich aufstehen und den Lehrer fragen, warum wir dies machen. Als kleiner Bub tat ich wie geheissen.
Wer aber denkt, uns Steiner-Schülern sei die anthroposophische Weltanschauung des Begründers Rudolf Steiner eingetrichtert worden, irrt. Wir lernten nie bewusst, was die Anthroposophie umfasst. Fragte mich jemand danach, ich konnte ihm nicht antworten. Und ich erklärte, was die Schule ausmachte. Die Kreativität zog sich als roter Faden durch die Schuljahre. Zeichnung um Zeichnung fertigten wir. Selbst im Physikunterricht malten wir das Experiment, das der Lehrer vorne darbot. In der Biologie bildeten wir unsere Hand- und Fussabdrücke im Heft ab. In Geschichte malten wir ein Porträt eines ägyptischen Pharaos. Wir malten die Weltkarte, lernten die Mythologien vom alten Ägypten, den Kelten und den Römern. Vor allem in den ersten Schuljahren schrieben wir seitenweise von der Wandtafel ab. Verse, Gedichte und auch abgeschriebene Sachtexte füllten unsere buntfarbenen Hefte. Meist waren die Texte mit unseren Zeichnungen illustriert.
«Das ist ja unglaublich, was wir an Papier verschwendeten», sagte meine Schwester, als wir die Schachteln räumten. Sie zweifelte mehr an der Pädagogik der Schule als ich. Als ich meine Schulzeit neulich Revue passieren liess, fragte aber auch ich mich: Verloren wir damals wertvolle Zeit, während meine Kolleginnen an der «normalen» Schule strukturiert Stoff büffelten? Wohl kaum, denn mir fehlte es an nichts. Nur mein Defizit in der Mathematik später am Gymnasium war vielleicht ein wenig der Steinerschule geschuldet, aber doch mehr mir selbst, denke ich.
Mit meiner Schulzeit bin ich im Reinen. Aufschlüsseln zu wollen, was mir die Steinerschule auf den Lebensweg gab, finde ich schwierig. Wenn mich die Schule etwas lehrte, dann wohl, auf meine Sinne zu vertrauen. Ich tat dies am Johannifeuer zur Sommersonnenwende. Im Eurythmieunterricht, wenn ich meinen Namen tanzte. Auf der Theaterbühne zum Stück «Les Miserables» in der achten Klasse. Beim Strahlen im Steinkundelager. Als ich im Bauernpraktikum lernte, Schafe zu scheren. Oder unter dem Nachthimmel ob Bad Ragaz während des Sternkundelagers. Aber sonst waren wir nicht viel anders als die «anderen». Auch wir assen Hamburger und Birne Helene zum Dessert, wie ich im Lagertagebuch festhielt. Und ich träumte vom Beruf als Pilot, ehe meine Geschwister es mir ausredeten.
Was mich die Schule auch lehrte, war Gelassenheit. Sie kam mir zugute, als ich mich an der Kanti an das Staatschulwesen adaptieren musste. Bald hatte ich mich eingefügt. Mich an die blanken Noten gewöhnt. Ich fühlte mich nicht als Fremdkörper. Wir Steinerschüler waren durch unseren Weg im Geiste nicht weniger kritisch als die anderen Menschen dort draussen. In meinem Maturajahr begegnete mir die Arche Noah nochmal. In einem Aufsatz mussten wir eine Karikatur deuten. Stand die Arche Noah der Gegenwart für die Flucht vor dem Klimawandel? Oder als Symbol eines Ankers, der die Welt retten könnte, wenn die militärische Aufrüstung der Grossmächte aus dem Ruder läuft? Als Steinerschulkind wusste ich: Oft gibt es mehr als eine richtige Lösung.
Entlang der Bahnstrecke Aarau-Olten gibt es so etliche nicht mehr genutzte Industriebauten und Werkstätten. Was, wenn die Mitte diese Reste alter Zeiten nutzen würde, um an der Zukunft zu arbeiten? Sie könnte diese Bauten und Brachen zu Zukunftslaboren umfunktionieren – und für die vorbeifahrenden Passagiere auf Plakaten und mit riesigen QR-Codes illustrieren, woran man gerade tüftelt. Zum Beispiel an Pflanzenzukünften, also an Zukünften, für die und in denen die Pflanzen eine zentrale Rolle spielen. Es handelt sich eigentlich um Retrozukünfte. Angesichts der erwarteten Bevölkerungsexplosion machte man sich bereits in den 1950er Jahren intensiv Gedanken darüber, welche Rolle die Pflanzen und die sie umgebenden Pilze als Textilien, Nahrungsquelle und Grundlage von neuen Medikamenten einst spielen könnten. Freilich wurden diese Zukünfte der Lebensreformerinnen und Botaniker vom viel mächtigeren Atomzeitalter der Physikerinnen überdeckt.
Algen stopfen den Bauch
Die Futuristen der 1950er erkannten das Potenzial der 4000 Algenarten, um die Bäuche einer global wachsenden Bevölkerung zu stopfen. Mit Chlorella, einer Gattung von Süsswasseralgen, erhoffte man sich, – gerade im Vergleich zur Sojabohne – zahlreiche Menschen ernähren und dabei noch viel mehr Proteine ernten zu können. Denn Algen wachsen zehnmal schneller als andere Nutzpflanzen, zudem binden sie dreimal so viel CO2. Die Mitte könnte also in, auf und unter ihren leerstehenden Fabrik- und Werkstattgebäuden riesige Algentanks aufstellen. Dabei geht es nicht nur darum, an Algen und mit ihnen an Algensnacks, Algensirup, Algengemüse und Algendesserts zu pröbeln. Genauso wichtig ist die Diskussion, wie wir uns in Zukunft ernähren. Uns weiterhin mit so viel tierischen Proteinen zu ernähren, ist aufgrund der Treibhausgas-Emissionen, der Gefahr von neuen Zoonosen und der Abholzung von Regenwäldern – vor allem für die Produktion von Tierfutter – keine Option.
Löwenzahn gibt Gummi ohne Erdöl
Eine zweite Pflanze, die für die Zukunft der Mitte interessant sein könnte, ist der Löwenzahn. In den 1950er Jahren wollte man wissen, ob man – wie die Russen aus der Wurzel des russischen Löwenzahns Taraxacum Kok Saghyz – Kautschuk herstellen konnte. Hintergrund waren die in den Weltkriegen aufgetretenen Lieferengpässe von Kautschuk beziehungsweise die sichtbar gewordenen Abhängigkeiten von asiatischen Ländern. Damals gab man die Pläne auf. Heute könnte der Löwenzahngummi deshalb wieder zum Thema werden, weil er einen Beitrag zum postkarbonischen Zeitalter leisten würde. In diesem verabschieden wir uns vom Erdöl, verzichten auf Plastik, vermeiden Mikroplastik und suchen nach Alternativen, die kreislaufgerechter sind. Aus den Löwenzahnfeldern auf den Dächern und Brachen der Industriebauten könnte man zudem Tierfutter und Salat und aus überschüssigen Wurzeln Kaffee herstellen.
Bäume als Wunderwaffe der Zukunft
Retromässig klingt auch die letzte Idee, um die Industriehallen, deren Brachen und Gärten entlang der Zugstrecken Aarau-Olten, Olten-Zofingen oder Olten-Liestal für Innovationsleuchttürme der Mitte zu nutzen. Man könnte ganz einfach möglichst viele Bäume pflanzen. Diese leisten nicht nur einen Beitrag, um CO2 zu binden, über die Zeit generieren sie auch einen sehr wertvollen Rohstoff: Holz. Trendforscherinnen werden nicht müde, darüber zu berichten, warum wir in Zukunft wieder mehr mit Holz bauen werden. Beim Wohnen und Arbeiten vermittelt es uns ein Gefühl der Geborgenheit und es ist umweltfreundlicher als Zement. Zudem umgeht es die Knappheit von Sand. Gegenwärtig konsumiert die Welt jährlich 50 Milliarden Tonnen davon, wobei Wüstensand die falsche Konsistenz zum Bauen hat. Auch das örtliche AKW und seine Sicherheitszone könnten wir mit Bäumen ersetzen. Ingenieurinnen tüfteln daran, einst mit den im Wind schwingenden Bäumen Strom zu produzieren.
Die Mitte – was meine ich damit? Meine ganz persönliche Mitte liegt in der Nähe meiner beiden schwarzen Katzen, meines Schlaf- und Schreibzimmers – und die befinden sich in Dulliken. Zu dieser Mitte gehört auch der Bahnhof Olten, der mich vom elften Gleis nach Bern, vom siebten nach Zürich, vom zwölften nach Luzern und vom zehnten nach Basel führt. Diese Mitte liegt in Zwischenräumen. Es ist ein Viereck mit den Ecken «Lenzburg», «Liestal», «Sursee» und dem Moment, wo ich auf der Neubahnstrecke Richtung Bern in den ersten Tunnel eintauche.
Wer sein eigenes Ich neu erfindet, darf den beschwerlichen Weg nicht scheuen. Denn das räumliche Leitbild wird gewissermassen die Bedienungsanleitung sein, wenn die Kleinstadt ihre Ortsplanung revidiert. Beim Leitbild dürfen alle mitreden; der Kanton fordert von den Gemeinden eine offene Partizipation.
Nur verlief die Mitsprache in Olten wegen der Coronapandemie bis hierhin schleppend. Anstatt die breite Bevölkerung einzuladen, bildete die Stadt stellvertretend eine Echogruppe. Sie begleitet den Prozess wie auch die inhaltlichen Stossrichtungen, würdigt sie kritisch und bringt ihre Anliegen ein. Die Gruppe besteht aus Vertreterinnen der Behörden, der Kommissionen, der Vereine und des Gewerbes.
Eine erste Feedbackrunde mit der Echogruppe hat bereits stattgefunden. Über einen Fragekatalog holte die Stadt Stellungnahmen und Einschätzungen zu den festgelegten Stossrichtungen ab und erarbeitete auf dieser Basis einen Grundlagenbericht. Ein Verfahren, das üblich ist und in vielen anderen Städten und Dörfern vergleichbar aufgesetzt ist.
Den Grundlagenbericht hat die Stadt in Zusammenarbeit mit der Raumplanungsfirma Metron AG erarbeitet, die den Prozess begleitete. Im vorliegenden Bericht ist viel von der Siedlungsentwicklung an den Rändern, dem behutsamen Umgang mit Landwirtschaftsgebieten und städtischen Freiräumen die Rede. Eine Analyse (auf Seite 33) bringt als «Schwäche» zutage, dass die städtischen Siedlungsreserven nur an peripheren Lagen auszumachen sind. Das Stadtzentrum als Siedlungsraum wird nicht erkannt.
Wie steht es aber effektiv um die Siedlungsentwicklung nach innen, dem Thema der Stunde in der Raum- und Stadtentwicklung? Durch das 2014 revidierte Raumplanungsgesetz fordert der Bund ebendiese als oberste Prämisse.
Anders als in den grossen Zentren schlummert in Kleinstädten vielmals grosses Potential, was die Verdichtung an zentraler Lage angeht. So auch in Olten. Das Zentrum einer Stadt erzeugt die städtische Identität beziehungsweise das urbane Selbstverständnis – mit hochwertigen, klar definierten Plätzen und Bebauungen, die an das Wesen der Stadt angelehnt sind, mit Neubauten oder sorgfältig angepassten Bestandesbauten. Das Mehr an sozialer Dichte in der Innenstadt ist nicht nur notwendig, um dem viel beklagten Lädelisterben zu begegnen, sondern auch eine Pflicht, wenn die Gesellschaft über Mobilität, Dekarbonisierung oder klimaverträgliche Stadtentwicklung spricht. Einen ersten Vorschlag in diese Richtung hat das Studio Olten schon in seinem letzten Beitrag mit einem Neubau auf dem Munzingerplatz gemacht.
Daher erstaunt: Das Gebiet Schützenmatt/Rötzmatt taucht zwar im Grundlagenbericht auf. Jedoch gar kryptisch in der Legende des Stadtplans auf Seite 35 als Gebiet mit dem Handlungsansatz «transformieren und neue Identität schaffen». Seitens Stadt ist nicht wirklich zu spüren, inwiefern dieses Gebiet als wichtiger Baustein für die Entwicklung des Zentrums gesehen wird. Dabei hatte Stadtplaner Kurt Schneider in einem Interview mit Kolt die Schützi als interessantestes Entwicklungsgebiet bezeichnet. Vorgesehen ist das grosse Areal südlich der Dünnern notabene sogar als Freiraum, bezeichnet als «nutzungsoffen», ein Raum, der «aufgewertet» werden soll (Seiten 52 und 54). Ein Schelm, wer sich dabei denkt, dass es einzig um die Wahrung als Kilbi-Platz geht. Und um einen Parkplatz?
Das Potential dieses Freiraumes ist für das Olten der Zukunft gewaltig und augenscheinlich. Die Schützenmatt liegt an bester Lage, direkt ans Stadtzentrum angrenzend, unmittelbar an der Aare, dank der ERO am überregionalen Verkehr angeschlossen und in Gehdistanz zum Bahnhof. Soll ein Gebiet wie dieses längerfristig tatsächlich als Parkierungsfläche oder Freiraum – ohne offensichtlichen Nutzen – dienen? Dies ist aus heutiger Sicht stadtökonomisch betrachtet höchst fraglich, wenn die Kleinstadt ein Wachstum anstreben will. Zudem befindet sich das Areal im Besitz der Stadt, also der planenden und bewilligenden Instanz. Eine bessere Ausgangslage ist kaum denkbar, um aktiv Stadtentwicklung zu machen. Nirgends sonst in Olten könnten ohne grossen Aufwand städtebauliche Strukturen geschaffen werden, die Interaktion und Lebendigkeit erzeugen.
Aufgrund seiner Grösse könnte das Areal auch in Zukunft die (noch) wichtige Funktion als zentrumsnahe Parkierungsmöglichkeit erfüllen – etwa mit einem multifunktionalen Parkhaus, wie dieses Beispiel aus Aarhus zeigt. Das Areal könnte jedoch auch ganz anderen Ansprüchen gerecht werden.
Die oft geforderten bespielbaren öffentlichen Räume, die sich wandelnden Bedürfnissen anpassen, sind unter den hohen Platanen neben der Badi gut vorstellbar. Entlang der Dünnern wäre attraktives Wohnen möglich, ergänzt mit öffentlichen Nutzungen in den Erdgeschossen. Die Parkplatzwüste liesse sich entsiegeln und mit grosskronigen Bäumen bepflanzen. Visionäre Grundlagen für das Gebiet erarbeitete letztes Jahr die Hochschule Rapperswil.
Mit Blick auf den bisherigen Prozessverlauf der Ortsplanungsrevision von Olten und den generierten Resultaten stellen sich ein paar Fragen. Zum Beispiel zur Echogruppe: Wer hat dieses Gremium zusammengestellt? Mit welchen Auswahlkriterien? Sind die wirklich relevanten Stakeholder vertreten, um über die Zukunft der Stadt zu sprechen? Es scheint sich doch sehr um eine politische und verwaltungsinterne Gruppe zu handeln, die mit Vertretern des städtischen Alltags angereichert wurde. Insbesondere die Jugend, also diejenigen Menschen, die in naher Zukunft das Leben der Stadt prägen werden, ist kaum vertreten. So fehlen in der Echogruppe etwa Jugendorganisationen genauso wie die Schulen.
Zur Vision der Stadtentwicklung: Welche Vorstellungen haben die Stadtregierung und die Verwaltung eigentlich zu den Entwicklungsschwerpunkten ihrer Stadt? Im Leitbildprozess kommt bisher nicht zum Ausdruck, was unsere Regierung für Olten will. Eine Stadt mit kurzen Wegen, in der das Velo und die Fussgängerin Priorität haben? Ein starkes und gut erschlossenes Zentrum, das auch für Menschen aus dem «Umland» interessant ist? Ein Zentrum, in dem gewohnt und gearbeitet wird und sich die Leute treffen und verweilen? Wo durch Austausch Neues entsteht? Im ganzen Grundlagenbericht taucht nicht einmal das Wort «Vision» auf. Das muss auch nicht zwingend sein. Aber etwas mehr visionäre Ideen müssten drinstecken.
Studio Olten Das Studio Olten beobachtet (kritisch) die städtebauliche Entwicklung von Olten und erlaubt sich hie und da selber Vorschläge, welche als Anregung einer vitalen Diskussion dienen sollen. Das Studio setzt sich zusammen aus Michael Bertschmann (dipl. Architekt FH), Christian von Büren (M. Sc. Urban Management) und Matthias Sigrist (dipl. Ing. FH Bauprozessmanagement) und damit aus Fachleuten aus den Bereichen Architektur und Städtebau, Areal- und Immobilienentwicklung sowie Urban Management und der Stadtökonomie mit Erfahrungen aus Tätigkeiten bei der öffentlichen Hand, Bundesbetrieben und der Privatwirtschaft.
Das Fehlen einer Badi ist weniger ein Problem, wenn es wie in den vergangenen Wochen nur regnet. Aber wenn sich das Thermometer auf 40 Grad hochschraubt, so wie letzten Sommer, dann wird die Stadt mit ihren Backsteinhäusern zum Hitzegefängnis.
Wer’s nicht mehr aushält, kann sich dann in eines der runtergekühlten Museen verziehen, von denen es in Brüssel mit über 100 rekordverdächtig viele und zu den verschiedensten Themen gibt: René Magritte, Bier, Schokolade, Musikinstrumente, Dinosaurier, Comics, Trams und sogar ein Museum über Strassenlaternen steht in der Stadt.
Natürlich darf auch ein Museum über Viktor Horta nicht fehlen, den belgischen Jugendstil-Architekten, der Brüssel zum europäischen Art-Nouveau-Hotspot verwandelte. Leider sind viele der einzigartigen Horta-Häuser heute verschwunden, da sie der «Brüsselisierung» zum Opfer fielen. Darunter versteht man das unkontrollierte Einfügen von hässlichen Funktionsbauten in historische Quartiere, wie es die Stadtverwaltung in den 1960er und 70er Jahren mit Ambition betrieben hatte.
Nicht «brüsselisiert» wurde hingegen der Justizpalast, den der belgische König Leopold II. (sie nennen ihn auch den «Schlächter vom Kongo») Ende des 19. Jahrhunderts den aufmüpfigen Arbeitern im Marollenviertel vor die Nase gesetzt hatte. Seit 1984 ist das giganteske Gebäude mit seinen acht Innenhöfen, 27 Gerichtssälen und der 116 Meter hohen Goldkuppel in Dauerrenovation, sodass mittlerweile sogar das Baugerüst, das die Fassade ummantelt, renoviert werden musste. Für einen Zeitungsartikel habe ich mich mal hinein ins Labyrinth gewagt und traf am Ende eines Wirrwarrs aus Gängen, Treppen und Vorzimmern den ehemaligen Chef des belgischen Geheimdienstes, der mir Auskunft über Brüssel als «Stadt der Spione» geben sollte.
Vor allem China, Russland und die USA schicken Spione in die Hauptstadt der EU. Aber eigentlich soll mehr oder weniger jedes Land der Erde (auch die Schweiz?) hier nachrichtendienstlich tätig sein. Denn eines ist klar: Brüssel ist die Stadt, wo die Welt zuhause ist. 180 verschiedene Nationalitäten leben hier. Kosmopolitisch kann da wohl nur noch New York mithalten. Immer wieder trifft man in Brüssel auf interessante Menschen aus den unterschiedlichsten Weltgegenden.
So wie gerade letzten Sonntag bei der Buvette im Park: Der unbekannte Tischnachbar trägt auf seinem rechten Arm ein buntes Tattoo, das deutsche Sturzkampfbomber, rote Sterne und den Schriftzug «Liberté» zeigt. Auf dem linken Arm prangt das Konterfei von Lenin und Marx. Angesprochen auf die Zeichnungen erklärt er, dass diese seine Vergangenheit als Aktivist für den kommunistischen Umsturz in Chile illustrieren. Vergangenheit deshalb, weil er nach einem mehrwöchigen Aufenthalt bei der kolumbianischen Farc-Guerilla allmählich ins Zweifeln kam, ob das mit der gewaltfreien Revolution doch noch klappen werde.
Bei einem Dschungel-Trip zum Ayahuasca-Schamanen erlebte er dann das Universum in seinem Inneren und seine spirituelle Wiedergeburt als – wie er es nannte – «Öko-Humanist». Nach einem Stage beim Europaparlament siedelt er in ein paar Tagen nach Südfrankreich über, um in einer alternativen Kommune der Permakultur nachzugehen. Brüssel hat viel zu bieten: Architektur, Kultur, eine reichhaltige Historie. Aber keine Badi.
*Remo Hess (35) lebt und arbeitet seit 2016 als Journalist in Brüssel.
Kultur ist, was die Maschine nicht kann. Kultur ist, was die Natur nicht ist. Kultur, das sind unsere Geschichten über unsere Zukunft und über unsere Vergangenheit. Wenn ich hier über Kulturförderung spreche, dann wünsche ich mir mehr Geschichten, vielfältigere Geschichten. Die Mitte könnte prüfen, wie sie diese Geschichten zugänglich machen will, analog und digital. Sie könnte uns helfen, ins Erzählen zu kommen. Denn uns das abstrakt Andere vorzustellen fällt uns schwer. Deshalb könnte die Mitte im Alltäglichen kleine Verrückungen zur Gegenwart pflegen – durch eine Ästhetisierung unserer Alltagskulissen, in der Architektur, in der Art und Weise, wie wir uns im öffentlichen Raum begegnen.
Zukunftskultur als Ästhetisierung des Alltags
Helfen veränderte Kulissen unseres Alltags zu erkennen, wie es einmal sein sollte? Das Impfzentrum böte zahlreiche Möglichkeiten, um mit dem Neuen zu experimentieren. Statt Farben und futuristische Formen dominieren Grau und Warnorange. Warum hat man keine Lichtkünstlerinnen eingeladen, um die Stadthalle zu beleuchten? Warum beharrte man auf Militärzelten, statt jedes Impfzimmer auf andere Art als futuristische medizinische Praxis zu inszenieren? Warum designten Schneider keine schicken Uniformen? Warum hat man nicht gewagt, das Ganze papierlos zu denken? Richtig, das sind keine Geschichten, sondern Kulissen. Aber warum nicht mal anders Zukunft denken, statt immer «form follows function» mal «function follows form»? Dann werden Kulissen zur Grundlage, um Abläufe, Spielregeln, Verwalten neu zu denken.
Zukunftskultur ist Architektur
Brauchen wir Statuen, die für alle sichtbar die Zukunft symbolisieren? Provokative Bauten könnten uns staunen lassen, sie könnten sichtbar machen, was wir fürchten und wonach wir uns sehnen. In Olten gibt es ein einziges Gebäude, das so etwas wie Zukunft ausstrahlt: das Haus mit dem Golddach. Sonst aber fehlen Formen und Farben, die grundlegend vom quadratisch, praktisch Guten der Gegenwart abweichen. Nichts ragt in den Himmel hoch, nichts verläuft diagonal, nichts wird neu gemischt. Zwei, drei radikale Bauten würden reichen, um Olten als Zukunftsstadt ins Gespräch zu bringen. Ein Holzhochhaus, ein Wolkenkratzer, der statt in die Höhe in die Tiefe ragt. Eine Siedlung auf der Aare mit schwimmenden Tinyhouses. Einfach bitte keine weiteren Betonklötze im quadratischen Einheitsmuster der 2010er-Jahre.
Zukunftskultur ist Begegnung
Die Pandemie zeigt eindrücklich, warum wir die Zukunft nicht alleine vor dem Bildschirm verbringen wollen. Wir vermissen die zufälligen, sinnlichen, unkontrollierbaren Begegnungen mit Mitmenschen. Sie bilden die Basis für ein glückliches Zusammenleben, sind Anlass, um uns Geschichten zu erzählen. Nein, analog muss das nicht immer sein. Aber noch immer scheint es am Konzert, in der Bar, im Club, im Park besser zu funktionieren, einen Menschen, seine Gefühle und Geschichten zu erfassen, als vor einem Bildschirm. Will die Mitte diese Begegnungen fördern, investiert sie in vitale Pop-up-Museen und -Restaurants, in Konzerte und Abenteuerspielplätze. Um niemanden auszuschliessen und den Zufall zu kultivieren, fördert sie Begegnungen ohne ökonomischen Hintergrund – auf der Aare, auf Dachgärten oder futuristischen öffentlichen Plätzen.
Die Mitte – was meine ich damit? Meine ganz persönliche Mitte liegt in der Nähe meiner beiden schwarzen Katzen, meines Schlaf- und Schreibzimmers – und die befinden sich in Dulliken. Zu dieser Mitte gehört auch der Bahnhof Olten, der mich vom elften Gleis nach Bern, vom siebten nach Zürich, vom zwölften nach Luzern und vom zehnten nach Basel führt. Diese Mitte liegt in Zwischenräumen. Es ist ein Viereck mit den Ecken «Lenzburg», «Liestal», «Sursee» und dem Moment, wo ich auf der Neubahnstrecke Richtung Bern in den ersten Tunnel eintauche.
Nur wenige Wochen nach dem Einzug in meine schöne und damals helle Altbauwohnung in Manhattan wachte ich eines Morgens zu Lärm und unangenehm neugierigen Blicken von Bauarbeitern auf, die innerhalb eines Tages ein Gerüst an meinem Gebäude anbrachten. Das ist nun zwei Jahre her und das Gerüst ist trotz unzähliger Versprechen des Hauswarts und der Vermieter, dass es «nächsten Monat» wegkomme, immer noch da! Persönlich direkt betroffen, achte ich mich nun vermehrt, und tatsächlich ist fast jeder Block in der Stadt mit einem Gerüst eingekleidet. Eine Freundin, die vor kurzem zu Besuch war, meinte sogar, dass sie die Upper East Side nach einem kurzen Spaziergang schnell wieder verlassen musste, da die unzähligen Gerüste und deren Überdachungen sie deprimiert hätten.
Letztes Jahr zählte man über 8300 Gerüste in Manhattan und Brooklyn. Würde man die alle aneinanderreihen, ergäbe das eine Gesamtlänge von 442 Kilometern. Das entspricht der Distanz von Olten nach Genf und retour!
Was ist hier also los? Um von meiner Entrüstung etwas runterzukommen, habe ich ein wenig recherchiert: 1979 wurde eine junge Studentin auf dem Heimweg von einem Ziegel eines bröckelnden Gebäudes erschlagen. Darauf wurde Local Law 11 verabschiedet, und seither sind Eigentümer von Gebäuden mit einer Höhe von mehr als sechs Stockwerken verpflichtet, ihre Fassaden alle fünf Jahre auf lose Ziegel und brüchiges Mauerwerk überprüfen zu lassen. Das scheint in vielen Fällen vorhanden zu sein, und an diesem Punkt wird dann ein Gerüst errichtet. Das Auf- und Abbauen ist ziemlich teuer und viele Eigentümerinnen entscheiden sich, das Gerüst präventiv bis zur nächsten Inspektion stehen zu lassen. So werden diese monströsen Dinger permanenter Teil des Stadtbilds. Für verschiedene Akteure ist das Geschäft mit den Gerüsten lukrativ und anscheinend bleiben einige Gerüste bis vierzehn Jahre lang stehen! Innovative Unternehmerinnen beschäftigen sich ebenfalls mit diesen Gerüsten und seit kurzem bietet das Start-up Urban Umbrella Läden wie Louis Vuitton und Ralph Lauren stylische weisse Gerüste im gotischen Stil an.
Sucht man auf Google «what New Yorkers hate», folgt Scaffolding – der englische Begriff für Gerüstebauerei – gleich nach New Jersey (an erster Stelle), Touristen, Times Square und Florida.
Auf meiner persönlichen Hassliste sind diese Gerüste ganz oben und mit meiner Entrüstung fühle ich mich natürlich fast wie eine echte New Yorkerin. Aber die Bewohner der Stadt sind bekannterweise sehr kreativ und innovativ und schaffen es, sogar aus diesem Gerüstewald etwas Positives zu ziehen. Restaurantbesitzerinnen nutzen die Überdachungen und Stangen für saisonale Dekorationen, Jogger machen ihre Klimmzüge an den Rohren, Künstlerinnen nutzen die neuen Flächen als Leinwand und Basis für Skulpturen und den unzähligen Obdachlosen der Stadt bieten die Überdachungen Schutz vor dem manchmal miesen New Yorker Wetter, vor allem im Winter.
Nach genauerem Betrachten scheint es fast, als ob diese Gerüste genauso zu New York gehören wie die Freiheitsstatue und die gelben Taxis. Und so warte ich also naiv darauf, dass nun im April die Stangen und Holzplatten oben vor meinem Fenster entfernt werden, bin aber gleichzeitig etwas besorgt um die Spatzenfamilie, die sich seit zwei Wochen in der Konstruktion eingenistet hat.
*Anna-Lena Schluchter (31) ist in Olten aufgewachsen und lebt seit zwei Jahren in New York, wo sie als Peacebuilding Officer für die UNO arbeitet.
Im letzten Gedankenspiel zur Zukunft habe ich über neue Märkte für die Mitte nachgedacht. Ebenso könnte man über das künftige Zusammenleben nachdenken. Ein wichtiger Aspekt dieser Perspektive ist die Frage, wie sich die Mitte gegen die Risiken der Zukunft absichert. Diese bedrohen unsere Körper, Unternehmen, Medien und Maschinen. Wie könnte die Mitte ihr gesellschaftliches Immunsystem stärken? Ich habe drei Vorschläge, die unser Zusammenleben und dadurch unsere Zuversicht verbessern könnten.
Menschen und ihre Ideen sichtbar machen
Wir schützen uns erstens vor sozialen Risiken, indem wir einander wahrnehmen und miteinander sprechen. Möglichst wenig Menschen sollen sich einsam fühlen, sich in Internetforen düsteren Verschwörungserzählungen hingeben. Das setzt einerseits attraktive und bezahlbare Treffpunkte voraus, wo wir gerne Zeit miteinander verbringen. Ein schönes Kaffee an der Aare – mit selbst gemachten Süssigkeiten. Ein attraktiver Spielplatz – ohne Plastik, ohne Red-Bull-Dosen am Boden. Hier lernen wir im Idealfall auch neue Leute kennen. Anderseits braucht es digitale Plattformen wie Kolt. Wenn wir sehen, wer in unserer Nähe lebt, schafft das Vertrauen und Gelegenheit, etwas gemeinsam zu unternehmen, etwas gemeinsam neu zu erfinden. Genauso könnte es an Bahnhöfen und Busstationen Bildschirme geben, wo Menschen aus der Stadtsich in ein paar Sätzen vorstellen. Ein QR-Code könnte zu ihrem Profil in den sozialen Medien führen.
Räume zwischennutzen, Abfälle verwerten
Wir schützen uns zweitens vor ökologischen Risiken, wenn wir unsere Ressourcen zusammen besser nutzen. Zwar gibt es globale Kräfte, die wir als Mitte nur wenig beeinflussen können. Aber wir alle können etwas dazu beitragen, dass es weniger leerstehende Fabriken und Häuser gibt, dass weniger Bohrer und Scanner ungenutzt rumstehen, dass weniger weggeworfen wird. Unser aller Ziel könnte es es sein, dass irgendwann nichts mehr verbrannt wird. Die Mitte sollte wöchentlich unser Altglas, -aluminium und -plastik einsammeln. Sie sollte eine Plattform haben, auf der wir unsere Räume zur Zwischennutzung anbieten können. KMUs vernetzt sie miteinander, um die Kreislaufwirtschaft in Gang zu bringen. Für das Café sind Orangenschalen Abfall, jemand anderes kann daraus Verpackungsmaterial herstellen. Genauso lässt sich aus Kaffeesatz Dünger produzieren. Gemeinsam genutzte Häuser und Ressourcen schaffen überraschende Anlässe, uns zu unterhalten.
Aus der Vergangenheit lernen
Zukunft hat viel mit Vergangenheit zu tun. Einerseits ist unsere Gegenwart durch die Ereignisse, Menschen und Ideen der Vergangenheit entstanden. Anderseits verbergen sich in unserer Geschichte ungenutzte Innovationspotenziale. Sie finden sich vor allem dort, wo frühere Ideen aus irgendwelchen Gründen verworfen wurden. Die Verwaltung, die Unternehmerinnen und Expertinnen der Mitte könnten deshalb prüfen, wie man sich vor 50, 100 oder 150 Jahren die Zukunft von Aarau, Olten, Zofingen und Däniken vorgestellt hat. Welche Visionen gab es für das Gastgewerbe, die Mobilität, die Museen? Wie dachte man, dass wir uns ernähren, übernachten, uns amüsieren würden? Um diese Vergangenheit sichtbar zu machen, könnten wir uns in Archiven umsehen und diese darin unterstützen, ihre Bestände in digitale Verzeichnisse zu bringen.
Die Mitte – was meine ich damit? Meine ganz persönliche Mitte liegt in der Nähe meiner beiden schwarzen Katzen, meines Schlaf- und Schreibzimmers – und die befinden sich in Dulliken. Zu dieser Mitte gehört auch der Bahnhof Olten, der mich vom elften Gleis nach Bern, vom siebten nach Zürich, vom zwölften nach Luzern und vom zehnten nach Basel führt. Diese Mitte liegt in Zwischenräumen. Es ist ein Viereck mit den Ecken «Lenzburg», «Liestal», «Sursee» und dem Moment, wo ich auf der Neubahnstrecke Richtung Bern in den ersten Tunnel eintauche.
Lassen wir für einen kurzen Augenblick die Debatte, ob es in Olten ein (neues) Kunstmuseum braucht, ausser Acht. Nehmen wir gedanklich vorweg, dass wir uns in Olten ein zeitgemässes, neues Museum leisten möchten, und seien wir davon überzeugt, dass dieses sehr zentral liegen soll. Richten wir unseren Fokus daher auf die angedachte Umsetzung des Vorhabens. Anfang des Jahres hat die Stadt nun das Verfahren zum selektiven Architekturwettbewerb gestartet. Dies, nachdem das Parlament im letzten Jahr den entsprechenden Kredit gesprochen und damit der Verwaltung den Auftrag erteilt hat. Das neue Museum soll demnach an der Kirchgasse 10 Platz finden, im denkmalgeschützten Gebäude also, welches bisher als Naturmuseum diente. Damit das Raumprogramm fürs künftige Kunstmuseum untergebracht werden kann, muss das Gebäude aber mit einem Anbau hin zum Munzingerplatz beziehungsweise Platz der Begegnung erweitert werden. Das bisherige Gebäude des Kunstmuseums an der Kirchgasse 8 soll umgenutzt oder ersetzt werden. Was auf den ersten Blick naheliegend erscheint, nämlich den Anbau im «Hinterhof» beim Parkplatz zu setzen, kommt bei näherer Betrachtung vielleicht etwas «unmotiviert» daher und scheint eher von Opportunismus als von Strategie getrieben – unter dem Motto «da hat’s Platz, da kommt er hin».
Welches Potenzial bietet aber diese wichtige innerstädtische Lage? Erzielt die für Olten doch ansehnliche Investition von 14 Millionen Franken für das neue Kunstmuseum eine angemessene Wirkung?
Man darf sich zu Recht fragen, ob oder inwiefern mit dem bisher eingeschlagenen Weg die richtigen Weichen gestellt werden. Ist diese Art von Erweiterung mit dem Anbau auf dem Munzingerplatz städtebaulich wirklich schlüssig?
Das Projekt Kunstmuseum sollte mehr als einen neuen Kunstraum schaffen. Dies ist nur schon angesichts der veranschlagten Investitionen in der Höhe von 14 Millionen Franken und den um ein Mehrfaches höheren Folgekosten für Betrieb und Unterhalt angezeigt. Solche Mittel «nur» für die Kunstvermittlung und -bewahrung auszugeben, ist in Anbetracht der Vielseitigkeit öffentlicher Aufgaben sowie den finanziellen Rahmenbedingungen der Stadt wenig nachhaltig und zu hinterfragen. In Olten bieten sich zudem wenig Gelegenheiten, innerstädtische Flächen zu entwickeln und damit den Forderungen des Bundes einer «Siedlungsentwicklung nach innen» nachzukommen. Der Munzingerplatz ist einer dieser wenigen Orte in Olten in städtischem Besitz. Dieser wird heute als versiegelter Parkplatz genutzt und ist aus ökonomischer Perspektive damit wenig effizient – und wenig attraktiv. Ein Politikum, welches seit ewiger Zeit der Klärung bedarf. Und mit dem geplanten Erweiterungsbau für das Kunstmuseum werden die städtebaulichen Weichen weiter gestellt, was die Entwicklungsmöglichkeiten dieser innerstädtischen Fläche betrifft.
Eine Entwicklungsmöglichkeit, die sich anbietet, wäre ein L-förmiger Neubau, welcher den Block «Munzingerplatz» schliessen würde. EG und erstes OG könnten das neue «Haus der Kunst» beherbergen. Es gäbe Raum, in dem sich eine Museumsnutzung einfacher und damit günstiger als in einem Altbau realisieren liesse. Flexibel in der Raumeinteilung und betrieblich effizient. Das Volumen gäbe einerseits der Westseite der Stadtkirche ein starkes Gegenüber, andererseits würde zwischen Neubau und Wangner Vorstadt, Haus der Museen und Kirchgasse ein innerstädtischer Raum entstehen, der für mehr als nur Fasnacht und Chilbi dienen kann. Die Parkplätze würden geopfert; dies nimmt aber nur die Zukunft der autofreien Innenstadt vorweg, welche in ein paar wenigen Jahrzehnten sowieso Realität wird. In den Obergeschossen würde gewohnt. Wohnen im Stadtzentrum ist ein Konzept, das die Stadt bereits für das Gebäude an der Kirchgasse 8 ins Auge gefasst hat und dem sowieso mehr Fläche zugesprochen werden sollte. Die Ansiedlung von Wohnen ist eine wirksame Massnahme, um eine (Innen)Stadt zu beleben, und steht dabei ganz im Zeichen einer zukunftsfähigen Stadtentwicklungspolitik (kurze Wege, hohe soziale Dichte, gemischt genutzte Innenstadt). Hierzu trägt auch der öffentlich zugängliche Innenhof bei. Dieser ist begrünt, nicht versiegelt und mit grosskronigen Bäumen versehen – eine innerstädtische Oase, welche auch einen Beitrag zu einem guten Stadtklima leistet.
Durch diesen Neubau würden die Gebäude an der Kirchgasse 8 und 10 nicht für ein neues Kunstmuseum gebraucht und könnten so anders genutzt werden. Auch hier könnte in den Obergeschossen gewohnt werden, dadurch liessen sich die Erdgeschosse durch Mieteinnahmen quersubventionieren und als multifunktionale öffentliche Räume nutzen, betrieben durch die Stadt. Es könnten aber auch die Bibliotheken oder ein Kindergarten einziehen. Die Möglichkeiten sind mannigfaltig.
Sicherlich wären die Investitionen in diesen Neubau deutlich höher als 14 Millionen Franken. Nur würden diesen Investitionen Erträge in Form von Mieteinnahmen gegenüberstehen. Diese könnten wiederum in Form von Betriebsbeiträgen an das «Haus der Kunst» oder andere öffentliche Aufgaben und Angebote in der Innenstadt verwendet werden. Und wenn die Stadt lieber keine Wohnungen an guten Lagen selber erschaffen und besitzen möchte, bietet sich die Möglichkeit eines Baurechts an einen Investor an; die Stadt behält den Boden und nimmt auf Jahrzehnte Zinsen ein. Man muss nur wollen.
Sollte das neue Kunstmuseum jedoch wie jetzt vorgesehen in der Kirchgasse 10 untergebracht werden, sollten zumindest die zusätzlich notwendigen Räume in einem attraktiven Ersatzneubau am Standort des heutigen Kunstmuseums geschaffen werden. Beispielsweise mit einem multifunktionalen Foyer auf Strassenniveau (was hier im Gegensatz zur Hausnummer 10 möglich wäre), welches sich sowohl zur Kirchgasse wie auch dem neuen Platz hin öffnet und diese zwei Bereiche stärker verbindet. Und nebst der zentralen Adresse des Museums wäre auch dies ein vielseitig bespielbarer Raum zur Unterstützung von Anlässen in der Innenstadt. Auch dadurch könnte der städtebaulich fragwürdige Anbau vermieden werden.
Altbau versus Neubaubei Museen von Michael Bertschmann
Museen in Altbauten sind geschichtlich bedingt an der Tagesordnung; meist sind die Häuser der Institutionen bereits mehrfach erneuert oder erweitert worden. Üblicherweise treten die oft tiefschürfenden bautechnischen Klimmzüge dank ansprechender Architektur in den Hintergrund. Im Falle eines Museums fordert alleine der hohe Öffentlichkeitsgrad und damit die Personenbelegung kompromisslose Entfluchtungskonzepte, andererseits volle Behindertengerechtigkeit. Für eine zukunftsfähige, flexible Bespielung sind Strukturen hilfreich, welche veränderbare Räume und passende Erschliessungswege zulassen. Schwere Exponate erfordern von der Gebäudestatik hohe Einzellasten und durchgehende Logistikwege. Bei einem Kunstmuseum wird aus konservatorischen Gründen eine hohe Klimastabilität sowie ein optimal kontrollierbarer Tageslichteinfall angestrebt, was entsprechende Anforderungen an Gebäudetechnik, aber auch Fassaden stellt. Es mangelt nicht an guten Beispielen, wie sämtliche Anforderungen jeweils überzeugend umgesetzt werden konnten. Doch die Frage nach der Verhältnismässigkeit sollte immer gestellt werden, gerade wenn sich durchaus auch die Option eines Neubaus anbieten könnte.
Michael Bertschmann war zuständig für die Ausführungsplanung des Erweiterungsbaus des Kunstmuseums Basel und involviert in die Sanierung des Landesmuseums Zürich.
Studio Olten Das Studio Olten beobachtet (kritisch) die städtebauliche Entwicklung von Olten und erlaubt sich hie und da selber Vorschläge, welche als Anregung einer vitalen Diskussion dienen sollen. Das Studio setzt sich zusammen aus Michael Bertschmann (dipl. Architekt FH), Christian von Büren (M. Sc. Urban Management) und Matthias Sigrist (dipl. Ing. FH Bauprozessmanagement) und damit aus Fachleuten aus den Bereichen Architektur und Städtebau, Areal- und Immobilienentwicklung sowie Urban Management und der Stadtökonomie mit Erfahrungen aus Tätigkeiten bei der öffentlichen Hand, Bundesbetrieben und der Privatwirtschaft.
Felix Wettstein, Nationalrat und Oltner Gemeindeparlamentarier der Grünen sowie Vorstandsmitglied von Pro Kultur Olten, möchte keine Grundsatzdiskussion über das Kunstmuseum führen und sagte in diesem Medium:« …ein Kunstmuseum besteht nicht bloss aus aktuellen Ausstellungen. Es hat eine wichtige Funktion zum Erhalt des kulturellen Erbes. Das ist viel Arbeit und benötigt Platz.» Und Wettstein beendete die Diskussion mit «Überdies hat die politische Debatte stattgefunden. Wir wollen die drei kommunalen Museen in unmittelbarer Nachbarschaft, weil sie voneinander profitieren.»
Meine Frage lautet: Hat die Diskussion in der Öffentlichkeit wirklich stattgefunden? Und wer ist «wir»? Ich persönlich habe nie über das Kunstmuseum diskutiert. Du wahrscheinlich auch nicht. Ausser du bist Parlamentarier oder Stadträtin. Neun von zehn Oltner Menschen, die ich nach ihrem persönlichen Bedürfnis nach einem Kunstmuseum in unserer Stadt und nach dessen Notwendigkeit gefragt habe, würden auf das Museum verzichten. «Wir» dürfen und müssen also fragen, ob diese Gemeinde überhaupt ein Kunstmuseum will und, falls ja, wie ein solches in Olten gestaltet werden sollte. Wie ist die Nachfrage der Bevölkerung? Wird diese Nachfrage auch ohne Kunstmuseum befriedigt? Ist ein Kunstmuseum die einzig denkbare Art, wie Kunst in Olten vermittelt werden kann? Die Diskussion soll sich aber nicht um die Qualität der Museumsleitung drehen.
Wie ist die Nachfrage der Bevölkerung? Wird diese Nachfrage auch ohne Kunstmuseum befriedigt?
Der aktuelle Standort an der Kirchgasse 8 ist offenbar nicht mehr geeignet und stark renovationsbedürftig. Die Politik hat eine halbe Million gesprochen und im Februar den noch laufenden Auftrag vergeben, unter anderem ein Raumprogramm auszuarbeiten und einen Architekturwettbewerb vorzubereiten. Was das neue Kunstmuseum sein und beinhalten soll, haben die Verantwortlichen des Kunstmuseums erarbeitet. Die Stimmberechtigten werden in absehbarer Zeit darüber beschliessen dürfen, ob sie der Renovation des Gebäudes an der Kirchgasse 10 (Ex-Naturmuseum) und dem neuen Anbau für die künftige Nutzung als Kunstmuseum zustimmen. Die Investition dafür beträgt gemäss offiziellen Schätzungen zwischen 10 bis 14 Millionen Franken. Der laufende jährliche Aufwand für das Kunstmuseum macht netto und abgerundet ungefähr 600’000 Franken aus. Erwähnenswert sind die hohen Sponsoringeinnahmen (zwischen 200’000 bis 300’000 Franken jährlich), die in dieser Zahl bereits abgezogen wurden. Sie stehen relativ bescheidenen Publikumserträgen (zwischen 30’000 bis 40’000 Franken jährlich) gegenüber. Der Betrieb zählt jährlich ungefähr 8000 Besuche. Unbekannt ist, wie viele verschiedene Besucherinnen diese pro Jahr ausmachen.
Ist dieser Vergleich fair? Ja. Denn der kunstinteressierte Mensch besucht punktuell nach Geschmack und Interesse. Ob der Hopper nun in Riehen oder in Olten ausgestellt wird, ist ihm egal.
Der folgende Vergleich soll keine Polemik sein und nicht absurd wirken:Die Oltner Politik hat im September beschlossen, das städtische Krematorium zu schliessen mit der Argumentation, es sei hochgradig sanierungsbedürftig und eine Sanierung sei nicht angezeigt, weil es in naher Umgebung zur Stadt genügend Krematorien gebe. Diese hätten die Kapazitäten, die Aufgabe situationsgerecht und umweltfreundlich erfüllen zu können. Und schliesslich komme die Subventionierung von Kremationen städtischer Einwohner nicht selten auch auswärtigen Angehörigen zugute. Diese Subventionierungsei nicht Aufgabe der Stadt. Folgen «wir» beim Kunstmuseum derselben Logik, lassen sich in Pendeldistanz (öV) zur Stadt «Kapazitäten» ausmachen, welche die Aufgabe «situationsgerecht» erfüllen: Das Kunstmuseum Basel (38 Minuten, aktuell: Rembrandt), Kunstmuseum Bern (34 Minuten, Marina Abramovic, Martin Disler), Beyeler Riehen (65 Minuten, Matisse, Giacometti, Kandinski, Klee, van Gogh, Cézanne, Hopper), Kunsthaus Aargau (15 Minuten, Julian Charrière), Kunsthaus Zürich (47 Minuten, Caspar Friedrich, William Turner). Ist dieser Vergleich fair? Ja. Denn der kunstinteressierte Mensch besucht punktuell nach Geschmack und Interesse. Ob der Hopper nun in Riehen oder in Olten ausgestellt wird, ist ihm egal.
Wettstein führt aus, dass es eben nicht nur um die aktuellen Ausstellungen gehe, sondern auch um den Erhalt des kulturellen Erbes. Was heisst das genau?
Wettstein führt aus, dass es eben nicht nur um die aktuellen Ausstellungen gehe, sondern auch um den Erhalt des kulturellen Erbes. Was heisst das genau? Geht es darum, die lokale Kunstszene zu zeigen und deren Werke punktuell anzukaufen, um sie regelmässig aus dem Depot zu holen, zu präsentieren und für die Nachwelt zu erhalten? Geht es darum, dass man das lokale Aushängeschild Martin Disteli immer mal wieder zeigt und seine Werke behütet? Das wäre dann eine komplett andere Diskussion. Sollte die Gemeinde als Grundlage zur Entscheidungsfindung neben der Offerte für einen neuen Museumsstandort dann nicht auch eine Offerte einholen für die Archivierung und Digitalisierung der gesammelten Werke? So dass zum Beispiel ein Ausstellungsmacher sie jederzeit finden, ausleihen und ausstellen kann – wo auch immer. Dafür benötigte Olten keine zusätzliche Ausstellungsfläche. Denn es bestehen bereits das Depot des Historischen Museums und des Stadtarchivs. Sind diese zu klein? Dann diskutierten «wir» darüber, ob Olten grössere Archive benötigt. Wenn «wir» die lokale Gegenwartskunst zeigen, erhalten und archivieren möchten, dann geht es um die lokale Kunstszene mit Andrea Nottaris, Christoph Schelbert, Thomas Droll, Enzo Cosentino, Marcel Peltier, Christoph Aerni, Jürg Binz, Regina Graber, Franz Anatol Wyss und sehr viele weitere Namen, welche andernorts ihre Werke ausstellen.
Worauf würden «wir» verzichten? Was könnte mit dem Geld anderes gemacht werden? Oder: Welche Chancen sind mit der Investition in das Kunstmuseum verbunden?
Um einen Entscheid zu fällen, müssten «wir» wissen, was eine Auflösung des Kunstmuseums Olten bedeuten würde bezüglich des Angebots, der Räumlichkeiten und Kosten. Worauf würden «wir» verzichten? Was könnte mit dem Geld anderes gemacht werden? Welche Projekte könnten mehr Nutzen für eine breite Bevölkerung stiften und mit den Investitionsmitteln sowie den resultierenden wiederkehrenden Kosten umgesetzt werden? Und aus einer anderen Perspektive: Wie wichtig ist uns diese Institution? Welche Chancen sind mit der Investition in das Kunstmuseum verbunden? Was bewahren «wir» ganz genau? Und auch: Wie hoch wird ein Eintritt durch die Steuerzahlerin subventioniert? Sollte auf den Eintritt verzichtet werden, um die Arbeit zugänglicher zu machen? Braucht es für die städtische Sammlung ein Museum oder kann diese auch anders gezeigt werden?
«Wir» leisten uns die Institution, die «wir» uns wünschen und für die «wir» bereit sind, im Notfall eine Steuererhöhung in Kauf zu nehmen.
Diese Diskussion sollten «wir» nicht nur über das Kunstmuseum führen, sondern über jeden Entscheid, der derart grosse Konsequenzen hat für die Allgemeinheit. Denn in der Summe bezahlen «wir» für das Angebot, das «wir» uns wünschen. «Wir» leisten uns das Kunstmuseum alle gemeinsam. «Wir» leisten uns die Institution, die «wir» uns wünschen und für die «wir» bereit sind, im Notfall eine Steuererhöhung in Kauf zu nehmen. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist die Tatsache, derer «wir» uns bewusst sein sollten. Persönlich bin ich der Meinung, dass eine solche Investition und die damit verbundenen Konsequenzen diese Diskussion verdienen. Auch finde ich, dass sie stattfinden sollte, bevor ein Auftrag in der Höhe einer halben Million Franken vergeben wird, um ein Projekt zu entwickeln und einen Architekturwettbewerb vorzubereiten. Von der Bevölkerung lässt sich ein Grundsatzentscheid einholen. Wenn in der Zukunft an der Urne das vorgesehene Projekt nicht angenommen würde, dann bewahren «wir» nicht nur den unerwünschten Status quo, sondern haben eine halbe Million Franken verloren und zeitliche, personelle und ideelle Ressourcen verschwendet.
Sollte aber eine solche Diskussion zeigen, dass die Bevölkerung ein Kunstmuseum in der bisherigen Form an einem neuen Standort ausdrücklich wünscht, dann geht diese Institution gestärkt in die Zukunft und «wir» reden nicht hauptsächlich über das Geld, sondern über das Wie, Wo und Wann.
Die gestellte Aufgabe ist nicht einfach. Bereits die Definition meines Themas stellt mich vor Schwierigkeiten. Wer bist du, Mitte?
Die mathematische Mitte
Vielleicht hilft mir die Mathematik, dich zu finden. Sie war in der Schule immer mein Lieblingsfach. Nehmen wir zum Beispiel die Zahlen 3, 3, 3, 4, 10, 50. Egal, ob diese Zahlen für das Sackgeld von 15-Jährigen, für die Covid-19-Fälle in Olten oder für die Anzahl Katzen in einem Haushalt stehen – die Antwort auf die Frage nach der Mitte ist uneindeutig. Sollen wir sie bei 3 Katzen festlegen, weil in dieser Zahlenreihe am meisten Haushalte 3 Katzen haben? Oder liegt die Mitte bei 12.17, beim arithmetischen Mittel? Oder doch bei 3.5, einem Wert, der zwar in der Reihe gar nicht vorkommt, aber die Zahlen in zwei gleich grosse Gruppen mit kleinen und grossen Werten aufteilt?
Die geographische Mitte
Gleich schwierig ist das Rätsel um die Mitte der Schweiz. Wie soll ich über deinen künftigen Zeitgeist, deine Unternehmen, Wohnformen und Verkehrsmittel nachdenken, wenn ich nicht einmal weiss, wer du bist. Sollten wir dich mit Olten gleichsetzen – dem vermeintlichenEisenbahnkreuz der Schweiz? Allerdings fällt die Anzahl der Reisenden, die über den Bahnhof Olten fahren, deutlich gegenüber Zürich ab (gerade mal 80’000 Passagiere im Vergleich zu 440’000 in Zürich, 105’000 in Basel oder 85’000 in Luzern). Die geographische Mitte wiederum liegt in Obwalden – auf einer kleinen Alp mit den Koordinaten 46° 48′ 4″ N, 8° 13′ 36″ E. Man könnte die Sache auch ganz anders angehen und die Mitte der Schweiz dorthin verlegen, wo am meisten Durchschnittsschweizerinnen leben, mit mittlerem Geschmack, mittlerem Einkommen und in mittlerer Grösse.
Die gefühlte Mitte
Das alles sind wenig befriedigende Zahlenspiele. Sie helfen mir nicht, dich zu finden. Vielleicht sollte ich auf Gefühle und meine Intuition hören, um dich zu entdecken und über dich schreiben zu können. Meine ganz persönliche Mitte liegt in der Nähe meiner beiden schwarzen Katzen, meines Schlaf- und Schreibzimmers – und die befinden sich in Dulliken. Zu dieser Mitte gehört eben doch der Bahnhof Olten, der mich vom elften Gleis nach Bern, vom siebten nach Zürich, vom zwölften nach Luzern und vom zehnten nach Basel führt. Diese Mitte liegt in Zwischenräumen. Es ist ein Viereck mit den Ecken «Lenzburg», «Liestal», «Sursee» und dem Moment, wo ich auf der Neubahnstrecke Richtung Bern in den ersten Tunnel eintauche. In diesem Zwischenraum beginnen und beenden wir Einwohner der Mitte unsere Tage. Für die anderen ist er nicht mehr als eine Transitzone.
Die Fragen für diese Serie
Indem ich hier über deine Zukunft nachdenke, will ich dich besser kennenlernen. Noch habe ich keine Ahnung, was passieren wird, wenn ich über deine künftigen Märkte, deine Innovationspotenziale, deine Mentalität und deine Logistik schreiben werde. Fragen an deine Zukunft werden mich beim Fantasieren leiten. Was könnte deine Wirtschaft stark machen und wie machst du das Zusammenleben von uns Mittigen stark? Nach was sehnst du dich und was macht dir Angst? Wie sehr willst du mit jenen vernetzt sein, die dich nur als Transitzone denken? Was könnten Visionen sein, die dich in der ganzen Schweiz zum Strahlen bringen? Vielleicht werde ich mich in dich verlieben, vielleicht deine Mängel unerträglich finden. Wir könnten uns näherkommen oder uns für immer fernbleiben. So oder so: Liebe Mitte, ich freu mich auf dich!